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Wirtschaftskraft: Wer wächst, muss zahlen

Deutschlands wirtschaftliche Kraft in Europa ist Segen und Fluch zugleich. Das Wohlstandsgefälle in Europa wird immer größer - und Starke und Schwache sind durch den Euro aneinandergekettet.

Deutschland, Land der Rekorde. Das Wachstum ist stark wie seit zwei Jahrzehnten nicht, die Arbeitslosigkeit wird zur Randerscheinung, die Industrie, der mancher vor zwei Jahren noch das Totenglöckchen läutete, kann sich vor Aufträgen nicht retten. Dabei stützt sich dieser Aufschwung, anders als viele vor ihm, nicht allein auf den Export, die Binnennachfrage spielt eine ebenso große Rolle.

Doch die Freude über derlei Großtaten fällt mau aus. Denn das Wohlstandsgefälle in Europa wird immer größer – ganz oben die Deutschen, ganz unten Griechen und Portugiesen, deren Schulden steigen und deren Lebensstandard sinkt. Starke und Schwache sind aber durch den Euro aneinandergekettet, schon politisch ist das Ende der Währungsunion keine Option. Für Deutschland bedeutet das: Seine wirtschaftliche Kraft ist Fluch und Segen zugleich. In dem Maße, wie die Bundesrepublik boomt, steigt der Druck auf sie, die Pleitestaaten durchzuschleppen.

Gleichwohl muss sich kein deutscher Politiker ob der Wachstumsdaten schämen. Die Ungleichgewichte bedeuten nicht, dass wir auf Kosten anderer wachsen. Angesichts globalisierter Warenströme endet der Markt für deutsche Produkte nicht am Atlantik im Westen oder am Ural im Osten. Die Regierungen Schröder und Merkel haben einfach mehr richtig gemacht als Europas Sorgenkinder. Und die deutschen Beschäftigten haben sich, auch unter dem Druck eines entfesselten Arbeitsmarktes, lange mit sehr mäßigen Lohnsteigerungen zufrieden gegeben. Auch deshalb konnten Immobilienblasen, die Irland und Spanien heute plagen, gar nicht erst entstehen.

Dass es sich Deutschland leisten kann, für Europa zu bezahlen, steht außer Frage. Zwar sitzt die Republik nicht anders als der gesamte Westen auf immensen Schulden. Doch zugleich fließt das Steuergeld wie nie, die Konjunktur wird dem Staat noch auf Jahre ordentliche Einnahmen bescheren. Die Risiken, die in den nun bundeseigenen Zombie-Banken schlummern, die Bremswirkungen durch das teure Öl, den hohen Euro-Kurs oder die Japan-Katastrophen sind zwar da. Sie taugen aber nicht als Rechtfertigung, um Europa die Solidarität aufzukündigen.

Den Wählern neue Milliarden für die Schwächlinge zu erklären, mag für Union und FDP schwierig sein. Doch haben die Deutschen eine Wahl? Ein Schuldenschnitt für Athen, gar ein Rausschmiss aus der Währungsunion wäre wohl populärer als neue Hilfspakete, weil man endlich einmal die bösen Banker zur Kasse bitten könnte statt immer nur die Steuerzahler.

Die Folgen indes dürften sich kaum unterscheiden: Statt die Griechen müsste die Regierung deutsche Banken und Versicherungen sowie die Europäische Zentralbank stützen, die nach den zu erwartenden Kreditausfällen gerettet werden müssten. Der politische Schaden wäre ungemein größer, die Idee Europa noch stärker in Misskredit. Die Transferunion, der Schrecken der Koalition, bleibt so die einzige Option – zumindest, wenn die Deutschen auch in Zukunft Rekorde vorweisen wollen.

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