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Güterabfertigung am Hamburger Hafen.

© dpa

Wirtschaftswunder II: Das Modell Deutschland funktioniert

Gut zwei Jahre nach der Lehman-Pleite steht Deutschland wirtschaftlich besser da als Briten und Amerikaner. Dafür gibt es Gründe.

Was ist hier los? Unsere Wirtschaft wächst wie zuletzt nach der Einheit, die Arbeitslosenquote fällt von Monat zu Monat und die Aussichten für 2011 werden auch immer besser. Das ist großartig und gut für die Regierung. Eigentlich. Doch CDU/CSU kämen bei einer Wahl am kommenden Sonntag auf 29 Prozent, die FDP bliebe mit vier Prozent am Bundestagszaun hängen. Haben etwa SPD und Grüne, denen zusammen 48 Prozent zugetraut werden, den Aufschwung zu verantworten? Und übersteht der Aufschwung die kommenden drei Jahre, in denen wir ja vermutlich noch von diesem so mies beurteilten schwarz-gelben Bündnis regiert werden?

Es ist viel dummes Zeug geredet („spätrömische Dekadenz“) und gemacht worden (Steuersenkung für Hotels), und der Einschätzung des CSU-Generalsekretärs, der die FDP eine Gurkentruppe schimpfte, war kaum zu widersprechen. Vielmehr lag noch die Ergänzung nahe, dass in der Seehofer-CSU nicht weniger Gurken anzutreffen wären als in der FDP. Womöglich ist das alles nur schlechter Stil, der das Volk abstößt. Aber das schrille und schräge Gehabe hat gewiss auch schwarz-gelbe Kompetenzen überdeckt. Schließlich hat diese Regierung, was die Bewältigung der Wirtschaftskrise anbelangt, die Politik der großen Koalition fortgesetzt.

Der Staat hat viel Steuergeld in die Hand genommen, um Banken zu stabilisieren, Kurzarbeit zu finanzieren und mit Konjunkturprogrammen (Abwrackprämie) wichtige Branchen in Schwung zu halten; Arbeitgeber und Gewerkschaften haben sich derweil auf Arbeitsplatzsicherheit gegen Lohnzurückhaltung verständigt. Und so steht unterm Strich und gut zwei Jahre nach der Lehman-Pleite Deutschland so stark da wie niemand geglaubt hatte. Weil unsere Industrie Weltklasse ist und immer mehr Weltmarktanteile erobert. Weil der Arbeitsmarkt, auch wegen der rot-grünen Agendapolitik, heute besser funktioniert. Weil die Zinsen niedrig sind, was gut ist für Investitionen und Konsum. Und weil schließlich die Verbraucher die vor wenigen Jahren noch verbreitete German Angst abgelegt haben und wieder einkaufen. Es sieht gut aus für Deutschland.

Risiken gibt es immer. Aktuell vor allem die Probleme der USA. Deren ökonomische Schwäche könnte die Bereitschaft zur Konfrontation mit den Chinesen im so genannten Währungskrieg forcieren; inklusive protektionistischer Maßnahme zulasten des Welthandels insgesamt. Und trotz der gegenwärtigen Ruhe um Griechenland, Portugal und Spanien hängt die Sorge um den Euro noch lange über der Währungsunion. Die Sorge der deutschen Arbeitgeberverbände dagegen, wonach die Gewerkschaften im kommenden Jahr tolle Tarife durchsetzen, sind abwegig: Seit Jahren ist die bescheidene Lohnentwicklung in Deutschland mit ein Grund für die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen auf den Weltmärkten.

Das war früher auch schon so. In den 70er Jahren entstand der Begriff „Modell Deutschland“ als ein Muster der Krisenbewältigung. Sozialpartner und Politik arbeiten dabei Hand in Hand, um im rheinischen Konsenskapitalismus die Konjunktur zu stabilisieren. In den turbokapitalistischen 15 Jahren nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ging das verloren. Dann kam die Finanzkrise und hat die ganze Destruktivität des Neoliberalismus aufgezeigt – Briten und Amerikanern geht es heute schlecht, wir sind viel besser dran. Weil es das Modell Deutschland gibt.

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