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Meinung: Wissen kommt von Wirtschaft

158 mal steht Bildung im Koalitionsvertrag – Zeit, dass sie ernst genommen wird.

W enn es so etwas wie ein Überthema gibt für den neuen Berliner Senat, dann ist es die Bildung. In allen nur denkbaren Variationen steht das Wort Bildung jedenfalls 158 mal im Koalitionsvertrag von SPD und CDU, im Schnitt also 1,5-mal pro Seite, und dabei wurde natürlich auch an die „Mindestfortbildungsverpflichtung“ gedacht. Nur aus der Besetzung des Ressorts machten die Koalitionäre bis zuletzt eine Wissenschaft. Aber dass die Verwaltung künftig auf die Abteilung Forschung verzichten sollte, zugunsten der Wirtschaft, der dieser Bereich zugedacht wurde, das war gleich nach der letzten Verhandlungsrunde klar.

Auf viel Verständnis für diese widersinnig anmutende Trennung von Wissenschaft und Forschung, von universitären und außeruniversitären Einrichtungen konnten die Koalitionäre nicht setzen, zumal sie nicht einmal eine schlüssige Erklärung für dieses Verwaltungsharakiri lieferten. So blieb nur die Deutung, dass die Bildung beim Verteilungskampf dem inneren Frieden geopfert wurde, dass am Ende eines weinseliges Fingerhakelns die CDU schnell noch mal was über den Tisch gezogen hat.

Rational blieb nur eine andere Möglichkeit offen: Das Wirtschaftsressort sollte, erweitert um die Zuständigkeit für die Forschung, machtvoller ausgestattet werden, um eine richtig große, vielleicht sogar spektakuläre Besetzung zu ermöglichen. Ein weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannter und geachteter Name, jemand, der Zugang hat zu den Großen der Wirtschaft, der diese überzeugen, vielleicht überreden kann, mehr zu tun in und damit auch für Berlin.

Eine Überraschung gelang dann tatsächlich: Sibylle von Obernitz ist nicht ganz so bekannt, sie berät die Bundesfamilienministerin Kristina Köhler in Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ist Bereichsleiterin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag – und zwar zuständig für: berufliche Bildung und Bildungspolitik. Schließt sich hier womöglich ein Kreis, zwei Ressorts, ein Ziel? Alles ein ganz gewiefter Plan? Oder gerinnt nur nachträglich zur Idee, was zuvor wild und undurchsichtig durcheinandergeflossen ist?

Das alles wird sich erst noch zeigen. Einstweilen muss man sich an den Koalitionsvertrag halten, in dem es einige Hinweise gibt. So stehen auf Seite 35 des Vertrages Wissenschaft und Forschung zwar noch einträchtig als Ressort zusammen, bevor sie später bei der Verteilung getrennt werden; aber bereits in der Präambel heißt es: „Wir werden Berlin zum deutschen Zentrum der urbanen Wirtschaft und der Zukunftstechnologien machen.“ Wirtschaft und Forschung also. Und etwas weiter hinten: „Unsere einzigartige Bildungs- und Wissenschaftslandschaft ist Anziehungspunkt für Unternehmen.“ Wirtschaft und Wissenschaft also.

Das mit dem Anziehungspunkt lässt sich über die Berliner Schullandschaft allerdings nicht gerade sagen. Die ist eher ein Abstoßungspunkt, auch für Unternehmen. Die Bildungsverwaltung hat also auch ohne den Forschungsbereich noch genug zu tun.

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