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Deutschland hat es verschlafen, in die Forschung und Entwicklung neuer Technologien zu investieren.

© dpa

Herausforderung Energiewende: Fördergelder fließen - aber zu wenig in die Entwicklung

Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir uns eingestehen, dass die dafür erforderlichen Technologien noch gar nicht existieren, meint unser Wissenschaftskolumnist.

Ein Jahr nach Verkündung der „Energiewende“ ist unklar, wie Deutschland von Kernkraft und fossilen Energieträgern loskommen will. Der Bundesumweltminister spricht von einem großen „Plan“, der angeblich erfolgreich abgearbeitet werde. Dagegen werfen Umweltverbände und auch Teile der Energiewirtschaft der Regierung Plan- und Entschlusslosigkeit vor. Droht das ehrgeizigste Reformprojekt der Bundesrepublik zu scheitern?

Die Debatte zur Solarstromförderung stimmt nicht gerade optimistisch. Die überfällige Kürzung der Subventionen trifft auf Widerstand in der Branche und bei den Ländern. Dabei sind die Probleme der deutschen Photovoltaikfirmen großenteils selbst verschuldet. Seit 2011 brechen die Gewinne ein, weil sich unter der warmen Subventionsdusche niemand ernsthaft darum bemüht hat, zu weltmarktfähigen Preisen zu produzieren. Zudem hat Deutschland, trotz Subventionen in zweistelliger Milliardenhöhe, seine einstige Technologieführerschaft abgegeben.

Den aktuellen Weltrekord von 20,3 Prozent Wirkungsgrad für klassische Silizium-Module, sogenannte P-Wafer, hält der chinesische Weltmarktführer Suntech. Auch bei neueren Technologien, wie Dünnschicht- und Tandemsolarzellen, hat die deutsche Industrie den Anschluss verloren. Gleiches gilt für die „Konzentrator-Technik“, bei der durch winzige Linsen vor den Photozellen Wirkungsgrade von über 35 Prozent erreicht werden. Und die Konzentratortechnik, die nur bei direktem Sonnenlicht funktioniert, hätte ein Exportschlager werden können. Doch Subventionen gibt es nur für Paneele auf heimischen Dächern – egal, ob sie high- oder lowtech sind.

Die deutsche Solarindustrie steckt in der Krise, weil sie mit ihren satten Gewinnen zu wenig Forschung und Entwicklung betrieben hat. Am wissenschaftlichen Umfeld liegt das nicht, denn die Photovoltaikforscher am Fraunhofer-Institut in Freiburg, am Helmholtz-Zentrum in Berlin und anderen Einrichtungen gehören nach wie vor zur Weltspitze. Dass ungesteuerte Subventionen zur Proliferation unreifer Technologien führen, lässt sich im gesamten alternativen Energiesektor beobachten.

Woran droht die Energiewende zu scheitern?

Auch die deutschen Windanlagenbauer haben sich in den fetten Jahren nicht um die Zukunft gekümmert. Deshalb sind Probleme der Windkrafterzeugung auf hoher See bis heute ungelöst, obwohl ohne sie eine zuverlässige Grundversorgung nicht denkbar ist. Die deutschen Windradhersteller haben sich, wie die Solarbranche, von der ausländischen Konkurrenz überholen lassen. Das einzige „deutsche“ Unternehmen unter den ersten zehn der Weltrangliste ist ein dänischer Windanlagenhersteller, der 2004 von Siemens gekauft wurde.

Beim Biokraftstoff verläuft die Entwicklung ähnlich: Ethanol und Biodiesel werden aus wertvollen Pflanzenteilen und von fruchtbaren Böden gewonnen. Um Kraftstoffe aus Stroh, Holz und anderen Pflanzenabfällen („Lignozellulose“) zu gewinnen, wäre noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Doch die Industrie ist nicht verpflichtet, ihre subventionierten Gewinne dafür zu verwenden.

Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir uns eingestehen, dass die dafür erforderlichen Technologien noch gar nicht existieren. Daraus ergeben sich drei Konsequenzen.

Erstens müssen Forschung und Entwicklung, die Schrittmacher des Reformprozesses, staatlich gesteuert und massiv gefördert werden. Wer Subventionen erhält, muss sich an dieser Aufgabe beteiligen. Zweitens sollte der Schulterschluss mit den europäischen Partnern gesucht werden. Dass Deutschland die gewaltigen technischen Probleme alleine löst, ist illusorisch. Solar- und Windenergie lassen sich im Mittelmeerraum weit effizienter gewinnen als hierzulande, etwa mit dem Wüstenstromprojekt Desertec. Für eine zuverlässige Grundversorgung sind transnationale Leitungsnetze, abgestimmte Reservekapazitäten und Pumpspeicherkraftwerke im Ausland unerlässlich.

Um das alles zu koordinieren ist, drittens, eine zentrale Steuerung notwendig. Dazu müssen zunächst einmal Umwelt und Energie zu einem gemeinsamen Projekt verschmelzen. Ein „Bundesministerium für Umwelt und Energie“ wäre ein guter Anfang. Alles Weitere ist kein planbarer Prozess, sondern ein Abenteuer mit unbekannten Herausforderungen. Der Versuch lohnt sich: Wenn alles gut geht, könnte dabei immerhin ein Plan für das Überleben der Menschheit herauskommen.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

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