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Meinung: Wo geredet wird

Wann Schröder und Bush sich verständigen können – und wie

Von Christoph von Marschall

Um das Problem der Waffenkontrolle im Irak kümmern sich in diesen Tagen vorrangig die Vereinten Nationen, in Wien und New York. Ein goldener Mittelweg zwischen den beiden Extremen: US-Vizepräsident Cheney will den gewaltsamen Sturz Saddams, auch ohne UN-Mandat; Kanzler Schröder ist gegen jeden Militärschlag, selbst unter UN-Mandat. Und damit ein gutes Omen für eine transatlantische Versöhnung? Nach dem Heimatbesuch des deutschen Botschafters in den USA, Wolfgang Ischinger, klärt sich langsam, wie und wann eine Annäherung möglich wird. Und ebenso, was beide Seiten unterlassen sollten.

Das Weiße Haus rät Joschka Fischer, auf einen raschen Besuch nicht zu drängen. George W. Bushs chill out brauche noch Zeit. Umgekehrt gelten deutsche Demutsgesten – oder das Bild von einem Canossa-Flug, den der Kanzler anzutreten hätte –, als kontraproduktiv. Es wäre nicht gut für das Verhältnis, wenn der Eindruck entstünde, Amerika verlange zu viel, nehme zu lange übel – und Deutschland sei unterwürfig.

Ein Datum gibt es, vor dem es zu einer Verständigung kommen sollte: der Nato-Gipfel in Prag Ende November. Nicht, weil der Kanzler sonst Probleme bei der von Bush unterstützten Erweiterung der Allianz um sieben Länder vom Baltikum bis zum Balkan machen würde, wie jetzt in einer großen Zeitung zu lesen war. Die Erweiterung hat auch Deutschland immer gewollt, sie dehnt den Stabilitätsraum aus. Der Gipfel, auf dem sich die neue Nato mit gewachsenen Aufgaben präsentiert, ist vielmehr zu wichtig, als dass ihn ein Zerwürfnis überschatten dürfte.

Die Meinungsverschiedenheiten in der Sache jedoch bleiben. Amerika fühlt sich im Krieg, sieht sich einer neuartigen Bedrohung gegenüber, gegen die das alte Regelsystem aus UN, Völkerrecht, Abrüstungsverträgen keinen Schutz bietet. Weshalb die USA sich berechtigt fühlen, das alte System zu sprengen, seine Auflagen abzuschütteln und sogar Präventivschläge zu führen, notfalls im Alleingang – eine Revolution. Europa ist aus Amerikas Perspektive erstarrt im Status quo. Und hat bisher keinen überzeugenden Gegenentwurf präsentiert, wie es eine Gefährdung des Friedens durch Saddams Massenvernichtungswaffen ausschließen will.

Die Fortschritte, die in der EU das stolze Gefühl prägen, selbst Nabel der Modernisierung zu sein, werden in Amerika kaum wahrgenommen: der Verfassungskonvent samt der Bereitschaft, Souveränitätsrechte an supranationale Organisationen zu übertragen – was Amerika für sich ausschließt. Diese Evolution sprengt das geltende Völkerrechtssystem nicht. Ein schwacher Trost. Erstens bietet diese Evolution keine schnellen Garantien gegen Saddam, zweitens wird die EU in Washington nicht als politischer Akteur wahrgenommen. In der Irak-Frage gibt es keine gemeinsame EU-Position – und daran trägt der Kanzler eine große Mitschuld.

In Berlin wird man verstanden haben, dass es nicht genügt, Nein zu sagen. Deutschland wird in dem Maß glaubwürdiger, in dem es nicht allein gegen die amerikanische Strategie militärischen Drucks auftritt, sondern eine verlässliche Alternative aufzeigt, wie Saddam unter Kontrolle zu halten ist.

Bleibt zum guten Ende ein aus Erfahrung geborener Rat: Wenn zwei sich streiten, gib ihnen eine gemeinsame Aufgabe. Zum Beispiel eine abgestimmte Iran-Politik. Oder Nahost: Frieden lässt sich dort nicht auf die Schnelle schaffen. Aber wenn es mit vereinten Kräften Amerikas, Europas und Deutschlands gelänge, die erhitzten Gemüter auf die Temperatur der letzten beiden Clinton-Jahre herunterzukühlen, dann ließen sich – was auch immer im Irak passiert – die Folgen für Israel und Palästina beherrschen.

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