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Arbeiter auf der Baustelle in der Nähe des Alexanderplatzes, wo ein weiteres Kaufhauskomplex entstehen soll.

© dpa

Wohnungsbauprogramm: Berliner SPD droht an der Baupolitik zu scheitern

Auf beängstigende Weise geraten die Berliner Sozialdemokraten im Senat und ihr Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in den Ruch, zu spät zu schnell Versäumtes nachholen zu wollen - besonders in der Baupolitik. Vor allem der zuständige Senator wird immer mehr zum Problem.

Fast immer rächt es sich, der Realität nicht ins Auge blicken zu wollen. Parteien und Patrone, die allzu lange die Macht umklammern, geraten in diese Lage, wenn sie zu oft zu viel aussitzen – und plötzlich zu spät zu schnell Versäumtes nachholen wollen. Auf beängstigende Weise geraten die Berliner Sozialdemokraten im Senat und ihr Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in den Ruch, just in diese Falle zu tappen.

Die kraftlose Bekämpfung der Wohnungsnot und die Irrwege bei der Gestaltung der Stadt nähren diesen Verdacht. Dabei sind das die großen Themen, mit denen sich Berlin auch auf der bundespolitischen Bühne profilieren könnte. Bezahlbare Mieten in städtischen Quartieren für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Bildung entscheiden über die Dynamik einer Region. Erst recht, wenn die Gesellschaft altert und die vielen Kinder aus bildungsfernen Haushalten in die Stadtgesellschaft zurückgeholt und fit gemacht werden müssen für den Arbeitsmarkt. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat das erkannt und erklärte die „soziale Stadt“ zum Schwerpunkt-Thema im Bundestagswahlkampf.

Und Berlins Bausenator Michael Müller? Er beklagt, dass Gesetzesinitiativen aus Berlin am Bund scheitern und setzt auf den Regierungswechsel im Kanzleramt, der dieser Tage in weiter Ferne scheint. Reicht das?

Es wäre unfair, dem freundlich-akkuraten, eifrigen Bausenator fahrige Vorstöße der Koalitionsspitzen anzulasten: das unausgegorene Wohnungsbauprogramm etwa, das die städtischen Gesellschaften auf Pump finanzieren sollen. Müller hat viele Bausteine gelegt zur Dämpfung des Mietenanstiegs. Das Verbot der Zweckentfremdung oder die Kappung der Mieten bei städtischen Wohnungen zählen dazu. Aber der Senator versäumt, die Leitung des vielstimmigen Chors von Parteipolitikern und Experten zu übernehmen, die sich mit Vorschlägen zur Bewältigung der Wohnungsnot überbieten.

Verhängnisvoll wirkt das für die ganze Regierungsarbeit. SPD-Landeschef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh schwingen sich auf zur heimlichen Leitung der Berliner Baupolitik. Paktiert wird auch mal mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Dem können diese Grabenkämpfe nur recht sein. Denn jeder Konflikt verzögert den Griff in seine Schatulle. Viel Geld wird das Bauprogramm aber so oder so kosten.

Müller, der gegen Stöß schon die Kampfabstimmung um die Parteiführung verlor, muss dem Treiben ohnmächtig zusehen – vom uneingeschränkten Rückhalt des Regierenden Bürgermeisters ist wenig zu spüren. Das verstärkt die Sehnsucht nach einem durchsetzungsstarken Mann an der Spitze dieser gewaltigen Behörde. Einer mit politischem Instinkt auch für die großen städtebaulichen Themen dieser Stadt, zu denen die Internationale Bauausstellung 2020 zählt. Die letzte IBA vor 25 Jahren hat den historischen Stadtgrundriss neu entdeckt, brachte kühne, auch umstrittene Architektur hervor und löste eine Debatte aus, die die Stadt voranbrachte. Und heute? „Draußenstadt – Drinnenstadt“, der sperrige Titel der IBA 2020 erlangt allenfalls unter Fachleuten einen gewissen Ruf.

Die Stadtgesellschaft ist der Verwaltung voraus. Sie richtet ihren Blick auf die Brache in Berlins Mitte. Die Stadt aus ihrem Ursprungsort heraus zu entwickeln, das birgt die Chance, neue städtebauliche Impulse zu finden – das ist ein greifbares Bild für jeden. An die Spitze dieser Bewegung hat sich wiederum Stöß gestellt. Das schärft auch sein Profil.

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