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Meinung: Womit hat er das verdient?

Von Gerd Appenzeller Vermutlich hat sich kein Berliner Landespolitiker jemals so ungerecht behandelt gefühlt wie Klaus Wowereit im ersten Amtsjahr (Eberhard Diepgen in seinem letzten natürlich ausgenommen). Zwölf Monate nach seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister stellte Wowereit jetzt fest, er werde kritisiert und attackiert und selten gelobt.

Von Gerd Appenzeller

Vermutlich hat sich kein Berliner Landespolitiker jemals so ungerecht behandelt gefühlt wie Klaus Wowereit im ersten Amtsjahr (Eberhard Diepgen in seinem letzten natürlich ausgenommen). Zwölf Monate nach seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister stellte Wowereit jetzt fest, er werde kritisiert und attackiert und selten gelobt. Da malt er nicht schwarz. Genauso ist es. Bleibt die Frage: Ist die Welt nun so schlecht oder das Berliner Stadtoberhaupt?

Subjektiv und objektiv betrachtet hat kein Berliner Regierungschef jemals einen so schwierigen Start gehabt wie Wowereit und sein seit dem Januar amtierendes rot-rotes Bündnis. Der Koalition aus SPD und PDS schlug im Westteil der Stadt von Beginn an massiver Widerwillen entgegen. Auch Wowereit selbst erfreute sich nur geringer Sympathien, was mit seiner offen eingeräumten Homosexualität aber viel weniger zu tun hatte als mit dem Bruder-Leichtfuß-Ruf, den er sich schnell erfeierte. Rein sachlich betrachtet sind die durch die Bankgesellschaft und anderweitige finanzielle Großmannssucht der Vergangenheit ausgelösten Probleme der Stadt so gigantisch, dass auch routiniertere Politiker als Wowereit daran hätten verzweifeln können.

Wer es aber, wie Klaus Wowereit und sein Stratege Peter Strieder, auf einen grundlegenden Politikwechsel – manche nannten es gar Tabubruch – anlegt, kann auf Mitleid der Gestürzten und ihrer Anhänger verständlicher Weise nicht rechnen. Ein Regierungssturz ist kein Selbstzweck. Mit ihm werden, außer dem legitimen Drang zur Macht, politische Zielvorstellungen verknüpft.

Von der Notwendigkeit eines Mentalitätswechsels wollte er die Menschen überzeugen, richtig. Aber damit ging es wie mit dem – genauso unausweichlichen – Solidarpakt zu Gunsten der Stadt, nicht zu Gunsten ihres öffentlichen Dienstes, wohlgemerkt. Über beides wurde mit den Betroffenen nicht gesprochen, es wurde als Zielvorgabe verkündet. Das klappt aber nicht. 3,5 Millionen Berliner und ihr sich selbst in Bewegung haltender Verwaltungsapparat sind keine Schulklasse, die der Lehrer im Frontalunterricht herumkommandieren könnte.

Überzeugen aber, das können weder Klaus Wowereit noch seine Mannschaft. Es gibt keinen Think tank in diesem Senat, in dem Strategien erdacht und erarbeitet würden. Ausgerechnet Rot-Rot, diese nach eigenem Verständnis so menschenfreundliche Mischung aus sozialdemokratisch und sozialistisch, regiert immer wieder konfrontativ und scheitert deshalb permanent.

Das liegt nicht an den Spitzen der beiden Parteien, die nach übereinstimmendem Urteil im Regierungsgeschäft harmonisch und pfleglich miteinander umgehen. Das liegt am Regierenden Bürgermeister selbst, der sich um unliebsame Dinge nicht kümmern mag, der sich weit mehr als Repräsentant denn als Chef seiner Koalition fühlt. Hart und unerbittlich ist er nach allgemeinem Urteil nur im Senat, außerdem auch noch ungnädig und ungeduldig.

Nach einem Jahr Wowereit ist dennoch zu bezweifeln, dass ein weiteres Jahr Diepgen besser gewesen wäre. Ob ein weiteres Jahr Große Koalition der Stadt gut getan hätte, muss sogar ganz deutlich verneint werden. Aber dass sich Klaus Wowereit mit soviel Kritik auseinander setzen muss, liegt eben nicht nur an der bösen Welt Es liegt vor allem an ihm selbst.

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