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Wowereits Berlin: Da tickt was

Peter Fox weiß, wie Berlin tickt. Weiß das Klaus Wowereit auch? Der Regierende Bürgermeister sieht zu, wie die Stadt vor hundert mit Putzschwämmen bewaffneten Roma kapituliert. Aber das Thema scheint zu klein für Wowereit.

Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein, so dreckig und grau, du kannst so schön schrecklich sein – so heißt es in der Hymne von Peter Fox an seine Stadt; eine Liebeshymne, trotz alledem, und auch deswegen; für alle, die es sich leisten können, dem Charme des rohen, rauen, rudimentären Berlin zu erliegen. Am Freitagabend hat Peter Fox mit seiner Band in der Wuhlheide gespielt, das erste von vier Konzerten; siebzigtausend Menschen werden diese Zeilen dann mitgesungen haben. Peter Fox weiß, wie Berlin tickt. Klaus Wowereit behauptet das von sich selbst auch. Er ist der Regierende Bürgermeister einer Stadt, die vor hundert mit Putzschwämmen bewaffneten Roma kapituliert.

Wowereit hält sich raus aus dieser Groteske. Zu klein für ihn. Aber es gibt viele Berlinensien wie diese, und zusammen sind sie groß. Was ist groß genug für den Regierenden Bürgermeister? Der Fall der Roma, an dem sich die vielgliedrige Berliner Verwaltung verrenkt hat, ist symptomatisch für die politische Verwahrlosung der Stadt. Die Roma wissen nicht, wohin; Klaus Wowereit weiß es auch nicht – jedenfalls nicht für die Stadt, für sich selbst vielleicht schon. Er zelebriert die Orientierungslosigkeit als wohltuende Abwesenheit von Langeweile und die Widersprüchlichkeit der Großstadt als Regierungskunst. Das passende Label dazu fand Wowereit in einem sinnentleerten Kampagnenslogan: be Berlin – den hat er selbst präsentiert.

Ansonsten hält Wowereit sich lieber zurück, ganz bewusst. Schon zu Beginn seiner ersten Amtszeit gab er bekannt: „Nur wenn es darauf ankommt, steige ich in die Bütt.“ So setzt Wowereits Senat die Politik zur Inneren Sicherheit, zur Integration, zur Bildung weitgehend ohne ihn in den Sand. Darauf an kam es ihm bei Tempelhof und bei der Stadtentwicklung am Alexanderplatz, dort aber erst, als es schon zu spät war. – Du bist nicht schön und das weißt du auch, dein Panorama versaut, siehst nicht mal schön von Weitem aus. – Dieser Stoff geht Peter Fox hier so schnell ganz sicher nicht aus.

Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit stellte Wowereit die Richtlinien der Senatspolitik vor, ein Sammelsurium von sechzig Punkten, wie in fröhlicher Runde ausgewürfelt aneinandergereiht; mittendrin, unter Ziffer 28, geht es um Integration, für Bildung und Schule reicht es gerade zu Platz 39. Wird Wowereit nach einer Vision für Berlin gefragt, macht er es kürzer: „Alles wird noch besser.“ Dazwischen findet, je nach Lust und Laune, irgendetwas statt. Die Berliner Bildungslotterie, bei der gute Gymnasialplätze künftig verlost werden sollen, nennen nur Zyniker folgerichtig; doch ist sie die Folge dieser Politik.

Die absurd aufgeladene Diskussion über die Roma wäre auch anders verlaufen, hätte der Regierende Bürgermeister dazu ein paar grundsätzliche Worte gefunden, entlang einiger Richtlinien zum gesellschaftlichen Selbstverständnis, zu Toleranz und zur Überforderung von Toleranz, und vielleicht auch zur Geschichte der Romafamilien in Berlin, die 1936, vor den Olympischen Spielen, verhaftet und verschleppt wurden, erst in ein Lager bei Marzahn, auf den Rieselfeldern gleich am Friedhof, später weiter nach Sachsenhausen und Auschwitz. Das hätte eine Bedeutung gehabt, auch über den scheinbar kleinen Fall weit hinaus.

Ein Hooligan liegt ’ner Frau in den Armen und flennt; diese Stadt ist eben doch gar nicht so hart, wie du denkst – so singt Peter Fox. Viele Berliner lieben ihre Stadt; aber vielen geht auch auf den Wecker, wie sie politisch so tickt.

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