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Wowereits Zukunft: Jetzt mal konkret, Genossen

Nein, am Ende ist der rot-rote Senat von Klaus Wowereit nicht, noch nicht. Auch mit einer Stimme Mehrheit lässt sich’s regieren, manchmal sogar konzentrierter. Aber wenn der Senat nicht am Ende ist, wo steht er dann, heute, nach acht Jahren der Koalition, und vor allem: wofür?

Nein, am Ende ist der rot-rote Senat von Klaus Wowereit nicht, noch nicht. Auch mit einer Stimme Mehrheit lässt sich’s regieren, manchmal sogar konzentrierter. Aber wenn der Senat nicht am Ende ist, wo steht er dann, heute, nach acht Jahren der Koalition, und vor allem: wofür?

Es war in den letzten Jahren gute Übung in Berlin, große Versprechungen zu machen. Aber reden allein überzeugt die Berliner nicht, sondern nur eine Politik, die sich konkret für Lebensqualität und Arbeitsplätze einsetzt. – Diese Sätze hat vor achtzehn Monaten Klaus Wowereit in dieser Zeitung geschrieben. Große Versprechungen waren seitdem tatsächlich kaum zu hören, sieht man einmal ab von dem gerontologischen Großausblick Wowereits auf die Stadt der Zukunft, als er „die Chancen eines längeren Lebens“ beschwor und den altersgerechten Umbau Berlins ankündigte. Inzwischen aber ist die Landespolitik derart verkiezt, dass ein paar große Ideen und Ziele nicht wirklich schaden würden. Genau dafür bietet nun, zufällig, der Wechsel der SPD-Abgeordneten Canan Bayram zu den Grünen beste Voraussetzungen.

Die Opposition ist, bis auf eine Ausnahme, nicht so verwegen, laut nach Neuwahlen zu rufen. Die politische Mehrheit des Senats mag zwar knappeln und kippeln, aber die gesellschaftliche Mehrheit in der Stadt bringt – allen Indikatoren wie Wahlen, Volksabstimmungen und Umfragen zufolge – ziemlich stabil links von der Mitte mehr auf die Waage. Und doch wirkt der Wechsel Bayrams wie ein Anschlusstreffer gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit. Da geht noch was. Auch die Opposition kann ihre Arbeit – und ihre Abgeordneten – jetzt wieder mehr konzentrieren. Das ist nur gut: für sie selbst, für die Stadt, sogar für den Senat.

Entscheidend für den Verlauf der nächsten Monate wird indes sein, wie Wowereit auf die neue Situation reagiert. Noch zeigt er sich wie gewohnt gelassen, in der vermuteten Gewissheit, dass sein „Lager“ steht, gerade wegen der heiklen Lage. Doch wird Wowereit wissen, dass Stoizismus allein jetzt nicht mehr reicht. In acht Jahren als Regierender Bürgermeister ist seine landespolitische Betriebstemperatur gesunken, die bundespolitische dagegen gestiegen. Aber Größe zeigt sich nicht daran, dass einer sich raushält aus allem, was ihm klein erscheint, für das er aber eigentlich zuständig ist. Dazu kommt, dass höhere Aufgaben zurzeit nicht gerade nahe liegen. So kann Wowereit die gefährdete Mehrheit für seinen Senat durchaus auch als motivierende Herausforderung sehen. Das wäre gewissermaßen die Rückkehr des Regierenden Bürgermeisters in die Tiefebenen der Landespolitik. Aber dort muss er jetzt hin, falls er später noch mal hoch hinaus will.

Wer mit ganz knapper Mehrheit regiert, sollte die eigenen Leute bei Laune halten, damit sie nicht auseinanderlaufen. Dazu aber bedarf es weniger eines Entertainers, als vielmehr einer Antwort auf die Frage, warum und wofür sie zusammen stehen, abgesehen von der Verteidigung des eigenen Mandats. Die strikte Finanzpolitik der vergangenen Jahre war zwar nicht beliebt in den Regierungsparteien, aber sie war lebenswichtig für die Stadt und identitätsstiftend für die Koalition. Wenn es um Bildung geht und um Integration und um Prosperität, ist Erfolg nicht so schnell messbar wie ein Schuldenabbau. Aber das macht Aufgaben wie diese nicht nichtig.

Wie sagte Wowereit noch: Reden allein überzeugt nicht. Auf die konkrete Politik kommt es an. Da hat er recht.

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