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Meinung: Wozu gibt es eigentlich Aufsichtsräte?

Berichterstattung zur verzögerten Flughafeneröffnung „Willy Brandt“ Mit Bestürzung, eher aber mit zunehmender Wut liest man die immer neuen Verzögerungsmeldungen und die Meldungen darüber, was alles verabsäumt worden ist. Immer drängt sich dabei die Frage auf, wofür gab und gibt es eigentlich einen Aufsichtsrat?

Berichterstattung zur verzögerten Flughafeneröffnung „Willy Brandt“

Mit Bestürzung, eher aber mit zunehmender Wut liest man die immer neuen Verzögerungsmeldungen und die Meldungen darüber, was alles verabsäumt worden ist.

Immer drängt sich dabei die Frage auf, wofür gab und gibt es eigentlich einen Aufsichtsrat? Dieser hat seine Aufgabe, Aufsicht zu führen in keinster Weise erfüllt! Wofür war er dann da?

Herr Wowereit und Herr Platzeck sollten dafür mal gerügt werden und sagen, worin sie eigentlich ihre Aufgabe gesehen haben?

Doch da wagt sich wohl keiner ran!

Dr. Wolf Günther, Berlin-Heiligensee

Sehr geehrter Herr Dr. Günther,

„Höllisch aufpassen“ müsse man, die Verantwortlichkeiten nicht durcheinanderzubringen, so Klaus Wowereit in einer Äußerung zur Verschiebung der Flughafeneröffnung. Das stimmt sicher. Das Thema ist komplex, gerade wenn Politiker in ihrer politischen Funktion und als Vertreter eines wesentlich beteiligten Gesellschafters ein Aufsichtsratsmandat in einer Gesellschaft wahrnehmen, die zwar privatwirtschaftlich organisiert ist, aber ein öffentliches Interesse verfolgt.

Die Gesellschaft, das ist die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, an der die Länder Berlin und Brandenburg mit je 37 Prozent, der Bund mit 26 Prozent beteiligt sind. Für eine GmbH ist ein Aufsichtsrat im Gesetz eigentlich nicht vorgesehen. Die Flughafengesellschaft hat aber mehr als 500 Mitarbeiter und ist deshalb zur Bildung eines Aufsichtsrates, in dem auch die Arbeitnehmer vertreten sind, verpflichtet. Die Aufgaben und Pflichten des Aufsichtsrates richten sich dann nach dem Aktienrecht.

Nach den aktienrechtlichen Regelungen überwacht der Aufsichtsrat die Geschäftsführung, darf aber selbst keine Geschäftsführungsaufgaben übernehmen. Seine wirkungsvollste Möglichkeit zur Einflussnahme besteht deshalb darin, Vorstände oder, bei der GmbH, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen.

In der Praxis stützen sich Aufsichtsräte bei der Wahrnehmung ihrer Überwachungspflicht auf die Informationen, die sie vom Vorstand in Form regelmäßiger Berichte und insbesondere vor und in den Aufsichtsratssitzungen erhalten. Darauf dürfen sie sich auch verlassen, soweit keine Anhaltspunkte für Fehler, eine unvollständige Darstellung oder gar bewusste Falschinformationen erkennbar sind. In schwierigen Situationen oder bei Zweifeln an der Informationserteilung durch den Vorstand können die Pflichten des Aufsichtsrates allerdings weitergehen: eigene Einsichtnahme in Unterlagen oder sogar die Erteilung eines Prüfungsauftrages an einen externen Prüfer sind im Aktienrecht vorgesehen. Gerade hier liegt rechtlich ein Problem: Konnten einzelne Aufsichtsratsmitglieder in einer bestimmten Situation erkennen, dass Einschätzungen des Vorstandes unzutreffend waren, möglicherweise auf falschen Informationen beruhten? Gab es einen konkreten Anhaltspunkt, der eigene Nachforschungen des Aufsichtsrates erforderlich gemacht hätte?

Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat nur die Geschäftsführung, nicht jedoch die Ebenen unterhalb der Geschäftsführung überwacht. Gegenstand der Kontrolle durch den Aufsichtsrat ist insoweit nur, ob die Geschäftsführung die Arbeitsebenen richtig organisiert und überwacht.

Aus den Aufgaben des Aufsichtsrates ergibt sich auch seine Haftung: Aufsichtsratsmitglieder können der Gesellschaft für Pflichtverletzungen schadenersatzpflichtig sein. Kam dies in der Vergangenheit kaum vor, so nehmen im Bereich der Aktiengesellschaften die Fälle der Aufsichtsratshaftung inzwischen zu. Allerdings: Die rechtlichen Hürden für eine Inanspruchnahme von Aufsichtsräten sind hoch. Wurden bei unternehmerischen Entscheidungen Fehler gemacht, führt dies regelmäßig nicht zu einer Haftung. Liegt tatsächlich eine konkrete Pflichtverletzung bei der Beaufsichtigung der Geschäftsführung vor, so muss auch der direkte Zusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und dem Schaden hergestellt werden. Hätte auch eine pflichtgemäße Kontrolle den Schadenseintritt nicht verhindert, besteht kein Anspruch.

Und schließlich: Der Anspruch steht der Gesellschaft zu, nicht dem Gesellschafter. So können Aktionäre einer Aktiengesellschaft den Aufsichtsrat nicht direkt in Anspruch nehmen, ein eventueller Schadenersatz fließt an die Gesellschaft. Ob allerdings die Gesellschaft die Ansprüche tatsächlich und wirkungsvoll verfolgt, ist von außen kaum zu beurteilen.

Um die wachsenden Risiken für Aufsichtsräte aufzufangen, werden heute üblicherweise Haftpflichtversicherungen, sogenannte D&O-Versicherungen, abgeschlossen. Das persönliche Risiko für Aufsichtsräte wird damit reduziert, in vielen Fällen sogar auf null. Kommt es zu einem Haftungsfall, wird die Angelegenheit daher oft zwischen der Gesellschaft und der Versicherung geregelt.

Ob es im konkreten Fall Ansätze für Pflichtverletzungen oder gar eine Haftung von Aufsichtsräten gibt, lässt sich natürlich von außen nicht beurteilen. Was die Aufsichtsratsmitglieder wussten, ob sie an bestimmten Punkten hätten nachhaken müssen, das wird hoffentlich aufgeklärt. Unberührt von diesen rechtlichen Fragen bleibt aber die politische Verantwortung. Sie unterliegt nicht den recht engen Grenzen der aktienrechtlichen Haftung von Aufsichtsräten.

— Dr. Malte Diesselhorst, Landesvorsitzender

der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz

und Mitglied im Berliner Börsenrat

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