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Meinung: WTO-Konferenz in Doha: Der Zwang zum freien Handel

Wieder einmal treffen sich Handelsexperten von Entwicklungsländern und Industrienationen zu Verhandlungen über den freien Welthandel. Dieses Mal findet die Welthandelskonferenz der WTO in Doha statt, im arabischen Emirat Katar.

Wieder einmal treffen sich Handelsexperten von Entwicklungsländern und Industrienationen zu Verhandlungen über den freien Welthandel. Dieses Mal findet die Welthandelskonferenz der WTO in Doha statt, im arabischen Emirat Katar. Die reichen Länder sagen, ein freier Welthandel diene der Gerechtigkeit. Die armen Länder meinen, er nutze vor allem den Industrienationen. Deshalb haben Globalisierungsgegner vor zwei Jahren die WTO-Konferenz in Seattle gestürmt. Und deshalb haben sie auch versucht, das G-8-Treffen in Genua zu verhindern.

Doch seit dem 11. September wird der freie Welthandel von beiden Seiten anders betrachtet, und das Wort Gerechtigkeit hat einen neuen Klang. Deshalb sind die Chancen jetzt besonders gut, dass es zu einer neuen Welthandelsrunde kommt. Dazu bedarf es eines Mandats der WTO-Ministerrunde. Die Handelsexperten in Doha können dafür die Voraussetzungen schaffen. Eine neue Welthandelsrunde: Das wäre der Auftakt zu intensiven Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels, über weniger Zölle, weniger Subventionen und weniger versteckte Handelsbarrieren. Das käme allen Ländern zu Gute - und wäre ein ernsthafter Beitrag dazu, dem internationalen Terrorismus den Boden zu entziehen.

Die Voraussetzungen sind besser denn je. Schon deutet sich an, dass die Handelsexperten der 142 Mitgliedsländer der Welthandeskonferenz gewillt sind, eine Einigung zu erzielen. Ein Zeichen dafür: Brasilien und Indien bestehen seit Jahren darauf, dass der Patentschutz für Medikamente gegen Aids und andere tödliche Krankheiten gelockert wird - plötzlich finden sie Gehör. Die Folgen des 11. September beginnen auch hier zu wirken. Unter dem Eindruck der Anschläge hat in den westlichen Industrienationen ein ernsthaftes Nachdenken darüber begonnen, was ein gerechter Welthandel tatsächlich wäre. Bisher galt die Formel: "Freier Welthandel ist das, was vor allem uns nutzt." Heute herrscht die Einsicht vor: "Freier Welthandel kann sich nur in einer Welt ohne Terror entfalten." Und das heißt: in einer Welt, in der der Interessenausgleich zwischen Arm und Reich auf eine neue Basis gestellt wird. Bei der nächsten Welthandelsrunde sollen Entwicklungsländer weit stärker beteiligt sein als je zuvor.

Ein Erfolg in Katar, nur wenige Hundert Kilometer vom Kriegsschauplatz Afghanistan entfernt, wäre ein Symbol für die Bereitschaft der Industrienationen, den ärmeren Ländern entgegen zu kommen: Durch den Abbau von hohen Zöllen zum Beispiel, die vielen Ländern den Zugang zum Weltmarkt erschweren, und durch den Abbau von Subventionen, die es Entwicklungsländern bisher kaum möglich macht, ihre Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen am Markt anzubieten. Nicht zuletzt wäre dies ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Terror. Das wissen die Amerikaner. Das wissen auch alle anderen. Deshalb bleibt den WTO-Handelsministern gar nichts anderes übrig, als sich auf eine neue Welthandelsrunde zu einigen. Das gilt umso mehr, als die hart auf eine Rezession zusteuernde Weltwirtschaft jetzt dringend einen Vertrauensbeweis braucht. Da kommt ein klares Bekenntnis zum freien Welthandel gerade recht.

Alle Beteiligten müssen sich bewegen. Vor allem die Industrieländer haben Opfer zu bringen. Aber langfristig zahlen diese sich aus - für alle. Nicht zuletzt verbindet sich mit einem wirklich freien Welthandel die Hoffnung, dass mit wachsendem Wohlstand die Entwicklungsländer politisch stabiler und damit berechenbarer werden. Korruption, Nepotismus und Bürgerkrieg sind in vielen der ärmsten Länder an der Tagesordnung. Auch dies lähmt die Wirtschaft.

Bereits von den bisherigen Liberalisierungsschritten haben die Entwicklungsländer deutlich profitiert. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Exporte aus solchen Ländern um ein Vielfaches gewachsen. Die Weltbank sagt, dass durch einen noch stärker liberalisierten Handel in den nächsten fünfzehn Jahren dreihundert Millionen Menschen aus der Armut befreit werden können. Dazu kann es keine Alternative geben - jedenfalls dann nicht, wenn man ernsthaft verhindern will, dass sich aus Benachteiligung Verbitterung und aus Verbitterung Terror entwickelt.

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