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Helmut Schümann

© Kai-Uwe Heinrich

Wulff in Russland: Wurm im Salat

Festmahle für Politiker sind nur etwas für kampferprobte Mägen - auch wenn sich manchmal nur ein harmloser Regenwurm in einen Salat verirrt.

Vom Regenwurm weiß man, dass er ein sehr nützlicher Geselle respektive nützliche Gesellin ist, er/sie ist nämlich Zwitter. „Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer“ betitelte Charles Darwin 1881 seine Erkenntnisse über den Wurm. Nicht erst seitdem wühlt er sich durch die Erde, produziert Humus, lockert den Boden auf, durchlüftet ihn. Im Paarungsverhalten ist er sehr unkompliziert, ob auch freudvoll, davon weiß man nichts, man steckt ja nicht drin in einem Wurm. Auch macht er kein großes Geschrei, wenn man ihm den Schwanz abhackt, er bildet einfach ein neues Hinterteil. Regenwürmer werden zwischen drei und neun Jahre alt. Wenn sie nicht vorher verspeist werden. Ältere Mitbürger werden sich erinnern: Als die Kinder zwecks Erprobung ihres Mutes noch nicht auf S-Bahnen surften oder einen Liter Wodka auf ex tranken, aßen sie Regenwürmer. Am Stück oder filetiert. Er schmeckt aber nicht gut. Eher nach gar nichts. Und störend ist der viele Sand, den so ein Regenwurmkorpus mit sich trägt. Es ist also verständlich, dass Dmitri Selenin wenig erfreut war, als er einen Regenwurm in seinem Salat fand.

Das wäre an sich keine Mitteilung wert. Aber Dmitri Selenin ist Gouverneur von Twer in Zentralrussland und als solcher saß er beim Festbankett zu Ehren von Bundespräsident Christian Wulff zu Tisch im Kreml.

Die Geschichte vom Wurm im Bankettsalat erinnert ein klein wenig an die Story, die Laura Bush, die Gattin von George W., kürzlich zum Besten gab. Die nämlich, dass sie und ihr Gemahl seinerzeit beim Festmahl des G-8–Gipfels in Heiligendamm vergiftet worden seien. Offensichtlich sind Festmahle für Politiker nur etwas für kampferprobte Mägen.

Was den Wurm im Salat angeht, den hat Wulff überlebt. Das könne doch überall passieren, sagte eine um Schadensbegrenzung bemühte Gouverneurs-Sprecherin, im Wochenendhäuschen, daheim und eben auch im Kreml. Weniger belustigt waren der Chefkoch des Kreml und die Gastgeber selbst. Immerhin soll, wohl zur Vermeidung späterer Verschwörungs- und Giftanschlagstheorien, der Sicherheitsdienst des Kreml die Abläufe in der Küche überprüfen. Und auf Dmitri Selenin, der noch über die Frische der Zutaten gescherzt hatte, wartet Ungemach. Man könne sich auch wegen Blödheit selbst zum Rücktritt bereit erklären, polterte ein Kremlfunktionär. Wo der Wurm sich nun aufhält, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich hat sich Selenin seiner Kindheit erinnert. Wohl bekomm’s.Helmut Schümann

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