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Bundespräsident Christian Wulff kritisiert den Umgang mit der Euro-Krise - und hat damit auch Angela Merkel im Visier.

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Update

Europa: Wulff, Kohl und Co. - Merkels wunder Punkt

Bundespräsident Christian Wulff kritisiert die Euro-Retter, Kohl die deutsche Außenpolitik und Ursula von der Leyen schießt quer: Angela Merkel ist in schwierigem Fahrwasser.

Die Gemengelage wird allmählich unübersichtlich, auch für Angela Merkel. Erst stellt sie vor der CDU ihre neue Liebe zu Europa heraus und versucht, ihre Fraktion zu überzeugen, dann kommt in dieser Woche ein kleiner Einschlag nach dem nächsten. Da ist der Vorschlag von Ursula von der Leyen, Pleitestaaten sollten ihre Goldreserven als Garantien zur Verfügung stellen. Fraktionschef Volker Kauder bügelt den Vorschlag sofort ab. Unterstützer gibt es trotzdem, nämliche jene, die dem Euro-Kurs der Kanzlerin kritisch gegenüberstehen. Nach wie vor. Gerettet ist die schwarz-gelbe Mehrheit für die Kanzlerin keineswegs. Abgeordnete wie Wolfgang Bosbach mögen nicht in der allerersten Reihe stehen, aber im Bundestag dürfen alle Reihen abstimmen - auch die hinteren.

Dann kommt an diesem Mittwoch noch der Bundespräsident mit einer wenig freundlichen Botschaft an die europäischen Regierungschefs - und damit auch an Merkel. Er greift die Euro-Retter scharf an. Sie würden sich leiten lassen von den Akteuren des Finanzmarktes. "Immer öfter treffen sie eilig weitreichende Entscheidungen kurz vor Börsenöffnung, anstatt den Gang der Dinge längerfristig zu bestimmen. Dies trifft unsere Demokratien in ihrem Kern", kritisierte Wulff. Die Politik müsse sich davon lösen, hektisch auf jeden Kursrutsch an den Börsen zu reagieren. "Sie darf sich nicht abhängig fühlen und sich am Nasenring durch die Manege führen lassen, von Banken, von Ratingagenturen oder sprunghaften Medien", sagte Wulff und forderte langfristig orientierte, "wenn nötig, auch unpopuläre Entscheidungen". Am Nasenring will niemand herumgeführt werden - Angela Merkel schon gar nicht.

Sowohl der Bundespräsident als auch die Arbeitsministerin können sich natürlich einen schlanken Fuß machen, denn die wesentlichen Entscheider in der Euro-Krise sind sie am Ende nicht.

Auch Helmut Kohl, der Altkanzler, muss nichts mehr entscheiden, seine Worte werden in Teilen der Union ihre Wirkung aber nicht verfehlen. Kohl hat die aktuelle deutsche Außenpolitik heftig kritisiert. "Deutschland ist schon seit einigen Jahren keine berechenbare Größe mehr - weder nach innen noch nach außen", sagte Kohl der Zeitschrift "Internationale Politik". Er frage sich, "wo Deutschland heute eigentlich steht und wo es hin will", erklärte der CDU-Politiker mit Blick auf die transatlantischen Beziehungen. Dass US-Präsident Barack Obama bei seinem jüngsten Besuch in Europa Deutschland nicht besucht habe, sei früher unvorstellbar gewesen. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Wir müssen dringend zu alter Verlässlichkeit zurückkehren", betonte der ehemalige Bundeskanzler. Das Ziel in erster Linie natürlich auf Westerwelle, der schließlich qua Amt die Verantwortung für die Außenpolitik trägt. Aber sie trifft auch Merkel, denn Richtlinienkompetenz zielt nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Und Europa ist sowieso die verlängerte Innenpolitik.

Angela Merkel befindet sich also mindestens in unübersichtlichem Fahrwasser. Sie muss um ihre Mehrheit für den neuen Euro-Rettungsschirm kämpfen und die Stimmungslage in der Union scheint fragil zu sein. Viele kleine Nadelstiche werden irgendwann ihre Wirkung entfalten. Merkel fängt spät an, Leidenschaft für Europa zu entwickeln. In ihrer Partei sind viele, die das schon viel länger praktizieren. Und so kann die Euro-Hilfspolitik von Merkel noch zu ihrem wunden Punkt werden. Denn in puncto Europa und Geldwertstabilität verstehen viele Christdemokraten keinen Spaß. Auch in anderen Ländern ist längst noch nicht klar, ob die nationalen Regierungen und Parlamente dem Brüsseler Entwurf für den neuen Euro-Rettungsschirm wirklich zustimmen werden. Und auch Merkel kann sich ihrer schwarz-gelben Mehrheit noch nicht sicher sein. Die Zeiten des Abwartens ist vorbei. Vielleicht nicht nur Merkels Führungsstärke steht auf dem Spiel, sondern vor allem ihr Stil.

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