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Wulff und kein Ende: Auch die Medien müssen sich wegen der Berichterstattung über die Affären des Bundespräsidenten Kritik gefallen lassen.

© dpa

Wulffs größter Fehler: Warum die Affäre noch lange nicht beendet ist

Es sind nicht allein die Medien, die die Affäre Wulff am köcheln halten. Der Bundespräsident und sein Anwalt sorgen auch selbst für genügend Zündstoff. Beenden kann die ganze Geschichte letztendlich nur einer.

Von Robert Birnbaum

Nicht schon wieder! Und außerdem: Ihr wollt den doch bloß fertigmachen! Wer sich dieser Tage als Journalist mit Arbeitsplatz Hauptstadt zu erkennen gibt, darf auf genervt- gereizte Kommentare aus dem Publikum rechnen. Sechs Wochen, fast kein Tag, an dem nicht der Name Christian Wulff auf dem Titelblatt erscheint – hat Deutschland nicht wirklich andere Sorgen? Oh ja, hat es. Es ist übrigens nicht so, dass über diese Sorgen keiner mehr berichten würde, von Euro bis FDP. Nur ist die Sache mit dem Bundespräsidenten nicht zu Ende. Wir müssen also, tut uns leid, noch mal darüber reden.

Fangen wir bei uns selbst an, den Medien. Ohne Zweifel trägt die Beschäftigung mit Wulff und seinen Verfehlungen manchmal skurrile, auch kampagnenverdächtige Züge. Man kann, nur ein Beispiel, das seitenweise Abdrucken von Leserbriefen als löbliche Bürgernähe deuten. Es könnte aber auch der Versuch sein, ein Feuer am Züngeln zu halten, dem das Brennholz auszugehen droht.

Andererseits – um im Bild zu bleiben – gibt es immer wieder zundertrockenen Nachschub. Wulff und sein Anwalt lieferten ihn durch Winkelzüge, die mit dem Transparenzgelübde nicht in Einklang standen. Wulffs politische Opponenten halten den Schwelbrand mit Anfragen und Aktuellen Stunden in Gang. Erst recht treibt es Wulffs Parteifreunde um. Als sich am Wochenende in Kiel die CDU-Spitze zum ersten Mal nach den Weihnachtsferien wieder traf, fand sich keiner bereit, Christian Wulff zu verteidigen – öffentlich nicht, intern nicht, im vertraulichen Gespräch schon gar nicht. Sein Nachfolger im Leineschloss in Hannover, David McAllister, würde den Mann im Schloss Bellevue am liebsten nicht mehr kennen. Die Wahlkämpfer in Schleswig-Holstein wissen nicht, was sie mehr fürchten sollen: dass es mit Wulff so weiter- oder mit ihm zu Ende geht.

Hinter alledem steht etwas sehr Ernstes. Es droht unter den taktischen Zügen der Parteien und manchem Übereifer der Aufklärung in Vergessenheit zu geraten – nein, nicht jede Einladung eines Ministerpräsidenten ist ein Bestechungsversuch; Kontakte zur Wirtschaft zu halten, auch bei geselligen Anlässen, gehört zu seinen Pflichten. Moralischer Übereifer verdeckt ebenfalls leicht den Kern der Sache. Ein Spitzenpolitiker, selbst eine moralische Instanz wie das Staatsoberhaupt, muss kein Heiliger sein. Er hat ein Menschenrecht – um ein etwas zu großes Wort des Amtsträgers aufzugreifen – auf Irrtum, auf Fehler, auf Verführbarkeit durch Glanz und Glamour und die Bedeutung, die sein Amt zu verleihen scheint. Wem sich Große wie Kleine nur mit Schlips und in Ehrerbietung nähern, wem Demoskopen wöchentlich den Status des Volkslieblings bescheinigen, der muss sehr charakterfest sein, um nicht ab und an den Maßstab zu verlieren.

Aber so charakterfest – oder wenigstens so klug – muss er sein, dass er den Maßstab hinterher wieder erkennt und anerkennt. Das hat Christian Wulff nicht getan. Er räumt Fehler ein, doch er leugnet seine Verfehlung: Wem der Wähler ein Amt gibt, der darf Freunde haben, muss aber peinlich alles meiden, was nach Amigo riecht. Was will ein Firmenchef denn einem Mitarbeiter sagen, der Vergünstigungen und Geschenke angenommen hat, wenn der erste Mann im Staat nichts dabei findet, bloß weil der Geber „du“ zu ihm sagt? Ein Bundespräsident muss nicht immer vorbildlich sein. Aber er muss das Vorbild achten. Wulff stellt es infrage. Darum findet die Affäre kein Ende und keinen Frieden.

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