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Wundermittel Kurzarbeit: Zu kurz gedacht

Die Kurzarbeit gilt als Wundermittel. Deshalb wird das Kabinett am Mittwoch die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes bis 2012 verlängern. Die Wahrheit sieht jedoch anders aus: Mit der Kurzarbeit werden viele Probleme überhaupt erst geschaffen.

Vom „German Wunder“ ist die Rede. Das Land stehe „mit einem robusten Arbeitsmarkt hervorragend da“, sagt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Sie will den Deutschen deshalb für zwei weitere Jahre eine Art Wunderdroge verschreiben. Das Kabinett wird am Mittwoch die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes bis März 2012 verlängern.

Tatsächlich kann man in der staatlich subventionierten Kurzarbeit einen Beweis dafür sehen, wie krisenfest der deutsche Arbeitsmarkt ist. Kurzfristig gab es zu ihr wohl keine Alternative. Was in der Vergangenheit richtig war, muss allerdings nicht zwangsläufig das passende Rezept für die Zukunft sein. Denn es wäre falsch zu glauben, dass die durch die Kurzarbeit erzielten Erfolge in der Arbeitsmarktstatistik umsonst zu haben sind. Beantragt sie ein Betrieb, werden die Sozialversicherungsbeiträge vom Staat bezahlt. Das kostet viel Geld, die Bundesagentur für Arbeit gab allein dafür im vergangenen Jahr 3 Milliarden Euro aus. Dafür aufkommen müssen am Ende alle Beschäftigten, als Beitrags- und Steuerzahler.

Vor allem aber stehen die Pläne zur Ausweitung der Kurzarbeit in scharfem Gegensatz zu einem anderen Vorhaben, das von der Leyen zeitgleich vorantreibt, das aber erst nach der NRW-Wahl in den Bundestag kommen wird. Die Koalition will Unternehmen die fortgesetzte befristete Einstellung von Arbeitnehmern erleichtern und damit die Etablierung sogenannter Kettenverträge ermöglichen.

Deutschland ist gut darin, bestehende Arbeitsverhältnisse zu konservieren

Damit bestätigt die Bundesregierung den Eindruck, dass Deutschland gut darin ist, bestehende Arbeitsverhältnisse zu konservieren, sich aber schwer damit tut, neue, gesicherte Beschäftigung in Zukunftsbranchen zu schaffen. Am Ende kommt dabei ein Arbeitsmarkt heraus, der zutiefst gespalten ist. Vom Staat gefördert wird der, der Ansprüche besitzt und bleibt, schlechter gestellt wird der, der ein Risiko eingeht. Aus Sicht des Arbeitnehmers mag dieses Verhalten psychologisch verständlich sein, für die Veränderungsfähigkeit einer Volkswirtschaft aber hat dies nichts Gutes zu bedeuten.

Von der Verlängerung der Kurzarbeiterregelung profitieren in erster Linie Arbeitnehmer, die sich noch in einem sogenannten Normalarbeitsverhältnis befinden. Die Regel ist das allerdings schon länger nicht mehr. Jede zweite Neueinstellung ist mittlerweile befristet. Während mit der Kurzarbeit also häufig Fachkräfte gehalten werden, deren Verlust für ein Unternehmen schmerzlich wäre und die deshalb in einer recht starken Verhandlungsposition sind, trifft die Ausweitung befristeter Verträge am ehesten junge Arbeitnehmer, Frauen und wenig Ausgebildete.

Nun kann man mit Norbert Blüm argumentieren, der einmal sagte, es sei besser, befristet eingestellt statt unbefristet arbeitslos zu sein. Aber selbst Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit und in dieser Funktion weniger als Verfechter von Arbeitnehmerrechten bekannt, warnt vor zu viel Befristung: Er beklagt, Lebensschritte wie Familiengründung und Vermögensbildung würden sich zu weit nach hinten verschieben – oder ganz unterlassen. Wenn dies zum Standard werde, dann sei „dies für die Entwicklung unserer Gesellschaft verheerend“.

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