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ZDF und Politik: Das Problem will Lösung sein

Wie kann sich Roland Koch ernsthaft über die "Heute"-Nachrichten im ZDF erregen wollen, wenn Stunden später bei "Wetten, dass...?" an Tierexkrementen geschnüffelt wird? Der hessische Ministerpräsident sollte sich lieber bemühen, eine chinesische Mauer zwischen ZDF & Co. und RTL & Co. zu errichten.

Pessimismus ist fehl im Programm. Roland Koch ist nicht Konrad Adenauer, der Hesse nur ein Enkelchen des CDU-Übervaters. Adenauer wollte Anfang der 60er Jahre als Konkurrenz zur föderalen ARD einen bundesweiten Fernsehsender nach konservativem Gusto gründen. Herausgekommen ist dank des energischen Vetos des Bundesverfassungsgerichts das Zweite Deutsche Fernsehen, öffentlich-rechtlich verfasst und staatsfern beabsichtigt. In dessen wichtigstem Gremium, dem Verwaltungsrat, sitzt heute Roland Koch. Der CDU-Ministerpräsident von Hessen probt gerade die Adenauer-Geste. Koch will, dass Nikolaus Brender nicht über das Frühjahr 2010 hinaus ZDF-Chefredakteur bleibt. Brender leiste schlechte Arbeit, die Informationssparte hätte besorgniserregend an Zugkraft verloren. Kritik an der Brender-Kritik verbittet sich der CDUler: „Politiker sind nicht eine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Grundlage.“

Wer sich so unendlich wichtig nimmt, der sieht sich unter den Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen in den ZDF-Aufsichtsorganen als der relevanteste. Koch ist sich selbst Superlativ. Das müsste endlich auch Intendant Markus Schächter begreifen, der unbeirrt an Brender festhält, der wiederum nicht demissionieren will. Insubordination, wohin das Hessen-Auge fällt.

Roland Koch steht für die alte Zeit, die Post-Adenauer-Zeit, da sich die Schwarzen und die Roten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach dem parteipolitischen Abzählreim aufgeteilt haben. In der Weise aber, wie sich das Parteienspektrum in der Republik auffächerte, hat sich links-rechts – was nichts anderes als Schwarz-Weiß ist – überlebt. Es ist selbst für CDU-Mitglieder heute eine Beleidigung, zu sagen, sie wollten den „Schwarzen Kanal“ sehen, sobald sie die ZDF-Nachrichten einschalten. Wie klein ist denn der Gedanke, in einer Welt täglicher Medien-Mutationen könnte ein einseitiges Informationsfernsehen Wähler interessieren und Wahlen entscheiden?

Alle Roland Kochs, alle Kurt Becks, alle Edmund Stoibers raus aus dem ZDF und allen ARD-Anstalten? Einem Affekt wäre gehorcht, kein Problem gelöst. Denn bei allem aktuellen Widerstand prominenter ZDF-Journalisten gegen die Koch-Attacke, bei allem Mut im Einzelfall haben die Sendermitarbeiter die Politiker mehr lieb, als es dem Publikum recht sein kann. Es ist die Politik, die ARD und ZDF mit acht Milliarden Euro Gebührengeldern pro Jahr pampert. Fern jeder Krise wird in den Funkhäusern realsozialistisch gewirtschaftet. Für die geleistete Arbeit gibt es keine Kriterien, für den tatsächlichen Erfolg oder Misserfolg haben die Aufsichtsgremien keinerlei Maßstäbe gesetzt. Wie kann sich Roland Koch ernsthaft über die „Heute“-Nachrichten im ZDF erregen wollen, wenn Stunden später bei „Wetten, dass...?“ an Tierexkrementen geschnüffelt wird?

Das Problem ist die enge Verzahnung von Politik und Sender. Anderenfalls könnte Koch die Machtfrage gar nicht so provozierend stellen. Der Rückzug der Parteimenschen müsste mit der Renaissance des öffentlich-rechtlichen Kerngedankens einhergehen, einer Konzentration auf eine messerscharfe Alternative zum Privatfunk. Eine chinesische Mauer zwischen ZDF & Co. hier und RTL & Co. dort muss her. Das wäre eine Aufgabe, die der Gesetzgeber, der Politiker, der Parteipolitiker Koch für uns Zuschauer lösen sollte. Wir schließlich sind die Gebührenzahler, wir sind die Wähler, wir sind es, ohne die Koch und das ZDF nicht wären. Wir sind die Grundlage.

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