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Meinung: Zu Boden gedrängt

Im Kampf gegen den Terror ist ein Datum von besonderer Bedeutung: der Beginn des Ramadan Mitte November. Inständig hoffen die amerikanischen Militärstrategen, den Krieg in Afghanistan vor dem heiligen moslemischen Fastenmonat beendet zu haben.

Im Kampf gegen den Terror ist ein Datum von besonderer Bedeutung: der Beginn des Ramadan Mitte November. Inständig hoffen die amerikanischen Militärstrategen, den Krieg in Afghanistan vor dem heiligen moslemischen Fastenmonat beendet zu haben. Gemeint ist allerdings nicht Ramadan 2001, sondern Ramadan 2002. An ein schnelles Ende der "Operation dauerhafte Freiheit" glaubt niemand.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Krieg - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Der Krieg in Afghanistan Die Stimmung ist mies. Mehr als drei Wochen nach Beginn der Luftangriffe gibt es keine vorzeigbaren Erfolge. Weder wurde Osama bin Laden geortet, noch die Führung der Taliban-Milizen. Stattdessen scheint den USA erst jetzt bewusst zu werden, wie inkompetent die etwa 8000 Söldner der oppositionellen Nordallianz sind. Immer lauter werden außerdem die besorgten Stimmen aus Pakistan. Meldungen über Fehlschläge, getötete Zivilisten, die drohende Hungersnot sowie eine gleich zwei Mal getroffene Rot-Kreuz-Einrichtung in Kabul runden die magere Bilanz ab. Die regierungsamtlichen Aufrufe, geduldig und entschlossen zu sein, klingen zunehmend verzweifelt. Jeden Tag Hunderte von Bomben aus der Luft abzuwerfen, ohne irgendeine Wirkung zu beobachten - das kann ziemlich frustrieren.

Zu den politischen Gefahren - Chaos in Pakistan, unkontrollierbare Flüchtlingsströme, Auseinanderfallen der Anti-Terror-Koalition - kommt der Ansehensverlust. Das islamistische Credo, von Osama bin Laden rhetorisch kunstvoll verbreitet, hält Amerika für degeneriert, ängstlich und schwach. Mit jedem Tag, den der Terrorchef und die Taliban-Milizen unbeschadet der Armada der letzten Supermacht trotzen, vergrößert sich ihr Kultstatus in der arabischen Welt. Bislang haben die USA auf eine stetige Steigerung der militärischen Effizienz gesetzt. Diese rationale, westliche Langsam-aber-sicher-Strategie vernachlässigt jedoch die psychologisch nachteiligen Nebeneffekte, die mit der Dauer des Krieges verbunden sind.

Kein Wunder, dass die Mischung aus "entschlossen" und "geduldig" immer stärker aus dem Gleichgewicht gerät. Der Druck auf die US-Regierung, lieber entschlossen als geduldig zu sein, nimmt zu. Im Vordergrund steht die Forderung nach baldigem Einsatz von Bodentruppen. Damit sind nicht jene Spezialkräfte gemeint, die für gezielte Operationen ein- und wieder ausgeflogen werden, sondern das Erobern und Halten bestimmter strategischer Ziele, die der Armee vorübergehend als Stützpunkte dienen sollen. Die Gesamtstärke dieser Truppen könnte bei 30 000 bis 35 000 Soldaten liegen. Im Golfkrieg wurde der Irak 39 Tage lang bombardiert, bevor Bodentruppen eingesetzt wurden. Im Kosovo waren es 78 Tage, bevor Slobodan Milosevic aufgab, weil ein Einsatz von Bodentruppen unmittelbar bevorstand. Allein aus der Luft lässt sich kaum ein Gegner in die Knie zwingen. Diese Regel gilt erst recht im Kampf gegen die abgehärteten Taliban, die sich seit 23 Jahren im Krieg befinden.

Die ursprünglichen US-Pläne waren zu ambitioniert. In einer Operation die Taliban besiegen, das Terrornetzwerk "Al Quaida" zerschlagen und ein Nachfolgeregime etablieren, das alle afghanischen Bevölkerungsgruppen repräsentiert: Das ist zu viel des Guten. Das militärische Ziel hat Vorrang. So wichtig die Frage sein mag, was nach den Taliban kommt, sie ist zweitrangig.

Keiner freilich kann behaupten, dass man sich im Weißen Haus oder im Pentagon jemals Illusionen über den Charakter und die Dauer der Auseinandersetzung gemacht hat. Bei jeder Gelegenheit hat die US-Regierung betont, wie schwierig, entbehrungsreich und lang anhaltend der Kampf sein werde. Und was mitunter wie ein Manko wirkt, das offenkundige Fehlen einer überzeugenden Gesamtstrategie, zählt in Wahrheit zu den Stärken dieses Feldzuges. Denn für den ist Flexibilität ebenso notwendig wie Phantasie. Als konstante Größe darf nur Eines gelten: Amerika will um jeden Preis gewinnen, und es wird alle Mittel benutzen, die dafür erforderlich sind. Zu Ramadan im Jahre 2002 freilich dürfte die Schlacht geschlagen sein.

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