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Meinung: Zum Ausgleich das Recht

Von Christoph von Marschall

Die Enttäuschung der Vertriebenen ist verständlich. Deutsche erwarten, dass ihr Kanzler im Ausland ihre Rechtsposition vertritt – zu der sich alle Bundesregierungen bisher bekannten: Die Frage des im Osten zurückgelassenen Privateigentums ist offen. Schröder hat nun aber in Warschau erklärt, er werde Entschädigungsforderungen an Polen entgegentreten. Sein harter Schwenk hat Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), entweder in Verwirrung gestürzt oder zu einer unbeabsichtigten Offenbarung veranlasst. Sie fordert jetzt Entschädigung von der Bundesregierung – wenn die nicht wolle, dass Polen zahlt.

Das stellt ihre bisherige Argumentation auf den Kopf. Steinbach hatte stets gesagt, es gehe ihr nicht um Geld, sondern um ein Geste, mit der Polen das Unrecht und Leid, das den deutschen Vertriebenen angetan wurde, anerkenne. Dabei lobte sie stets Ungarn als Vorbild, das auch nur symbolisch entschädigt habe. Geht es in Wahrheit doch um Geld – wenn nicht aus Warschau, dann eben aus Berlin?

Die Vertriebenen müssen zweierlei bedenken. Erstens haben sie keinen prinzipiellen Anspruch, dass Polen Alteigentümer entschädigt. Warschau könnte Restitution oder Entschädigung auch generell ausschließen – dann aber für alle gleichermaßen. Erst wenn Polen anfängt, polnische oder jüdische Vorbesitzer zu entschädigen, hätten Deutsche ein Recht auf Gleichbehandlung. Zweitens haben die Vertriebenen schon einmal Geld in Deutschland kassiert, über den Lastenausgleich. Der war zwar formal keine Entschädigung, sollte aber die Folgen des Krieges, die die Deutschen im Osten weit härter getroffen hatten als die im Westen, gerechter verteilen. Die Höhe orientierte sich am verlorenen Besitz. Bereits nach heutiger Rechtslage muss jeder, der Eigentum nach der Wende zurückerhielt oder Entschädigung bekam, den Lastenausgleich anteilig zurückzahlen. Für eine zweite Entschädigung aus deutschen Kassen an Vertriebene gibt es also keinen Grund.

Doch könnte Steinbachs Forderung nun die Bundesregierung auf die Idee bringen, folgende Variante zu prüfen: Berlin wirkt auf Polen ein, ein Entschädigungsgesetz mit symbolischem Ausgleich für alle Alteigentümer zu erlassen – und stellt parallel dazu klar, dass jeder Vertriebene, der Polen in Anspruch nimmt, entsprechend Lastenausgleich zurückzuzahlen hat. Dann hätten alle, was sie wollen. Steinbach die Geste. Und Polen muss nicht zahlen.

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