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Meinung: Zurück zu den Mullahs

Allen Manipulationen zum Trotz: Die Reformer sind die großen Verlierer der Wahl in Iran

Der iranische Wähler sorgt immer wieder für Überraschungen. So hoben die Wähler 1997 den relativ unbekannten Reform-Kleriker Mohammed Khatami auf den Präsidentenposten. Auch diesmal sorgten sie für einen Coup: Sie schicken einen konservativ-religiösen Hardliner in die Stichwahl gegen den Favoriten Akbar Rafsandschani. Mahmud Ahmadinedschad, ein Vertrauter des obersten Religionsführers, stach favorisierte, gemäßigte Konservative aus. Daher mehren sich auch die Vorwürfe, dass es nicht mit rechten Dingen zuging. Mit Geld sollen regimetreue Organisationen dafür gesorgt haben, dass ihre Mitglieder geschlossen an die Urne gingen.

Die Kandidaten des Reformlagers sind die großen Verlierer dieser Wahl. Dennoch kann man die Wahl nicht als ein Votum gegen Reformen interpretieren. Das Ergebnis spiegelt eher die Einsicht wider, dass politische Reformen durch eine Konfrontation mit dem religiösen Establishment nicht durchzusetzen sind. Das verhindert der duale Charakter der iranischen Verfassung, der nicht gewählten Instanzen das letzte Wort überlässt. Dies ist die Lehre der vergangenen acht Jahre, während derer Reformpräsident Mohammed Khatami, in seiner zweiten Amtszeit zudem flankiert von einem Reformerparlament, sich die Zähne ausgebissen hat. So fuhr der Reformkandidat Mustafa Moin, der in immer radikaleren Thesen sogar die Beschneidung der Allmacht des obersten Religionsführers forderte, ein schlechteres Ergebnis ein als Mehdi Karubi, der dem traditionellen Reformlager zugerechnet wird. Dabei hatten sich viele Iraner von Khatami solche Töne gewünscht, als er die Massen hinter sich hatte. Doch die Anhänger politischer Reformen glauben nicht mehr, dass auf diesem Weg Fortschritte zu erzielen sind. Sie sind zu großen Teilen einfach zu Hause geblieben.

Das konservativ-religiöse Lager dagegen konnte seine gesamte Anhängerschaft mobilisieren – mit oder ohne Nachhilfe durch Geldzahlungen. Es kann auf ein Netzwerk von Moscheen, Milizen und religiöse Stiftungen zurückgreifen. Das Lager wird auf etwa 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung geschätzt. Auch diese Wähler wollen Reformen, aber eher wirtschaftlicher Art. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Iran immer größer. Sie wollen mehr Essen auf dem Tisch statt ideologischer Debatten. Der bescheidene Lebensstil Ahmadinedschads, der auch schon mal im Blaumann zum Ortstermin bei der Müllabfuhr erscheint, ist ihnen womöglich näher als der etablierte Rafsandschani, um dessen Reichtum sich mittlerweile Mythen ranken. Dass mit dem islamistischen Ideologen Ahmadinedschad kaum dringend nötige Auslandsinvestitionen ins Land kommen, ist ihnen wohl nicht klar.

Das Ergebnis des ersten Wahlgangs zeigt die Zerrissenheit der Gesellschaft, die auch durch die Jugend geht. Während die Teheraner Jugend dank Internet und Satellitenfernsehen im globalen Zeitalter angekommen ist, sind die jungen Leute auf dem Lande und in Kleinstädten stärker von Tradition und Religion beeinflusst. Viele der Debatten über gesellschaftliche Freizügigkeit sind ihnen fremd geblieben. Daneben hat sich eine neue Generation von Konservativen herausgebildet, die für mehr Professionalität und weniger Ideologie eintritt. Teherans ehemaliger Polizeichef Baqer Qalibaf zählt dazu, der ein gutes Ergebnis erzielt hat.

Noch haben die Anhänger von Reformen die Chance, am kommenden Freitag den Durchmarsch der Konservativ -Religiösen zu verhindern. Sollten sich jedoch die Vorwürfe der Wahlfälschung und Beeinflussung erhärten, könnten sie aus Protest zu Hause bleiben. Dann hätten die ungeläuterten Ideologen der Revolution auch die wichtigste gewählte Institution wieder in ihrer Hand.

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