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Meinung: Zusammenleben auf Probe

Vier der fünf Berliner Spitzenkandidaten haben Partner, die im Wahlkampf nicht vorkamen. Nur der CDU-Matador Frank Steffel ließ seine Katja mitplakatieren.

Vier der fünf Berliner Spitzenkandidaten haben Partner, die im Wahlkampf nicht vorkamen. Nur der CDU-Matador Frank Steffel ließ seine Katja mitplakatieren. Eines also ist die Berliner Wahl am Sonntag sicher nicht: Ein Signal an den Bund über die Zulässigkeit der einen oder anderen privaten Lebensführung. Was also ist diese Wahl für die gesamte Republik? Wirklich der wichtigste Testlauf zur Bundestagswahl im Herbst 2002? Um was, so fragen sich viele Berliner, geht es denn noch? Die SPD wird wohl gewinnen, aber nicht allein regieren können. Wen sie sich als Partner aussucht - hat der Wähler darauf Einfluss?

Zum Thema Online Spezial: Berlin-Wahl 2001 WahlStreet.de: Die Wahlbörse bei Tagesspiegel Online Umfragen/Prognosen: Wenn in Berlin am Sonntag gewählt würde... Frage des Tages: Die fünf Spitzenkandidaten zu ihren politischen Absichten Umfrage: Gehen Sie am Sonntag wählen? Foto-Tour: Die Berliner Spitzenkandidaten Video-Streams: Diskussion mit den Spitzenkandidaten Diese Grundstimmung, irgendwie sei die Wahl schon gelaufen, läuft einer anderen Tendenz zuwider. Die USA führen einen Kampf gegen den Terror, und Deutschland soll bald dabei sein. Täglich ertönt auch in Berlin Milzbrand-Alarm - glücklicherweise bislang nur als Folge skrupelloser Trittbrettfahrer. So überschneiden sich lokale Langeweile und außenpolitische Ausnahmesituation. Wird die Wahl zur Abstimmung über den Krieg? Wer den Waffeneinsatz gegen den Terror und die Taliban ablehnt, dem bleibt nur das Votum für die PDS. Der hat keine Wahl. Und die PDS wird versuchen, ihre Kriegsgegnerschaft bruchlos aus Berlin in den Bund zu verlängern.

Die Anspannung der Bürger, das Pendeln zwischen Furcht und Friedenshoffnung, wird für die Grünen zur Gretchenfrage. Wie groß die Angst der Ex-Alternativen vor einer weiteren Niederlage bei Landtagswahlen ist, lässt sich aus der Spaltung der Grünen-Spitze ablesen. Die Parteiführung ruft zur Feuerpause auf, die Fraktionschefs versichern Regierungs- und Bündnistreue. Ob geplant oder nicht: Die Spaltung in einen Kriegs- und einen Friedensflügel mag vor der Wahl noch als taktische Rafinesse durchgehen. Danach ist sie nur noch eine Belastung für Gerhard Schröder.

Eine Partei allein wird Berlin nicht regieren können. An Zweierkoalitionen sind zwei denkbar: rot-rot oder eine große Koalition. Letztere ist indes von der SPD kategorisch ausgeschlossen worden. Das Bündnis von SPD und PDS wird von der PDS gewünscht und von den Sozialdemokraten nicht ausgeschlossen. Wem es also darum geht, unter allen Umständen PDS-Senatoren zu verhindern, darf eigentlich weder SPD noch PDS wählen.

Bleibt die Dreierkonstellation, die ungeliebte Ampel. Für FDP und Grüne ist sie eine fette Kröte. Wer will schon, zumal in der Hauptstadt, die Verantwortung ausgerechnet mit dem strategischen Hauptgegner der Bundestagswahl 2002 teilen? Mit jener anderen kleineren Partei, die Ende 2002 um die Gunst Gerhard Schröders konkurrieren könnte?

Wer das strategische Hinarbeiten auf die Option Schwarz-Grün für richtig hält, kann wählen, was er will, selbst die Union. Nur weiterer Leidensdruck in den Reihen der Christdemokraten wird die Arbeit an der Option Schwarz-Grün erzwingen, und wenn eines garantiert scheint, dann das Leiden der CDU am Sonntag.

Wer Angela Merkel stützen will, sollte CDU wählen. Die Kritik am Berliner Landesverband wird von 18 Uhr an ohnedies eine Pflichtübung für die Bundesspitze der Christdemokraten sein. Doch ein verheerendes Scheitern Steffels wäre zu viel, als dass Merkel sich durch Distanzierung allein retten könnte. Von jedem Prozent, das Steffel nicht schafft, erbt Merkel ein paar Promille.

Wer Gerhard Schröder Rückendeckung verschaffen möchte, könnte versucht sein, die Grünen oder die FDP zu wählen. Denn beide Parteien beharren, Rot-Grün oder Sozial-Liberal sei noch immer möglich. Dies wäre eine der riskanteren Hoffnungen des Wählervolkes. Verlässlicher dürfte diese Prognose sein: Schröder und Wowereit werden sich gemeinsam nicht nur über das Ergebnis freuen, sondern noch mehr darüber, dass die SPD weiter - und als einzige Partei - vier mögliche Koalitionspartner hat. Und perspektivisch eben nicht nur in Berlin.

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