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Meinung: Zuwanderung: Der dritte Weg

Beim Poker um das Zuwanderungsgesetz blicken jetzt alle auf Brandenburg. Am 22.

Beim Poker um das Zuwanderungsgesetz blicken jetzt alle auf Brandenburg. Am 22. März entscheidet der Bundesrat - auch darüber, welcher der beiden Kanzlerkandidaten zum Auftakt des Bundestagswahlkampfes eine Niederlage kassiert. Schröder und Stoiber sind, nach dem heutigen Stand der Dinge, abhängig vom Votum Brandenburgs. Doch auch für die Landesregierung steht einiges auf dem Spiel: Das Votum könnte die SPD-CDU-Koalition sprengen; den Abgang des dienstältesten Ministerpräsidenten beschleunigen; den Abschied des CDU-Landesvorsitzenden bedeuten. Und vielleicht sogar alles zusammen.

Zum Thema Online Spezial: Streit um die Zuwanderung Manfred Stolpe steht vor seiner größten diplomatischen Herausforderung. Er soll dem rot-grünen Reformwerk zum Durchbruch verhelfen und die Koalition erhalten. Jörg Schönbohm soll das Gesetz scheitern lassen - und ebenfalls die Koalition erhalten. Wie kann das gelingen?

Schönbohm, der auf einen Platz im Stoiber-Kabinett schielt, hat sich so auf ein Nein festgelegt, dass ein Schwenk ohne Verlust der politischen Glaubwürdigkeit kaum noch möglich ist. Er will nicht, wie nach seinem Ja zur rot-grünen Steuerreform, in der Union wieder als Verräter gelten. Doch in der CDU Brandenburgs ist vielen unwohl angesichts Schönbohms schneller Festlegung - aus inhaltlichen Gründen, aber auch aus taktischen. Schönbohm hat sich in eine verheerende Lage manövriert. Der Preis der Ablehnung könnte ein Rückfall in die Potsdamer Oppositionsrolle, sogar in die Bedeutungslosigkeit sein - teure Wahlkampfhilfe für Stoiber. Schönbohm kann sich deshalb nicht länger auf die Gefolgschaft seines Landesverbandes verlassen.

Manfred Stolpe, der einst - zum großen Ärger der SPD - dem damaligen Kanzler Helmut Kohl eine Mehrheit zur Erhöhung der Mehrwertsteuer beschaffte, hat Schönbohms Entgegenkommen bei der Steuer- und Rentenreform nicht vergessen. Er wird versuchen, der Bundesregierung Zugeständnisse abzuhandeln, um Schönbohm das Einlenken zu ermöglichen. Er wird abklopfen, ob sich im Votum anderer Koalitionen ein Rettungsanker für Brandenburg versteckt. Er wird Schönbohm darauf hinweisen, dass der CDU-Wirtschaftsminister auf eine Bundesbürgschaft für die Chipfabrik in Frankfurt angewiesen ist und dass diese Bürgschaft bei einer Ablehnung des Zuwanderungsgesetzes gefährdet ist. Doch überall wird Stolpe auf Ablehnung stoßen. Außer ihm sucht kaum jemand ernsthaft nach einem Kompromiss.

Aber anders als bei der Entscheidung über die Mehrwertsteuer kann sich Stolpe diesmal ein Abweichen von der sozialdemokratischen Linie nicht leisten. Scheiterte das Zuwanderungsgesetz an Brandenburg, träfe Stolpe der geballte Unmut seiner Partei. Eine rasche Amtsübergabe an den bereitstehenden Kanzler-Vertrauten Matthias Platzeck wäre zwangsläufig die Folge - selbst dann, wenn Stolpe die Koalition mit der CDU kündigen und mit der PDS weiterregieren wollte.

Doch Stolpe will gar nicht mit der PDS regieren, und die CDU will nicht zurück in die Opposition. Da bietet sich ein dritter Weg an: Schönbohm nimmt am entscheidenden Tag eine politische Grippe, lässt Stolpe gegen seinen erklärten Willen im Bundesrat zustimmen und verlässt, um sein Gesicht zu wahren, empört die Landesregierung. Die CDU aber bleibt in der Koalition, um Rot-Rot im Land zu verhindern. Eine solche Lösung würde Schröder begeistern und Stoiber zumindest nicht schaden. Selbst Stolpe wäre noch einmal fein raus. Ein diplomatisches Meisterwerk am Ende seiner Karriere. Ob er das schafft?

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