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Meinung: Zwei Euro am Tag für eine Kuh

Trotz EU-Rabatt zahlt Großbritannien doppelt so viel wie Frankreich Von Douglas Alexander

Verhandlungen, bei denen es um Geld geht, sind immer gut für Schlagzeilen. Nach all den düsteren Gedanken über die Zukunft der europäischen Verfassung bringt die Diskussion über die Finanzen der EU wieder etwas Farbe in die europäischen Nachrichten.

Tatsächlich geht es bei der Diskussion darüber, wie viel Geld die EU ausgeben sollte und wofür, im Kern um dieselben Fragen, die auch durch die Referenden in Frankreich und den Niederlanden aufgeworfen wurden. Wie kann Europa auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren? Wie können wir die Union wettbewerbsfähiger, gerechter, bürgernaher machen?

Für mich steht fest, dass die Antwort nicht einfach darin liegt, den europäischen Steuerzahler noch stärker zur Kasse zu bitten. Stattdessen sollten wir unbequeme Fragen stellen. Kann Europa es sich leisten, weiter 40 Prozent seines Haushalts für die Landwirtschaft auszugeben, in der nur fünf Prozent der Bevölkerung Europas arbeiten? Ist es richtig, jede europäische Kuh pro Tag mit zwei Euro zu subventionieren, wenn über eine Milliarde Menschen von der Hälfte dieses Betrags leben und wenn wir dringend in Forschung und Innovation investieren müssten, um Arbeitsplätze in Europa zu schaffen? Doch es geht um mehr als die Landwirtschaft.

Es gibt in unseren Gesellschaften eine starke Tradition der Solidarität, auch in der Europäischen Union. Sie kommt uns allen zugute, weil sie Wachstum fördert und neue Märkte und neue Chancen erschließt. Wenn die Union aber wirklich eine Solidargemeinschaft sein will, kann sie ihre zukünftige Ausgabenpolitik nicht einfach nach dem alten Muster gestalten. Nach den Vorschlägen, die zurzeit in Brüssel auf dem Tisch liegen, würden fast die Hälfte der Struktur- und Kohäsionshilfen der EU in die alten Mitgliedstaaten fließen. Frankreich bekäme mehr als Polen. Belgien würde von der EU pro Kopf mehr Subventionen erhalten als die zehn neuen Mitglieder, die im vergangenen Jahr beigetreten sind. Wenn die europäische Solidarität mehr als nur ein hehres Ziel sein soll, sollte der neue EU-Haushalt dann nicht diese Anomalien beseitigen?

Ich möchte aber auch den britischen Beitragsrabatt nicht unerwähnt lassen, der in der letzten Woche europaweit einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Weniger bekannt sind allerdings die Gründe dafür – sie haben wieder mit Fairness zu tun. Selbst mit dem Rabatt zahlte Großbritannien in den letzten 20 Jahren mehr als doppelt so viel wie Frankreich oder Italien – deren Wirtschaftsleistung mit der britischen vergleichbar ist. Ohne den Rabatt hätten wir mehr als zehnmal so viel wie sie beigesteuert.

Als der Rabatt 1984 in Fontainebleau ausgehandelt wurde, erklärte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen: „Die Ausgabenpolitik stellt letztlich das wesentliche Mittel zur Lösung des Problems der Haushaltsungleichgewichte dar.“ Anders ausgedrückt: der Weg zur Beseitigung des Ungleichgewichts bei der Finanzierung des Haushalts führt nicht über eine Abschaffung des britischen Rabatts, sondern über eine Reform der EU-Ausgabenpolitik. Deshalb haben wir klargestellt: Wir werden unseren Rabatt in den Verhandlungen nicht aufgeben, solange die grundsätzlichen Missverhältnisse in der Ausgabenpolitik der EU, die ihn rechtfertigen, fortbestehen.

Als größter Nettozahler nach Deutschland wird Großbritannien weiter mehr als seinen Teil dazu beitragen, die Politik und Ziele der EU zu unterstützen – egal, ob wir uns in dieser Woche auf einen neuen EU-Haushalt einigen können oder nicht. Aber wir hoffen auch, dass diese Verhandlungen eine wirkliche Debatte anstoßen werden – eine Debatte darüber, wie die Europäische Union das Geld ihrer Bürger effektiver, gerechter und verantwortungsvoller ausgeben kann. Denn dies ist eine Debatte, um die wir angesichts der enormen Herausforderungen, die wir gemeinsam bewältigen müssen, nicht herumkommen.

Der Autor ist Europaminister Großbritanniens.

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