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Zwei kaum lösbare Fragen bleiben: Politischer Wille allein reicht nicht für ein NPD-Verbot

Ein weiteres NPD-Verbotsverfahren würde genauso scheitern wie das erste. Die Innenminister sollten sich diese Blamage ersparen.

Von Frank Jansen

Der Zug rollt, und seit der Abfahrt droht ein Crash. Doch kein Passagier traut sich an die Notbremse. Ähnlich schicksalsergeben wirken die Innenminister von Bund und Ländern, die sich Meter um Meter einem NPD-Verbotsverfahren nähern. Dass sie betonen, es werde nur Material gesichtet und eine Entscheidung sei noch nicht getroffen, ist nur schwer zu vermitteln. Die Minister haben sich mit Ankündigungen und den schon getroffenen Beschlüssen, vor allem dem Abschalten der V-Leute in Vorständen der NPD, bereits so stark unter Zugzwang gesetzt, dass ein Stopp schon jetzt reichlich Empörung hervorrufen würde. Doch die weitere Reise erscheint noch übler.

Rauschen die Innenminister, gedrängt von den Ministerpräsidenten, am Ende des Jahres in ein Verbotsverfahren hinein, droht die Wiederholung eines Desasters. Das Risiko, zum zweiten Mal nach 2003 zu scheitern, ist enorm, und eine weitere Niederlage beim Bundesverfassungsgericht wäre eine noch größere Blamage.

Problematisch sind vor allem juristische Fragen, politisch ist die Sache ja einfach. Die NPD ist eine bräunliche Partei, sie paktiert mit Gewalttätern, will Deutschland in einen autoritären Staat verwandeln und empfindet den Vorwurf, verfassungsfeindlich zu sein, als Kompliment. Doch die juristische Hürde bei einem Verbotsverfahren, das sagen selbst die Innenminister, ist noch höher als 2003.

Es sind vor allem zwei Fragen, die kaum lösbar erscheinen. Da wäre zum einen das V-Leute-Problem. Auch wenn die etwa zehn Spitzel in Führungsebenen der NPD abgeschaltet sind, bleiben ungefähr 120 im Parteikörper übrig. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar nur die Existenz von V-Leuten in Vorständen moniert, doch ein Freibrief für anonyme Spitzelberichte in Verbotsanträgen ist das nicht. Zu erwarten ist vielmehr, dass die Richter peinlich genau fragen werden, welcher V-Mann in welchem Passus steckt.

Die Innenminister müssten vermutlich die Klarnamen aller Spitzel nennen, damit das Gericht bewerten könnte, in welchem Maße das vorgelegte Beweismaterial „quellenbelastet“ ist. Und nach dem Grundsatz eines fairen Verfahrens ist zu befürchten, dass den Anwälten der NPD die Bekanntgabe der Klarnamen nicht zu verweigern wäre. Das kann keine Regierung wollen. Der Staat hat für die V-Leute, so unangenehm sie auch sein mögen, eine Fürsorgepflicht.

Die zweite juristische Frage macht den ganzen Fall noch komplizierter. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der mehrmals Parteiverbote beanstandet hat, pocht auf das Prinzip das Verhältnismäßigkeit. Die NPD ist aber in Westdeutschland nur noch eine Restgröße. Und im Osten? Da sitzt sie in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen – mit insgesamt 13 Abgeordneten. Es dürfte schwer sein, den Straßburger Richtern zu erklären, diese Minipartei gefährde die Grundordnung der Bundesrepublik. Zumal der Vorwurf, NPD und Terror seien identisch, nicht zu halten ist.

Aber bekommen die Innenminister den Zug noch zum Stehen?

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