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Meinung: Zwei-plus-vier in Fernost

Im Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm sind die ersten Hürde genommen

Wenn William Perry seine Stimme erhebt, sollte man zuhören. Unter Bill Clinton war er Verteidigungsminister. Sein Augenmerk galt auch dem Fernen Osten, besonders den atomaren Ambitionen Nordkoreas. Im Jahr 1994 befahl Perry der US-Luftwaffe, sich auf Angriffe gegen nordkoreanische Nuklearanlagen vorzubereiten. Dazu kam es zum Glück nicht. Vor sechs Wochen schlug Perry erneut Alarm: Die USA und Nordkorea bewegten sich auf einen Krieg zu. Schon in diesem Jahr werde es dazu kommen. Demnächst könnten atomare Sprengsätze, die Nordkorea an Terroristen liefert, in amerikanischen Städten gezündet werden.

Die Krise hatte vor anderthalb Jahren begonnen, als der amerikanische Präsident George W. Bush die Machthaber in Pjöngjang als Teil einer „Achse des Bösen“ brandmarkte. Die reagierten ein halbes Jahr später und gaben die Existenz eines geheimen Urananreicherungs-Programmes bekannt. Als nächstes wurden die Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO des Landes verwiesen. Schließlich ließ Nordkorea verlauten, man habe genug Plutonium, um ein halbes Dutzend Atombomben zu bauen. Eine Provokation folgte der nächsten. Die Situation schien absurd: Gegen Saddam Hussein, der eisern bestritt, Massenvernichtungswaffen zu haben, sollte Krieg geführt werden, während Kim Jong Il mit seinen atomaren Fähigkeiten protzen konnte, ohne von den USA wirksam zur Räson gerufen zu werden.

Jetzt soll der „Sitzkrieg“, wie man ihn in Washington taufte, diplomatisch entschärft werden. Schon das ist ein beachtliches Zugeständnis der sonst so martialisch auftretenden Bush-Regierung. Weil sie, da ein Krieg zu riskant wäre, keine andere Option hat, muss sie mit Nordkorea verhandeln. Das heißt reden, Positionen unterbreiten, Kompromisse schließen. Das widerspricht zwar den eigenen Werten – Clinton war genau dafür von den Republikanern heftig kritisiert worden –, ist aber unerlässlich.

Als Kompensation für die Schmach hat Washington erreicht, dass es keine bilateralen Verhandlungen sind, wie Pjöngjang gefordert hatte. Zusätzlich sitzen die Vertreter aus Südkorea, Japan, Russland und China mit am Tisch. Am Mittwoch begann in Peking diese fernöstliche Variante der Zwei-plus-Vier-Gespräche. Am Rande kam es zu einem halbstündigen Vieraugenplausch zwischen dem amerikanischen und dem nordkoreanischen Unterhändler. Bei aller Vorsicht: Das war ein gutes Zeichen.

Eine Schlüsselrolle in der Sechserrunde nimmt China ein. Seit einem halben Jahrhundert sind die kommunistischen Regime von China und Nordkorea miteinander verbündet, ja befreundet. Falls Kim Jong Il überhaupt auf jemanden hört, dann ist es der große Nachbar. Andererseits will sich China auf keinen Fall mit den USA anlegen. Sollte es seinen Einfluss im amerikanischen Sinne konstruktiv geltend machen, kann es darauf hoffen, von Washington endgültig als die entscheidende politische Ordnungsmacht in der Region akzeptiert zu werden.

Die erste Hürde ist genommen. Die USA und Nordkorea sitzen an einem Tisch. Nun müssen alle Beteiligten versuchen, Pjöngjang den Verzicht auf sein Atomwaffenprogramm schmackhaft zu machen. Eigentlich dürfte das nicht allzu schwierig sein. Denn der Diktator Kim Jong Il braucht nur drei Dinge: Geld, Geld und Geld. Die Lage in seinem Land ist katastrophal. Etwa 300000 Menschen haben das Land aus Angst vor dem Hungertod bereits verlassen. Wenn der Trend anhält, gibt es bald keine Bauern mehr, die seine Riesenarmee ernähren können. Der Regierung in Washington mag es zwar etwas peinlich sein, sich von der Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen durch einen ruchlosen Diktator freizukaufen. Aber erheblich billiger als der Irakkrieg dürfte jede Einigung sein.

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