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Meinung: Zwei Väter und zwei Mütter

Ohne Elterngeld werden wir nicht zu mehr Kindern kommen Von Daniel Dettling

Eine Gesellschaft ohne Kinder hat keine Zukunft. In Deutschland werden zu wenig Kinder geboren“ heißt es in der Präambel des Koalitionsvertrages. Eine der wesentlichen Ursachen hierfür ist der Mangel an Vätern. In Deutschland gibt es zu wenig Väter. Warum ist Deutschland weltweites Schlusslicht bei der Geburtenzahl? Es liegt vor allem an den Männern. Jeder zweite Mann im Alter bis 45 mit Hochschulabschluss ist kinderlos. Bei den Männern mit einem Jahreseinkommen über 30 000 Euro sind es gar 73 Prozent, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in diesem Jahr herausfand. Generell findet sich unter den Männern – ausgenommen die vor 1940 geborenen Jahrgänge – in allen Altersgruppen ein höherer Anteil an Kinderlosen als bei den Frauen.

Für die Zeugungsangst der Männer gibt es viele Gründe. Arbeitslosigkeit, unsichere Erwerbsverläufe oder das Fehlen einer „biologischen Uhr“. Männer schieben eine Vaterschaft deutlich länger auf als Frauen und holen sie dann doch nicht nach. Für Männer kommen Kinder erst dann in Frage, wenn sie sich eine Familie leisten zu können glauben. Und dann haben sie meist keine Zeit mehr, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Daher ist das Elterngeld, das die neue Bundesregierung 2007 einführen will, ein wichtiger Schritt, um dem „Armutsrisiko Kind“ zu entkommen. Als Lohnersatzleistung (bis zu 1800 Euro monatlich) verhindert es den Wegfall eines ganzen Gehalts, und als zeitlich begrenzte Leistung (ein Jahr) fördert es den schnellen Wiedereinstieg in den Beruf. Die neue Familienministerin Ursula von der Leyen will mit dem Elterngeld noch ein drittes Ziel verfolgen. Das Geld soll nur dann komplett über ein ganzes Jahr ausgezahlt werden, wenn auch der Vater für mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt. Und hier hört der gute Wille des Staates für viele auf und fängt die Ablehnung an. Parteiübergreifend formiert sich der Widerstand und es sind nicht nur die Männer, die sich gegen die Einmischung wehren, wer von beiden Elternteilen wie lange zu Hause bleibt.

Von der Leyen will mit dem Elterngeld auch eine Verhaltensänderung, einen Mentalitätswandel der Männer erreichen. Die neuen Väter sollen die Rolle der Erziehungsarbeit anerkennen und ihre Vaterrolle lernen. Diese Arbeit ist gesellschaftlich bis heute kaum unter Männern akzeptiert und für das Vatersein bleibt oft nur am Wochenende Zeit. Die Spielplätze sind dann gut gefüllt mit Vätern. Unter der Woche hat man dort den Eindruck, Deutschland sei ein Land von alleinerziehenden, nicht berufstätigen, aber dennoch gut ausgebildeten Müttern. Das Elterngeld beendet dagegen offiziell das Modell der bürgerlichen Familie, wonach der Mann für die finanzielle und die Frau für die emotionale Sicherheit sorgt. Das Modell hatte seinen Preis: die Abhängigkeit der Frau. Selbst wer dieses Modell nicht ablehnt, muss erkennen, dass die kulturellen und ökonomischen Fundamente dieses Modells erodieren. Immer weniger Männer bringen einen lebenslang verlässlichen Familienlohn nach Hause, und immer mehr Frauen sind nicht länger auf Ehemänner angewiesen, um ein eigenes Leben zu führen. Und sie sind auch immer weniger bereit, Familie zu leben zu den Bedingungen der Vergangenheit. Darum ist der Wunsch nach Kindern in diesem Land weit häufiger als seine Erfüllung.

In Zukunft brauchen Kinder in gewisser Weise zwei Väter und zwei Mütter. Beide Eltern werden sich um die materiellen und um die immateriellen Belange der Familie sorgen müssen – und wollen. Nicht Geld, Zeit ist die knappste Ressource. Wenn zunehmend Frauen mehr arbeiten und dennoch nicht auf Kinder verzichten wollen, werden sich die Männer etwas einfallen lassen müssen. Veränderungen in der Erwerbs- und Familienwelt haben sich immer in erster Linie auf das Leben der Frauen ausgewirkt. Die Lebensgestaltung der Frauen ist maskulinisiert worden, während sich die der Männer nicht geändert hat. Kinder wachsen in den ersten Jahren in einer weitgehend männerentwöhnten Umgebung auf. Familienpolitik neu definieren heißt daher, die Männer anzusprechen, zu fordern und zu fördern. Eine zeitgemäße Politik für Kinder richtet sich an Mütter und Väter. Das neue Kindschaftsrecht vor sieben Jahren hat zum ersten Mal das Recht des Kindes auf beide Eltern betont. Das neue Elterngeld ist die Voraussetzung, dass dieses Recht auch umgesetzt wird.

Der Autor leitet den Think Tank berlinpolis. Zuletzt erschienen: „Für eine neue Bildungsfinanzierung“ (VS Verlag, Wiesbaden).

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