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Meinung: Zwickels Signal ist angekommen

Von Carsten Brönstrup Klaus Zwickel hat es vorgemacht. Vier Prozent Lohnerhöhung hat der Chef der IG Metall vor kurzem seine Gewerkschafter erstreiken lassen.

Von Carsten Brönstrup

Klaus Zwickel hat es vorgemacht. Vier Prozent Lohnerhöhung hat der Chef der IG Metall vor kurzem seine Gewerkschafter erstreiken lassen. Geklappt hat das, weil Zwickel zuvor bei seinen Mitgliedern laut für kräftige Nachschläge getrommelt hat und die Arbeitgeber eine lange Tarifauseinandersetzung scheuten.

An Zwickels Marke müssen sich nun auch die anderen Gewerkschaften messen. Auch in der Druckindustrie stehen die Zeichen auf Urabstimmung und Streik. Im Einzelhandel könnte der Konflikt eskalieren, die Verhandlungen in der Krisenbranche Bau sind seit Tagen festgefahren. Und der Öffentliche Dienst wird sich in der neuen Lohnrunde, die im Oktober beginnt, auch nicht in Demut bescheiden. Die Gewerkschaften interessiert im Augenblick nicht, wie ihre Forderungen zur wirtschaftlichen Lage in der jeweiligen Branche passen.

Wie gefährlich diese Scheuklappen-Taktik ist, zeigen die jüngsten Daten über die deutsche Konjunktur. In den ersten drei Monaten dieses Jahres war das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent höher als im Quartal zuvor. Zwar deutet sich damit zaghaft an, was viele Prognostiker seit längerem versprechen: Dass die Wirtschaft nun ganz allmählich wieder auf Touren kommt, dass es im Laufe des Jahres einen leichten Aufschwung geben kann.

Allein: Sicher ist das nicht. Denn das Wachstum ist alles andere als robust. Der angekündigte weitere Stellenabbau bei Siemens, Telekom und Bayer ist mehr als eine Warnung: Die Unternehmen sind immer noch auf Schrumpfkurs, von Aufschwung spüren sie noch nichts. Und die Lohnerhöhungen müssen sofort bezahlt werden – auch wenn sie sich erst in einigen Monaten in den Bilanzen der Firmen auswirken werden. Außerdem stützt sich das leichte Plus bei der Wirtschaftsleistung wieder einmal ausschließlich auf den Export. Die Binnennachfrage dagegen kommt nicht auf Touren, denn die Deutschen verharren stur im Käuferstreik und horten ihr Geld.

Der Export aber kann den Aufschwung nicht allein tragen. Wenn die Erholung in den USA weiter auf sich warten lässt und zudem der steigende Wert des Euro deutsche Waren im Ausland weiter verteuert, knicken die Ausfuhren wieder ein – und schon wäre es aus mit den rosigen Aufschwungs-Aussichten, von denen der Kanzler und sein Finanzminister so gerne reden.

Ist es nicht gerade deshalb eine gute Idee, die Unternehmer mehr in die Lohntüte der Arbeitnehmer packen zu lassen, damit die es in heimischen Supermärkten, Autohäusern und Möbelläden ausgeben können und die Nachfrage endlich in Fahrt kommt? Nein, denn höhere Löhne in allen wichtigen Branchen des Landes würden den Aufschwung nicht stützen, sondern gefährden. Erstens, weil höhere Löhne die Arbeitskosten treiben. Und zweitens, weil dadurch der Rationalisierungsdruck in den Unternehmen weiter stiege. Weniger Jobs und mehr Arbeitslose bedeuten aber einen noch größeren Ausfall an Binnennachfrage. Die Gewerkschaften würden der Konjunktur also in doppelter Hinsicht einen Bärendienst erweisen.

Zwar sind die Klagen der Gewerkschaften über stagnierende Reallöhne verständlich. Doch wenn es ihnen tatsächlich ernst ist mit dem Versprechen, dass sie sich auch um die Arbeitslosen sorgen, dann müssten sie in diesem Jahr noch einmal eine Kröte schlucken. Damit der Aufschwung kräftiger wird – und dann die kommende Lohnrunde mit Recht besser ausfallen könnte.

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