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Meinung: Zwischen Klüngel und Filz

In Köln kommt der Schmiergeldskandal der Müllmafia vor Gericht – und anderswo?

Am Ende dieses Prozesses werden viele enttäuscht sein. Dann dürfte zwar zweifelsfrei feststehen, dass in den 90er Jahren mehr als 21 Millionen Mark Schmiergelder gezahlt worden sind und der eine oder andere möglicherweise sogar ins Gefängnis wandern. Aber komplett wird das Bild dann noch lange nicht sein. Allenfalls bietet sich ein winziger Einblick in die Realitäten unserer heutigen Wirtschaft. Korruption, das lehren alle Vergleiche von Transparency International, ist längst kein Privileg afrikanischer Potentaten mehr, sie ist mitten unter uns. Mal sind Politiker beteiligt, wie es im vorliegenden Kölner Fall untersucht wird, aber immer stehen dahinter Herren aus den oberen Firmenetagen. In weiten Teilen der Wirtschaft geht heute wenig ohne die nötigen Schmiermittel. Besorgnis erregend ist freilich das Tempo, mit dem Deutschland abrutscht. Ist Köln überall?

Am Rhein wird dieser Prozess – hoffentlich – gnadenlos offen legen, wo die Grenze zwischen dem verharmlosenden Begriff des Kölschen Klüngels und der handfesten Korruption verläuft. Dort kannte jeder jeden, eine Hand wusch offenbar die andere, und das alles zum Nachteil der Abfall-Gebührenzahler. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, das sei ein spezifisches Kölner Problem. Eine Untersuchungskommission des Düsseldorfer Innenministeriums hat kürzlich festgehalten, dass es so etwas wie ein flächendeckendes Netz der Einflussnahme auf Entscheidungsträger in dieser Branche gebe – über die Landesgrenzen hinaus.

Bei diesem Befund fragt man sich einigermaßen irritiert, warum nicht in vielen anderen Orten der Republik solche Ermittlungsverfahren laufen, warum die Staatsanwaltschaften so häufig vor den Machenschaften der Müllmafia kapituliert haben. Muss man befürchten, dass der lange Arm der Politik häufiger bis in die Justiz hineingereicht hat, um Aufklärung zu verhindern?

Immerhin, das ist die eine Hoffnung in diesem Kölner Skandalprozess: Allein die Tatsache, dass er stattfindet und dass sich ehemalige Honoratioren der Stadt vor den Schranken des Gerichts in öffentlicher Verhandlung zu verantworten haben, ist ein nicht zu unterschätzender Gewinn für Rechtsstaat und Demokratie. Noch besser wäre es freilich, wenn es überall, also auch in bisher verschlossenen Bereichen der Wirtschaft, mehr Transparenz gäbe. Da scheuen noch zu viele das Licht. Denn Korruption ist ja stets mehr, als die ungerechtfertigte Bereicherung einiger weniger zu Lasten von vielen.

Wenn ein bestimmtes Maß überschritten wird, funktioniert unsere Marktwirtschaft nicht mehr. Unsere Wettbewerbsordnung lebt davon, dass Unternehmen und Konsumenten die jeweils beste Entscheidung treffen. Und nicht diejenige, die dank horrender Schmiergelder zustande gekommen ist.

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