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Barbara John war von 1981 bis 2003 Ausländerbeauftragte des Berliner Senats.

© TSP

Zwischenruf: Dement unter Palmen

Der neueste Trend in Deutschland? Altenauslandsverschickung ohne Rückkehr. Und die Politik schweigt dazu.

Alt und krank, oft auch sterbenskrank zu sein, ist ein Schicksal, dem sich nur entziehen kann, wer jung stirbt. Auch nicht gerade wünschenswert. Doch jetzt kommt es noch katastrophaler und das könnte so beschrieben werden: „Dement unter Palmen“, wie kürzlich ein Blatt titelte oder „Endlich in Spanien: bewegungslos im Pflegebett“. Nein, das sind keine Groschenroman-Titel von Schauergeschichten über Pflegebedürftige. Es ist die reale Situation nicht weniger alter Menschen aus Deutschland, die von ihren Angehörigen aus Kostengründen zur Pflege ins Ausland abgeschoben wurden. Was zuerst einige aufs Sparen versessene Kinder oder Angehörige von zu Pflegenden als ideale individuelle Lösung für sich entdeckten, könnte bald Schule machen. Denn nun interessieren sich, so heißt es, auch die AOK und andere Pflegekassen für den Lebensabend zu Discountpreisen unter südlicher Sonne oder auch in Osteuropa wie beispielsweise in der Slowakei. Zugegeben, die Einsparungen wären kolossal; denn dort warten Heimplätze Pflegestufe 3 für Ausländer zum Schnäppchenpreis von 1100 Euro monatlich. In Deutschland ist es dreimal so teuer. Kündigt sich da etwa ein Mammutsparprogramm für die unterfinanzierten Pflegekassen an?

Es verwundert schon, dass bisher kein zuständiger Politiker die Altenauslandsverschickung ohne Rückkehr laut und eindeutig abgelehnt hat. Das Gegenteil ist der Fall. Der mit Pflegeleistungen vertraute Bundestagsabgeordnete Willi Zylajew (CDU/CSU) sieht darin sogar eine Option, wenn es nicht klappen sollte, Personal aus Osteuropa und Asien hierher zu importieren. Und die uns lieb und teuer gewordene Europäische Union hat erst kürzlich über ihren Gerichtshof durchgesetzt, dass bei Pflege in einem Mitgliedstaat zumindest das deutsche Pflegegeld (nicht die Sachleistung) gezahlt werden muss. Für Pflegefälle mit Verwandten oder Vertrauten im Ausland, beispielsweise ehemalige „Gastarbeiter“, mag es eine gute Alternative zum Heim in Deutschland sein. Aber für Alte mit Familien in Deutschland, die kein Geld haben oder es nicht ausgeben wollen für ihre betagten Eltern? Bei Zille hieß es noch, man könne einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt. Heute reicht eine erzwungene Auslandspflege.

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