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Glücklich oder unglücklich vor dem Schlachten? Das ist nicht die Frage.

© dapd

Zwischenruf: Es geht nicht um Tierliebe

Industriell hergestellte Lebensmittel sind nicht stärker, sondern meistens weniger belastet als artgerecht und tierlieb hergestellte. Das ist kein Plädoyer für industrielle Landwirtschaft. Es ist eines dafür, die Diskussion um Dioxin mit den richtigen Argumenten zu führen.

Sind die Verbraucher schuld? Fast jeder, der in den vergangenen Tagen Stellung zum Dioxin-Skandal um gepanschte Futtermittel genommen hat, sagte: Weil der Verbraucher billige Lebensmittel will, leistet er industrieller Landwirtschaft Vorschub. Durch seinen Geiz und seine falschen Ernährungsgewohnheiten sorge er dafür, dass skrupellose Futtermittelhersteller die Gelegenheit bekämen, vergiftete Produkte auszuliefern.

Das ist falsch. Verbraucher haben einen Anspruch auf ordentliche Lebensmittel, egal wie viel Geld sie dafür ausgeben können oder wollen. Wichtiger noch aber ist, dass industriell hergestellte Lebensmittel nicht stärker, sondern meistens weniger belastet sind als solche, die in kleinen Bauernhöfen artgerecht und tierlieb hergestellt, in handwerklichen Metzgereien verarbeitet und von rosigen Fleischereifachverkäuferinnen mit bloßen Händen durchgedreht werden. Wer eine salmonellenfreie Mayonnaise rühren will, ist gut beraten, Eier aus

Massentierhaltung zu verwenden. Sie haben weniger Kontaminierungsstellen, werden durchgehend gekühlt und insgesamt besser kontrolliert als Eier von ein paar Hühnern, die überall herumpicken dürfen. Sorgt man sich wegen verkeimten Hackfleischs, empfiehlt selbst die Stiftung Warentest den Griff ins Aldi-Regal. Weil hier kein Mensch beim Abpacken der Ware in der Nähe war, sind industriell verpackte Hackfleischpakete die saubersten. Müsli mit giftigem Mutterkorn? Kaum wahrscheinlich, wenn das Getreide dagegen gespritzt wurde. Angeranzte Butter? Fast unmöglich, wenn die Butter in großen Molkereien in geschlossener Kühlkette hergestellt und abgewogen ist.

Dies ist kein Plädoyer für industrielle Landwirtschaft. Es ist eines dafür, die Diskussion um Dioxin mit den richtigen Argumenten zu führen. Hier geht es möglicherweise um Straftatbestände. Es geht nicht um große oder kleine landwirtschaftliche Betriebe und die Qualität von Produkten aus der einen oder der anderen Quelle. Es geht auch nicht darum, dass Verbraucher vielleicht falsche Prioritäten setzen.

Schon gar nicht geht es um Tierliebe. Menschen sind nicht verpflichtet, Tiere zu lieben. Wer aber Tiere zu kleinen Menschen stilisiert, die friedvoll, selbstbestimmt und in großer Würde leben sollen, bis sie zum Metzger gehen, hat kein Problem mit Dioxin. Er hat auch kein Problem mit Tieren. Er hat ein Problem mit seiner Rolle als Mensch in der Welt.

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