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Barbara John, Tagesspiegel-Kolumnistin und frühere Ausländer-Beauftragte des Berliner Senats.

© dpa

Zwischenruf zur Datenfreiheit: Deutsche Gelassenheit

Die Deutschen empören sich kaum über die NSA-Affäre. Zum Teil ais der Einsicht, dass zur Sicherheit vor Anschlägen auch Datenkontrolle gehört - wenn auch keine maximale.

Die einflussreichsten Kommentatoren in Deutschland sind sich in einem Punkt derzeit völlig einig: Unsere Demokratie ist ernsthaft bedroht, die Republik gefährdet, weil deutsche Internetdaten durch die NSA (National Security Agency) systematisch ausgespäht werden. Mit alttestamentarischer Heftigkeit warnen die Meinungsgurus vor einem Staatsnotstand, sehen den drohenden Verlust der Existenzberechtigung des Staates voraus und erkennen verheerende Folgen für das Land, falls der deutsche Staat künftig nicht die Datenfreiheit seiner Bürger garantieren könne.

Und wie reagieren diese vermeintlich in ihren Grundrechten verletzten Bürger? Sie genießen den unerwarteten Supersommer in vollen Zügen. Zwar smalltalken sie über die nicht vorhandene Datensicherheit. Hätten es auch lieber sicherer, mehr aber nicht. Doch das Bedrohungsszenario lässt die meisten ziemlich kalt. Die eifernden Attacken der Meinungsgurus erreichen sie nicht, prallen einfach ab, treffen nicht den Nerv. Laut Forschungsgruppe Wahlen beurteilen nur vier Prozent der Bevölkerung das Ausspionieren als politisch relevantes Thema. Selten stand die „öffentliche Meinung“ so allein auf weiter Flur, dröhnte, so abgehoben, über die Köpfe hinweg. Ein Anzeichen für eine gespaltene Gesellschaft in einer zentralen politischen Frage? Hier die intellektuelle Elite, die sich um die Datenfreiheit aller sorgt. Dort die vielen Umsorgten, die sich nicht so bedrängt und gefährdet erleben, wie man ihnen einredet. Eine unpolitische, nur noch konsumfreudige Masse?

Wie wäre es, wenn die Meinungsmacher einfach ein offenes Ohr hätten für die stichhaltigen Gründe der verbreiteten Gelassenheit? Da ist zum einen die Einsicht, dass zur Sicherheit vor Anschlägen auch Datenkontrolle gehört, wenn auch keine maximale. Zum anderen ist jedem Nutzer klar, dass es immer Mitwisser gibt, auch ohne NSA, wenn man Daten dem Internetuniversum anvertraut. Und schließlich liegt in der Enttarnungsmethode der weltweiten Schnüffelei schon eine Lösung: Es bedurfte nur einer Person, um alle Geheimnisse zu offenbaren. Mehr Freiheitsraum war noch nie. Allein das wird vieles ändern in Richtung mehr Transparenz.

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