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Brandenburg: Millionen von der Kirchen-Juste

Auguste Viktoria hatte ein großes Herz für Gotteshäuser. Die Bauten prägen noch heute die Stadt Am Mittwoch jährt sich der Geburtstag der letzten deutschen Kaiserin zum 150. Mal

Kaiser Wilhelm II. hatte die Einweihung der Erlöserkirche in Rummelsburg auf den 21. Oktober 1892 gelegt, das neue Gotteshaus sollte ein Geschenk an seine Frau Auguste Viktoria werden. Die Kaiserin feierte am 22. Oktober ihren Geburtstag. Sie war im Jahre 1858 zur Welt gekommen, 2008 steht also ein Jubiläum an: 150 Jahre letzte deutsche Kaiserin.

Dass sie damals nicht nach Rummelsburg kam, das noch außerhalb Berlins lag, war einer gesundheitlichen Unpässlichkeit geschuldet. Aber sie schickte ihren Mann und erschien ein paar Wochen später mit einer Bibel als Geschenk.

„Zwischen 1884 und 1908 wurden in und um Berlin 53 evangelische kirchliche Neubauten ihrer Bestimmung übergeben, darunter die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Auguste Viktorias Einsatz half in vielen Fällen, organisatorische, vor allem aber finanzielle Hindernisse zu beseitigen oder wenigstens zu verringern“, schreibt die Kirchenhistorikerin Iselin Gundermann. Die meisten Kirchen wurden dort gebaut, wo die Arbeiter wohnten. Der Backstein-Stil mit der aufstrebenden Turmspitze prägt noch heute die Silhouette mancher Straße. Die Berliner hatten für die First Lady schnell einen Namen: Kirchen-Juste.

Zudem engagierte sie sich auf sozialem Gebiet, förderte die Arbeit der Diakonissen und der Berliner Stadtmission, stiftete 1888 den „Evangelisch-kirchlichen Hilfsverein“. Sie war Protektorin des Kirchenbauvereins, das Kaiserhaus spendete allein für Kirchenbauten in Deutschland vier Millionen Goldmark zum Zwecke geistlicher Erbauung. „Wie keine ihrer Vorgängerinnen errang die Gemahlin Wilhelms II. einen Grad an Bekanntheit und Volkstümlichkeit, der die Schattenseiten der Monarchie in jenen Jahren vielfach vergessen ließ“, schreibt Iselin Gundermann. Die Landesmutter war tief religiös. Ihre Tochter Viktoria-Luise sah in der Monarchin das damalige Idealbild: „Sie lebte für ihre Familie, für ihren Mann und ihre Kinder.“

Auguste Viktoria Friederike Luise Feodora Jenny von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg war auf dem Rittergut Dolzig in der Niederlausitz zur Welt gekommen. Die meiste Zeit aber hat sie später im Berliner Schloss verbracht. Welche Spuren hat „Dona“, wie man sie auch nannte, hinterlassen? Noch zu Lebzeiten kam ihr Name auf viele Straßenschilder im Westen der Stadt. Seit 1898 gibt es die Auguste-Viktoria-Allee in Reinickendorf, seit 1891 eine Straße gleichen Namens in Grunewald. Der heutige Breitscheidplatz war bis 1892 der Gutenberg- und dann bis 1947 der Auguste-Viktoria-Platz. Im Auguste-Viktoria-Klinikum steht im Haus 1 eine Büste der Namensgeberin, am deutlichsten aber ist die letzte deutsche Kaiserin in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche präsent. Ein farbenfrohes Mosaik in der Gedenkhalle unter der Turmruine zeigt einen Prozessionszug der jüngeren Hohenzollern.

Ebenso alt wie die Kaiserin ist übrigens die elf Meter hohe Platane nahe der Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße. Das Naturdenkmal hat viele Stürme überlebt, es wurde anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem späteren Kaiser Friedrich III., mit Victoria von England („Vicky“) anno 1858 gepflanzt. Heute hat die Krone einen Durchmesser von über acht Metern.

Die Kaiserin, Mutter von sieben Kindern, starb am 11. April 1921 im holländischen Exil und wurde unter großer Anteilnahme im Antikentempel nahe dem Neuen Palais im Park von Sanssouci beigesetzt. Dort liegt sie in einem steinernen Sarkophag – gemeinsam mit ihrer Nachfolgerin, der zweiten Frau Wilhelms II. Hermine von Reuß. Wer Dona besuchen möchte, steht vor einer Baustelle: Der Antikentempel wird seit Jahren restauriert. Lothar Heinke

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