zum Hauptinhalt

Audi RS6 2013: Papis 911er-Jäger

Wenn es um Sport-Kombis geht, dann bildet der Audi RS6 Avant seit Jahren das Maß der Dinge. Mit praktischen Werten hat das Auto wenig am Hut. Ladevolumen? Ja, hat er. Aber seine wirkliche Mission ist es echte Super-Sportwagen zu vernaschen.

KKK ist die Formel, die Kombis nicht nur in Deutschland zu einem Erfolgsrezept gemacht hat. Denn kommen die Kinder, ist der Köter nicht weit und spätestens dann wird aus dem Single-Auto vor der Tür oft ein Kombi. Zwar haben die Vans den verlängerten Mittelklasse-Mobilen in den vergangenen Jahren ziemlich viel Wasser abgegraben. Aber Befragungen unter Autofahrern zeigen immer noch einen Kombi weit vorne auf der Wunschliste junger Familien. Die Gründe sind recht eingängig. Während ein Van, mag er noch so agil sein, vor allem nur noch praktisch ist, kann sich Papi, oder auch Mami, beim Kombi immer noch die sportliche Note bewahren. Er ist vernünftig, weil er viel Platz bietet. Er kann aber, entsprechende Motorisierung vorausgesetzt, immer noch ganz schön sportlich unterwegs sein. Das Paradebeispiel für diese Gattung Automobil ist der Skoda Octavia Kombi. Er vereint die schlagenden Argumente für die Diskussion am Familientisch nahezu perfekt. Er bietet Platz, lässt sich schon mit dem klassischen Zwei-Liter-Diesel relativ dynamisch bewegen und ist dabei sogar noch recht preiswert.

Speerspitze unter den Sport-Kombis

Bei Audi hat man das Prinzip des Familienkombis schon 2002 auf die Spitze getrieben. Damals kam nämlich der erste RS6 auf den Markt. Zwar auch als Limousine, doch die leistungsstarke Version „plus“ gab es damals schon ausschließlich als Langheck. Gut, mit nachhaltiger Wirtschaftlichkeit hat dieses Auto so wenig am Hut wie Rolf Eden mit einer Klosterschule. Aber ansonsten ist er schlicht der Über-Kombi, der Traum aller sportlich orientierten Familien. Was der BMW M5 unter den sportlichen Limousinen ist der Audi RS6 Avant für die Kombis: Die Speerspitze, das Ultimativ für dieses Fahrzeugkonzept.
Natürlich gibt es noch teurere Exoten, andere bayerische Kombis und seit Neustem den sehr ansehnlichen Mercedes SLS Shooting Brake als Konkurrent. Aber geschichtlich und sportlich gesehen hat der Audi RS6 immer noch die Nase vorne. Selbst die von Mercedes eiligst nachgeschobene AMG-Version des Shooting Brake kann dem Chefdynamiker aus Ingolstadt nicht ganz das Wasser reichen.

Der Taugt zum 911er-Jagen: Mit seinen Leistungswerten spielt der Audi RS6 in der Liga der Superportler mit. Beim Preis freilich auch.
Der Taugt zum 911er-Jagen: Mit seinen Leistungswerten spielt der Audi RS6 in der Liga der Superportler mit. Beim Preis freilich auch.

© Hersteller

Kein Wunder also, dass sich Audi reichlich Mühe gegeben hat diese sportliche Spitzenposition auszubauen. Nur sind die Zeiten des unbekümmerten PS-Spektakels auch für Hochleistungs-Kombis gezählt. Die political Correctness erfordert auch in diesem Segment ein Mindestmaß an Vernunft und eine gewisse Selbstbeschränkung. Am Ende sind es ja dann eben doch keine Sportwagen. Und schließlich sollen dem PS-Papi am heimischen Küchentisch auch nicht die Argumente ausgehen.

Downsizing erledigt den Zehnzylinder
Die Selbstbeschränkung beim Audi RS6 2013 sieht folgendermaßen aus: Der krawallige Zehnzylinder des Vorgängers, den sich der Ingolstädter noch mit Lamborghini teilte, muss raus. Dafür gibt es einen V8-Biturbo mit nur noch vier Litern Hubraum, Zylinderabschaltung im Teillastbereich und 100 Kilogramm weniger Gewicht. Heraus kommen 30 Prozent weniger Verbrauch, was sich ziemlich gut macht auf den Prospekten und die Marketing-Abteilung somit sehr erfreut.

Acht Zylinder mit doppelter Aufladung produzieren 560 PS und 700 Newtonmeter Drehmoment aus vier Litern Hubraum. Der Motor wurde bereits im S6 und S7 verwendet, bringt dort aber weniger Leistung.
Acht Zylinder mit doppelter Aufladung produzieren 560 PS und 700 Newtonmeter Drehmoment aus vier Litern Hubraum. Der Motor wurde bereits im S6 und S7 verwendet, bringt dort aber weniger Leistung.

© Hersteller

Allerdings sollte niemand denken, dass der Audi RS6 2013 jetzt ein sonderlich umweltfreundliches Auto geworden ist. Dazu ist das Ingolstädter Kraftpaket viel zu sehr Bolide und Sportwagen. Wir reden über ein Auto mit einem Leergewicht von immer noch 1920 Kilogramm. Der Normverbrauch wurde mit 9,8 zwar unter die magischen Marke von zehn Liter auf 100 Kilometer gedrückt. Ansonsten ist aber auch der neue Achtzylinder alles andere als eine lahme Ente. Zwar hat der Antrieb im Vergleich zum Vorgänger 20 PS weniger zu bieten. Aber schon beim Drehmoment legt der Audi RS6 2013 mit 700 Newtonmeter ordentlich zu. Der Sprint auf 100 km/h wird nun sogar in 3,9 Sekunden erledigt. Damit liegt der RS6 im Bereich sehr potenter Sportwagen und dürfte am Stammtisch die Besitzer stolz machen. Zum Vergleich: Der stärkste Audi R8 schafft in dieser Disziplin 3,5 Sekunden.

Elektronik entscheidet

Dementsprechend fährt sich der Kampf-Kombi auch Ingolstadt auch – wenn man möchte. Schon beim Platznehmen in den Schalensitzen wird klar, dass hier Sport keine leere Phrase bleiben soll. Das Drücken auf den Startknopf entlockt dem Motor ein leises Wummern. Danach wird es aber wieder erstaunlich leise. Den Spagat zwischen familientauglichem Kombi und Supersportler geht Audi vornehmlich mittels Elektronik. Über das Multifunktionsdisplay wird aus dem gutmütigen Lastesel das Biest und umgekehrt. Motorcharakteristik, Fahrwerksabstimmung, Gaskennlinie und Getriebeabstufung lassen sich hier regeln. Fürs Große Ganze kann hier natürlich auch grundsätzlich zwischen „Dynamic“ und „Comfort“ gewählt werden. Und die Soundfetischisten lässt Audi auch den Klang des V8-Biturbo modulieren. Ein optionaler Aktuator übermittelt das Geräusch standesgemäß ins Innere und gibt über spezielle Klappen in den beiden Endschalldämpfern auch ordentlich Achtzylinder-Getöse nach außen. Nur, um klar zu machen, wer hier anrollt.

Dem Antrieb entsprechend gestalten sich auch die Fahrleistungen des Power-Kombis. Mit dem optionalen Dynamikpaket geht es bis zu 305 Stundenkilometer schnell vorwärts.
Dem Antrieb entsprechend gestalten sich auch die Fahrleistungen des Power-Kombis. Mit dem optionalen Dynamikpaket geht es bis zu 305 Stundenkilometer schnell vorwärts.

© Hersteller

Bei der ersten Probefahrt stellen wir natürlich alles auf Sport. Schließlich wollen wir das Biest kennen lernen. Brave Familienkombis gibt es schließlich genug auf der Welt. Der Nacken bereut diese Entscheidung schon nach wenigen Kilometern. Nahezu jede etwas festere Berührung des Gaspedals mit dem Fuß wird mit einem wilden Satz nach vorne quittiert. Ein beherzter Tritt katapultiert den Über-Kombi in Augenblicken auf dreistellige Stundenkilometerwerte und wer mehr nach Gefühl und Auge fährt wird sich oft über schrecklich unvernünftige Anzeigen auf dem Tacho wundern. Kurzum: Papi wird ganz schön ins Schwitzen kommen und bei haltlosem Fahrverhalten ist Streit mit Beifahrern vorprogrammiert. Wer möchte kann es mit dem auf Wunsch erhältlichen Dynamikpaket „Plus“ bis auf 305 km/h Spitze bringen.

Er kann auch brav sein
Dabei verliert der Audi RS6 nie die Contenance. Das Fahrwerk mit Luftfederung wird im Sportmodus sehr straff, zeigt sich aber der Leistungsfülle durchaus angemessen und nicht übertrieben. Auch die Bremsanlage kann die entstehenden physikalischen Kräfte gut in Schach halten, wobei bei den Wagen für die Probefahrt auch die optionale Keramik-Karbon-Version verbaut war. Und auch die elektromechanische Lenkung zeigt sich jeder Fahrsituation gewachsen. In der Summe zeigt sich der Audi RS6 Avant als PS-Ungetüm mit höchstem Angriffspotenzial. Selbst das bei einem Kombi unvermeidliche Untersteuern hat man in Ingolstadt in den Griff bekommen. Und dank Allradantrieb wiegt selbst in engen Kurven auch die Hecklast nicht allzu schwer.

Die beschleunigte Beförderung von Golf-Bags hat eigentlich keine tiefere Sinnhaftigkeit für einen Kombi. Wer solche Fragen für sich dennoch positiv beantworten kann bekommt ein Auto mit außergewöhnlichen sportliche Fähigkeiten.
Die beschleunigte Beförderung von Golf-Bags hat eigentlich keine tiefere Sinnhaftigkeit für einen Kombi. Wer solche Fragen für sich dennoch positiv beantworten kann bekommt ein Auto mit außergewöhnlichen sportliche Fähigkeiten.

© Hersteller

Umgekehrt kann der Audi RS6 2013 aber auch ein braves Automobil sein. Alle Einstellungen auf „Comfort“ gestellt und der Ingolstädter zeigt sich geneigt zu cruisen und zum entspannten Dahingleiten auf der Autobahn. Zwar stellt er auch hier noch bei einem beherzten Tritt auf das Gaspedal enorme Kräfte bereit. Aber das könnte ja auch durchaus mal für ein Überholmanöver angesagt sein. Allerdings zeigt sich hier auch, dass der Normverbrauch mit der Realität wenig zu tun hat. Selbst bei allerliebster Behandlung des Gaspedals ließ sich der Wagen laut Bordcomputer nicht unter die Marke von elf Litern bringen. Die Realität liegt wohl eher bei 12 bis 14 Liter. Bei zumindest halbwegs gemäßigter Fahrweise, versteht sich.

Für ein Familienauto wäre das viel. Aber einen Audi RS6 kauft eben keine normale Familie. Das Auto ist eher was für superreiche Einzelgänger mit teuren Hobbys oder sportverliebte Manager mit familiärem Anhang. Wer 107 900 Euro in der Basisversion für ein Auto ausgibt, der geht ganz sicher nicht mit der Benzinpreis-App das günstigste Super suchen. Wenn Papi sich ein solches Spielzeug kauft, dann dürfte eher zu den Gutverdienern zählen. Und die zeigen ja auch gerne mal, was sie haben. Mit dem Audi RS6 ist das Statement jedenfalls klar: Ich könnte auch ein Sportwagen sein, wenn ich nur möchte.

Zur Startseite