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Fahrbericht Citroën C4 Cactus e-VTi 82 ETG Feel Edition: Bloß mit der Ruhe

Spannender Minimalismus: Der Citroën C4 Cactus will "mehr" mit "weniger" - und er fällt nicht nur auf in der Masse, er bietet auch ein ganz neues Fahrgefühl. Wenn da nicht ein Haken wäre...

Der Mensch beutet die Erde gnadenlos aus. Immer mehr, immer effizienter, immer schneller. Viele Menschen wirken angespannt. Doch muss das ständig so sein? „Kann letztlich nicht weniger sogar mehr sein?“, fragten sich Citroën-Techniker, als sie den schrägen Cactus mit einem ganz neuen Ansatz entwickelten: Was braucht der mobile Mensch wirklich? Klar, möglichst wenig Gewicht, weil ein schwereres Auto mehr Sprit verbraucht. Also speckte der Citroën C4 Cactus gegenüber dem normalen C4 gute 200 Kilo ab! Ohne teure Materialien, einfach durch teils intelligenten Verzicht wurde das Basisgewicht auf unter 1000 Kilogramm gerückt.

Wo jedoch ist die Grenze dieses Minimalismus? Wieviel Verzicht darf sein, ohne dieses neuartige, ja witzige Auto für viele nicht verzichtbar werden zu lassen? Diese spannende Frage beantwortet unser Praxistest mit dem Citroën C4 Cactus e-VTi 82 ETG Feel Edition, der einen modernen Dreizylinder mit einem bei vielen Fahrern ungeliebten automatisierten Schaltgetriebe koppelt. Eine doppelt gewagte Kombination. Oder?

Alles digital: Das Getriebe wird über drei Tasten in der Mittelkonsole gesteuert. Eine "P"-Stellung gibt es nicht.
Alles digital: Das Getriebe wird über drei Tasten in der Mittelkonsole gesteuert. Eine "P"-Stellung gibt es nicht.

© promo

Außen und Innen

Der Citroën Cactus fällt sofort in der Masse der uniformen Autos auf. Und er polarisiert: Liebe oder Hass. Das Anderssein beginnt schon bei den sogenannten Airbumps, mit Luftkapseln gefüllte Thermourethan-Polster, welche Stöße bis zu 5 km/h aushalten. Die vor Parkremplern ebenso schützen wie vor Einkaufswagen-Kratzer auf dem Supermarkt-Parkplatz. Drei Jahre Entwicklung und neun Patente stecken in dieser Weltneuheit. Die Airbumps gibt es in vier Farben, dazu kommen 10 Karosseriefarben und drei verschiedenfarbige Innenausstattungen. Das ergibt so viele Kombinationsmöglichkeiten, so dass jeder sich „sein“ Auto zusammenstellen kann. Wo findet man das sonst?

Abspecken durch Verzicht. Ja, simple Ausstellfenster im Fond statt elektrischer Fensterheber,  macht minus elf Kilo. Bequem sitzend, schaut man auf ein ganz anderes, reduziertes Cockpit. Kaum Knöpfe und Schalter, dafür zwei Bildschirme. Willkommen in der digitalen Welt – mit Verzicht: Drehzahlmesser und Kühlwasserthermometer fehlen. Nach kurzer Eingewöhnung bedient man über den großen Berührungsbildschirm das Auto (Klima, Radio, Navi, Bordcomputer) ganz selbstverständlich. Die digitalen Anzeigen hinter dem griffigen Lenkrad sind gut ablesbar. Verzicht aber auch hier: Es gibt nur drei Luftausströmer; der Beifahrer hat keinen. Bei Temperaturen um die zehn Grad war das jedoch bei unserem Praxistest noch kein Problem. 

Sitzen und Laden

In diesem Kapitel wechseln viel Licht und einiger Schatten einander ab. Bei unserem Testwagen mit der Automatik sind die breiten Polster im Lounge-Stil durchgängig wie bei einem Sofa. Überraschend anders, aber überraschend gut. Man wähnt sich in einer fast vergessenen Welt und entdeckt ein neues „Reisegefühl“. Das große Handschuhfach erinnert an den Deckel eines alten Reisekoffers. Das geht, weil der Beifahrerairbag – eine weitere Weltneuheit – im Dachhimmel sitzt und sich von oben entfaltet. Die breite Armlehne trägt statt konventionellem Griff eine Schlaufe, so wie die von einem Reisekoffer aus Omas Zeiten. Auch in Reihe zwei wartet eine Überraschung auf die Passagiere: zwei Große haben mehr Platz als angenommen. Der Citroën Cactus ist offiziell nur ein Viersitzer. Allerdings hätte die Bank etwas mehr Polsterung vertragen können. Selbst die Beinfreiheit in dem nur 4,16 Meter langen Auto (Golf 4,26 Meter) ist sehr gut.

Ein Flop hingegen sind das Laden und die Variabilität, trotz hoher Zuladung von 535 Kilogramm. Der Kofferraum bietet zwar ordentliche 348 Liter (Golf  380 Liter). Doch das Gepäck muss über eine mit 79 Zentimetern extrem hohe Ladekante gewuchtet werden, und beim Ausladen über eine innere 24-Zentimeter-Stufe wieder hoch gehoben werden. Beschwerlich. Zu allem Überfluss hat Citroën hier an der falschen Stelle schlechten Verzicht geübt: Die Rücksitzlehne lässt sich nur im Ganzen umklappen – und zwar recht umständlich. Doch die Franzosen haben die Kritik von allen Seiten zur Kenntnis genommen. Nächstes Jahr soll es gegen Aufpreis geteilt umklappbare Rücksitzlehnen geben. Warten erscheint in diesem Falle also die bessere Lösung zu sein.

Fahren und Tanken

Man entspannt in diesem Auto ungewöhnlich schnell, fährt ohne Aggressionen und genießt einfach dieses neuartige Fahrgefühl. Anders als viele „hart gemachte“ Sportler hat dieser Citroën C4 Cactus das Federn nicht verlernt. Erfreut stellt man beim Fahren überdies fest,    dass Omas Sofa-ähnliche Sessel trotz ihrer Weichheit den Körper doch ordentlich abstützen. Selbst nach einer 500-Kilometer-Nonstopfahrt haben sie sich noch immer als bequem erwiesen. Und trotz des nur höhenverstellbaren Lenkrads, das übrigens sehr gut in der Hand liegt, finden Personen um die 1,75 Meter eine ordentliche Arbeitsposition. Die Lenkung agiert für ein Auto, das man am besten ohne sportliche Attitüde bewegt, ausreichend direkt. Wir sind mit dem 1,2 Liter großen und 82 PS starken Saugbenziner unterwegs gewesen, der 118 Newtonmetern bei 2750 Touren auf die Kurbelwelle stemmt. Das klingt nach Magerkost, doch überraschenderweise fährt sich der Dreizylinder viel besser als seine Papierwerte befürchten ließen. Er beschleunigt ordentlich, rafft sich auf freier Autobahn tapfer bis zu Tempo 173 auf und klingt dann sogar richtig gut.

Wie vom anderen Stern: Egal, wo der Citroën Cactus auch auftaucht, er zieht die Blicke an sich.
Wie vom anderen Stern: Egal, wo der Citroën Cactus auch auftaucht, er zieht die Blicke an sich.

© promo

Geradezu genial einfach ist die Bedienung des automatisierten Fünfgang-Schaltgetriebes, mit dem unser Testwagen ausgerüstet war. Kein Hebel, nur drei Tasten in der Mittelkonsole: N für Leerlauf, D für Fahren und R für Rückwärts. P für Parkstellung gibt es nicht, dafür ist die normale Handbremse zuständig, welche hier die Form eines Schubhebels vom Airbus hat. Witzig. Weniger witzig allerdings ist die Art, wie dieses von Citroen genannte ETG zuweilen zu Werke geht. Bloß mit der Ruhe gilt besonders für das Anfahren, wenn die Start-Stopp-Automatik aktiviert ist, die viel zu nervös reagiert. Geht man von der Bremse sofort aufs Gas,  fährt der Cactus ruppig an. Besser ist es, vor dem Umschalten der Ampel kurz die Bremse lupfen, so dass der Motor wieder anspringt. Dann aber kriecht das Auto bereits langsam vorwärts. Nervend. Also gleich wieder auf die Bremse, und der Motor geht erneut aus. Außerdem wechselt der Automat spürbar verzögert vom ersten in den zweiten Gang. Das stört im Stadtverkehr erheblich. Da fehlt noch einiges an Feinschliff.

Und ein Sportler ist dieser Citroën mit diesem Getriebe nicht. Bei versucht sportlicher Fahrweise kehrt das automatisierte Schaltgetriebe nämlich seine bekannte Unart überdeutlich hervor und präsentiert sich als Ruckel-O-Mat. Da ist man mit dem konventionellen Fünfgang-Schaltgetriebe besser bedient und spart obendrein 900 Euro. Und der Verbrauch? Die vom Hersteller angegebenen 4,3 Liter Normverbrauch sind Schall und Rauch. Bei sehr zurückhaltender Fahrweise waren es 5,8 Liter; bei Tempo 150 auf der Autobahn nur knapp sieben Liter, und im Schnitt auf den insgesamt 1500 Testkilometern 6,3 Liter. Das geht noch in Ordnung für dieses leichte Auto.

Hören und Sehen

Hat man sich erst mal an seinen eigenwilligen Klang gewöhnt, glaubt man nicht mehr, dass unter der Motorhaube nur ein kleiner Drilling sein Werk verrichtet. Gut, dass er auch bei höheren Geschwindigkeiten nicht unangenehm laut wird, trotz der reduzierten Dämmung. Über 100 km/h überdecken dann die recht lauten Windgeräusche das freundliche Sirren des Motors.

Obwohl der Citroën C4 Cactus eines dieser Lifestyle-Autos ist, gehört er zu der heute seltenen Spezies der übersichtlichen Autos. Die stupsnasige Front lässt sich über die einsehbare Motorhaube gut abschätzen. Und die recht geraden Seitenscheiben sind ebenfalls hilfreich beim Rundumblick.

Wählen und Zahlen

Die 13990 Euro für das Basismodell VTi 75 Start  mit 75 PS sollte man sich schenken. Das hat weder hintere Kopfstützen noch Klimaanlage oder Radio. Mit dem 82 PS starkem Dreizylinder-Sauger startet der gut ausgestattete Citroën Cactus in der empfehlenswerten Ausstattung Feel dann bei 16 290 Euro. Unser Testwagen ist die Sonderedition Feel Edition zur Markteinführung, die noch mal ein Stück mehr Individualität mitbringt, was sich später beim Wiederverkauf auszahlen kann. Mit der besonderen Automatik kostet er 18 180 Euro. Klimaautomatik, City-Kamera- Paket, Navigationssystem, schwarze Aluräder, die übrigens nur 50 Euro extra kosten und toll aussehen und Auminium-Grau-Metallic-Lackierung treiben den Preis dann auf 20460 Euro. Der Hinguck-Effekt ist eigentlich unbezahlbar.

Neben den beiden Benzinern gibt es auch zwei Dieselmotoren. Der Citroën C4 Cactus BlueHDi 100 mit 99 PS und einem Normverbrauch von 3,4 Litern pro 100 Kilometer (als Modell Live ab 18 990 Euro) sowie der Cactus BlueHDi 100 Airdream mit 99 PS und einem Normverbrauch von nur 3,1 Litern pro 100 Kilometer (als Modell Feel ab 20 140 Euro). Beide Selbstzünder erfüllen dank zusätzlicher Harnstoffeinspritzung und SCR-Katalysator  die Euro-6-Abgasnorm. Beide sind jedoch nur mit einer Fünfgang-Handschaltung lieferbar. Doch lohnen sich diese Diesel nur für Kilometerfresser, denn gegenüber den Benzinern liegt der Aufpreis zwischen 4000 Euro (82-PS-Version) und 2000 Euro (110-PS-Version). Da fährt man erst nach Jahren in den grünen Bereich.

Gutes und Schlechtes

Man entspannt in diesem Auto wirklich und genießt dieses in unserer hektischen Zeit verloren gegangene Entschleunigungsgefühl. An diese neue Art des beruhigten und beruhigenden Fahrens kann man sich mit dem Citroën C4 Cactus gewöhnen. Sehr schnell sogar. Und dann lässt sich auch mit den Schwächen dieses Autos leben. Denn die Stärken überwiegen bei weitem. Doch die Kombination von Dreizylinder und automatisiertem Schaltgetriebe funktioniert in diesem andersartigen Auto gar nicht. Da ist noch viel Feinschliff nötig – oder einfach Verzicht!

Stärken

Großer Aufmerksamkeitsfaktor

Sehr gutes Raumangebot

Viele Individualisierungsmöglichkeiten

Schwächen

Schlechte Variabilität

Gewöhnungsbedürftige Automatik

Viel Hartplastik im Innenraum

Die Konkurrenz

Nissan Juke

Renault Captur

Ford EcoSport

Technische Daten Citroën C4 Cactus e-VTi 82 ETG Feel Edition
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,16/1,73/1,49 Meter
Leergewicht 1050 Kilogramm
Kofferraumvolumen 358 Liter
Maximale Zuladung 535 Kilogramm
Sitzplätze 4
Tankvolumen 50 Liter
Motor Reihen-Dreizylinder-Otto-Motor mit Mehrpunkteinspritzung ins Saugrohr
Hubraum 1199 Kubikzentimeter
Getriebe automatisiertes 5-Gang-Schaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 60 / 82
Drehmoment 118 Newtonmeter bei 2750 Umdrehungen/Minute
Beschleunigung 0 - 100 km/h 15,0 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 173 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) 5,1 / 3,9 / 4,3 Liter
Verbrauch im Test 6,4 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 100 g/km / A
Typklassen (KH/VK/TK) 15 / 17 / 18
Preis als Basisfahrzeug 18 190 Euro
Preis des Testwagens 20 460 Euro

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