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Zu schick für Familie? Die Mercedes V-Klasse will endlich die Konkurrenz aus Wolfsburg einholen und setzt auf hochwertiges Ambiente mit viel Komfort. So lässt es sich reisen - mit fünf, sechs oder sogar acht Personen.

© Paul Mühlenweg

Fahrbericht Mercedes V-Klasse: Reisen im Großraumabteil

Mit der Mercedes V-Klasse will man in Stuttgart dem Wolfsburger Evergreen endlich mal die Heckleuchten zeigen. Aber kann der noble Van auch Familie? Der Praxistest zeigt es.

Personentransporter, das waren früher Autos, die heute Großraum-Vans heißen und im Volksmund immer noch Bulli genannt werden. Auch wenn man das in Stuttgart nicht so gerne hört. Denn seit Jahren arbeitet sich Daimler an der Wolfsburger Ikone ab. Lange vergebens, was die Stückzahlen angeht und mit ganz eigenen Problemchen, was den Viano angeht. Beides soll mit dem Nachfolger, der jetzt wieder Mercedes V-Klasse heißt, der Vergangenheit angehören. In Sachen Komfort und Luxus ist man mit dem von Grund auf neuentwickelten Transporter schlicht mal links am VW T-Modell vorbeigefahren. Die V-Klasse hat nicht nur den Armaturenträger der Pkw-Baureihen geerbt, sondern auch deren Luxus. Das Leder ist von höchster Qualität, die Applikationen aus hochwertigem Klavierlack und wo es nach Chrom blitzt ist auch Chrom verbaut. So Mercedes war noch kein Van zuvor.

Kann die Mercedes V-Klasse auch Familie?

Bei so viel Schick lässt sich der Wagen kaum noch als klassischer Familien-Van vorstellen. Kleinkinder mit schokoladenverschmierten Händen und Teenager mit schmutzigen Klamotten vom Fußball spielen. Das aber ist meist der Alltag für einen Bulli, pardon Van. Verträgt die Mercedes V-Klasse das? Um diese Frage zu beantworten sind wir auf die Piste gegangen. Zwei Wochen mit Kind und Kegel unterwegs dürften zeigen, ob diese V-Klasse auch wirklich ein Familiengefährt ist.

Mit vier Sitzen bietet die Mercedes V-Klasse 655 Liter Kofferraumvolumen. Ohne Bestuhlung im Heck sind es gigantische 4630 Liter Stauraum. Genial ist die einzeln zu öffnenden Heckscheibe. Ist der Ladeboden über dem Gepäck angebracht, ergibt sich hier eine praktische Ablage für alles, was während der Fahrt nicht gebraucht wird, aber schnell zugänglich sein sollte.
Mit vier Sitzen bietet die Mercedes V-Klasse 655 Liter Kofferraumvolumen. Ohne Bestuhlung im Heck sind es gigantische 4630 Liter Stauraum. Genial ist die einzeln zu öffnenden Heckscheibe. Ist der Ladeboden über dem Gepäck angebracht, ergibt sich hier eine praktische Ablage für alles, was während der Fahrt nicht gebraucht wird, aber schnell zugänglich sein sollte.

© Paul Mühlenweg

Die erste Disziplin bei so einem Trip ist das Laden. Drei Kinder und zwei Erwachsene ergibt ganz schön viel Gepäck. Ein Zwillingskinderwagen muss ins Heck, jede Menge Klamotten für die beiden Kleinsten und die Halbwüchsige, sowie die Garderobe für die Eltern. Ergibt drei riesige Taschen, plus zahlreiche Einzelstücke an Handgepäck vorne und Proviant für die Fahrt. Unser Testwagen ist mit vier Einzelsitzen im Fond ausgestattet. Bei fünf Personen und dem Gepäck muss davon einer raus und dem Kinderwagen weichen. Wir schieben vor und zurück, suchen die Lücke in den Schienen und finden schließlich die Aussparung, wo der Sitz rausgeht. Nach mehreren Versuchen ist das Gestühl schließlich frei. Ungemein schwer ist der Sessel. Aber immer noch deutlich leichter als beim Konkurrent, dem VW T6.

Trotz Sportfahrwerk wankt die Mercedes V-Klasse ein wenig

Mit der Lücke hinten links ergibt sich ein Ausbund an Freiheit, den einfach nur diese Fahrzeugkategorie bietet. 1030 Liter schafft der Bus, pardon die V-Klasse schon im Normalzustand. Sprich mit vier Sitzen. Da sich in der Mitte ein breiter Tunnel bildet, wenn der Tisch nach vorne gefahren und zusammengeklappt wird, ist das eher ein relativer Wert. Messen konnten wir den Stauraum mit drei Sitze nicht, aber als Richtwert sei an dieser Stelle angegeben, dass die Mercedes V-Klasse ohne Bestuhlung im Heck gigantische 4630 Liter an Stauraum bietet. Übersetzt heißt das: Jede Menge Platz. Und wer sich für 854 Euro noch die zweite Schiebtüre links gönnen mag, der wird selbst im voll beladenen Zustand so ziemlich jeden Winkel des Laderaums erreichen können. Fast schon genial ist die Option mit der einzeln zu öffnenden Heckscheibe. Ist der Ladeboden über dem großen Gepäck angebracht, dann ergibt sich hier eine richtig praktische Ablage für alles, was nicht direkt während der Fahrt gebraucht wird, aber zugänglich sein sollte. Vergeblich suchten wir hingegen eine Anhängekupplung, für die Mercedes stolze 1019 Euro extra berechnet.

Reise-Van vom Feinsten: Die Kombination aus überbordendem Platzangebot und jeder Menge Komfort im Inneren ist herausragend. So lässt es sich reisen - mit fünf, sechs oder sogar bis zu acht Personen, wenn hinten statt Einzelsitze die Sitzbänke verbaut sind.
Reise-Van vom Feinsten: Die Kombination aus überbordendem Platzangebot und jeder Menge Komfort im Inneren ist herausragend. So lässt es sich reisen - mit fünf, sechs oder sogar bis zu acht Personen, wenn hinten statt Einzelsitze die Sitzbänke verbaut sind.

© Hersteller

In der Stadt haben sich die Abmessungen von 5,14 Meter in der Länge (Langversion) als nicht ganz unkompliziert herausgestellt. Die Parkplatzsuche gestaltete sich etwas langwierig. Bei dem Platzangebot nimmt man das aber gerne in Kauf. Nachdem sich das Laden als recht einfach herausstellte geht es los gen Süden. Mit 190 PS und ein früh anliegendem Drehmoment (1400 U/Min) von satten 480 Newtonmeter lässt sich die Mercedes V-Klasse recht souverän bewegen. Das ist trotz der Leistungsdaten nicht selbstverständlich, denn dieser Van (Nein, es ist kein Bus) bringt schon leer 2180 Kilogramm auf die Waage. Mit der Extraausstattung, fünf Personen (genaugenommen 3,5 Personen gewichtsmäßig) und dem ganzen Gepäck sind wir mit geschätzten 2,5 Tonnen unterwegs. Zuladung ist übrigens bei der Mercedes V-Klasse kaum ein Thema. 690 Kilo schultert der Stuttgarter locker und aufs Dach (Reling kostet extra) dürfen nochmal bis zu 150 Kilogramm. Gleichzeitig ist die V-Klasse nicht unkomfortabel. Allzu hart wäre bei der Zuladung auch nicht angesagt, und schließlich reden wir immer noch über einen Mercedes. Doch trotz Sportfahrwerk sind durchaus Wankbewegungen spürbar. Zur Seite ist das selbstverständlich bei der Höhe von fast zwei Metern. Aber die V-Klasse geht auch in die Knie beim Bremsen und in die Höhe beim Anfahren. Alles aber im grünen Bereich.

Man reist wie im Großraumabteil zum Sparpreis

Vom neuen Luxus auf dem Armaturenträger haben wir bereits geschwärmt. Aber auch die Bedienbarkeit ist sehr gut ausgefallen. Die Mercedes V-Klasse bietet nun auch den „Handschmeichler“ genannten Drehschalter auf der Mittelkonsole. Ein Navi mit hochauflösender Grafik sitzt direkt darüber und bietet alles, was das Herz begehrt. Konnektivität mit Smartphones, sehr guten Sound und einige weitere Funktionen. Passend ist auch die Sicherheitsausstattung. Ein Notbremsassistent überwacht den Verkehr voraus, ein Spurhalteassistent die Geradeausfahrt und ein weiterer Warner den toten Winkel. Zudem kommt serienmäßig ein Seitenwindassistent mit. Leider sind die übrigen, sehr empfehlenswerten Assistenten, mit denen sich dieser Van ausrüsten lässt, alle aufpreispflichtig. Keine Extrakosten fallen hingegen für die elektromechanische Lenkung und die Siebengang-Automatik an. Beides ebenfalls Systeme, die in der Praxis viel Freude bereiten.

Mit 5,14 Meter Länge bietet die Mercedes V-Klasse viel Raum für Passagiere und Gepäck. Ein großes Plus auf Reisen. Nur die Parkplatzsuche in der Stadt gestaltet sich etwas langwierig.
Mit 5,14 Meter Länge bietet die Mercedes V-Klasse viel Raum für Passagiere und Gepäck. Ein großes Plus auf Reisen. Nur die Parkplatzsuche in der Stadt gestaltet sich etwas langwierig.

© Paul Mühlenweg

Die Fahrt führt über den Brenner nach Italien. Haben wir die Strecke bis München im Galopp absolviert – die V-Klasse schafft es auf bis zu 206 km/h, wenn es sein muss – so steht ab der österreichischen Grenze der langsamere Part bevor. Erfreulicherweise hat unsere Fahrt auf der A9 den Tank nicht übermäßig entleert. Laut Bordcomputer sind wir hier mit rund neun Litern für 100 Kilometer unterwegs gewesen. Bei Tempolimit 120 sinkt dieser Wert natürlich nochmal deutlich. Am Ziel angekommen errechnen wir einen Durchschnittsverbrauch von 7,8 Liter für 100 Kilometer. Das ist im Vergleich zum Normverbrauch, der bei glatten sechs Litern liegt, ein ordentlicher Wert. Reisen im Großraumabteil zum Sparpreis, würde man bei der Bahn wohl sagen.

In Sachen Komfort lässt die V-Klasse den VW Bulli fast alt aussehen

Ein Sparpreis ist leider nicht gerade die Summe, die Mercedes für die Anschaffung der V-Klasse aufruft. In der von uns gefahrenen Langversion kostet dieser Mercedes 49.670 Euro. Und dann ist da nicht sonderlich viel drin. Empfehlenswert ist die Ausstattungslinie „Avantgarde“, die knapp 6000 Euro zusätzlich kostet. Dann gibt es aber Leder für die Sitze, eine zweite Schiebetür, LED-Licht, adaptive Dämpfer sowie separat öffnende Heckscheibe. Wer nochmal 3000 Euro mehr übrig hat, bestellt die Version „Edition“ dazu und bekommt die meisten der feinen Assistenten, das Navi mit Burmester-Sound und die elektrische Heckklappe. Dann sind wir aber insgesamt bei fast 60.000 Euro angekommen. Wer dieses Geld investiert, bekommt ein Reise-Van vom Feinsten. Die Kombination aus überbordendem Platzangebot, einem kräftigen Diesel und jeder Menge Komfort im Inneren ist schon herausragend. So lässt es sich reisen - mit fünf, sechs oder sogar bis zu acht Personen, wenn hinten statt Einzelsitze die Sitzbänke verbaut sind. Da braucht sich die Mercedes V-Klasse keineswegs mehr hinter dem Bulli zu verstecken. Im Gegenteil: In Sachen Fahrdynamik ist der Stuttgarter dem Bulli mindestens ebenbürtig und in Sachen Komfort und Ambiente lässt er den Wolfsburger mittlerweile fast alt aussehen. Da braucht man keine Sorge mehr zu haben im Süden. Vielleicht werden in Stuttgart sogar die besseren Bullis gebaut.

Stärken

Üppiges Platzangebot

Sparsamer Motor

Hohe Qualitätsanmutung im Interieur

Schwächen

Hoher Preis, magere Serienausstattung

Leichte Wankbewegungen der Karosserie

Karosserie unübersichtlich

Konkurrenz

VW T6 Multivan

Ford Transit

Opel Vivaro

Technische Daten Mercedes V-Klasse 250d Bluetec Avantgarde Edition
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 5,14/1,93/1,88 Meter
Leergewicht 2120 Kilogramm
Kofferraumvolumen 1030/4630 Liter
Maximale Zuladung 655-905 Kilogramm
Sitzplätze 6
Tankvolumen 70 Liter
Motor Vierzylinder-Dieselmotor mit Direkteinspritzung und Turboaufladung, zwei oben liegende Nockenwellen
Hubraum 2143 Kubikzentimeter
Getriebe 7-Gang-Automatikgetriebe
Leistung (kW/PS) 140/190
Drehmoment 480 Newtonmeter bei 1750 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 11,8 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 206 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts/außerorts/kombiniert) 6,9/5,5/6,0 Liter
Verbrauch im Test 7,8 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 158 g/km / A
Typklassen (KH/VK/TK) 21/25/23
Preis als Basisfahrzeug 49.670 Euro
Preis des Testwagens 66.000 Euro

Paul Mühlenweg

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