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Mit neuem Charakter. Der Mégane ist in seinem Design immer noch ausdrucksstark, aber lange nicht mehr extrovertiert wie in früheren Zeiten.

© Hersteller

Fahrbericht Renault Mégane Energy dCi 130: Die französische Botschaft

Alles Golf in der Kompaktklasse? Das muss nicht sein, wie der Renault Mégane auf ganz französische Art zeigt. Dabei stammt das frische neue Design von einem Holländer - der sein Handwerk offensichtlich versteht.

Deutsche Autos gibt es schon genug. Nein, damit sind nicht nur die hierzulande produzierten Modelle deutscher Autofirmen gemeint. Auch viele ausländische Hersteller strebten und streben danach, ebenfalls „deutsche“ Autos anzubieten. Nicht selten scheiterten sie allerdings mit ihren Kopien. Was tun? Das neue Motto bei Renault lautet: Statt teutonischer Geradlinigkeit nun französischer Chic, außen wie innen. Französische Designer haben in der Vergangenheit automobile Trends gesetzt, die wegweisend in der Branche waren. Man denke nur an den Citroen DS 21, die Göttin, an die Ente, oder an den Renault R4. Beim neuen Mégane haben sich die Franzosen wieder auf ihre eigentliche Stärke besonnen: Autos mit Charme zu bauen. Designerstücke, die sich abheben von Golf und Co, die anders sind.

Interessanterweise ist kein Franzose an diesem entscheidenden Richtungsschwenk maßgeblich beteiligt, sondern ein Holländer. Seit 2009 ist Laurens van den Acker für das Design der neuen Renault-Modelle verantwortlich. Zuvor hatte er bei Ford und dann drei Jahre als Designchef von Mazda gearbeitet. Als er vor sechs Jahren zu Renault ging, war van den Acker erst 43 Jahre alt, was ihn neben Gorden Wagener (Mercedes) und Adrian von Hooydonk (BMW) zu einem der wichtigsten Vertreter der jungen Autodesigner-Generation macht. Mit dem Holländer ist eine neue Designlinie bei Renault eingezogen, die französisch, selbstbewusst, aber nicht überkandidelt ist. Ein neuer Renault fällt nun auf. Die Front prägen neben dem schmalen Grill mit prominentem Rhombus-Logo vor allem die sichelförmigen LED-Tagfahrlichter, welche den Mégane sofort erkennbar machen. Auch am Heck hat van den Acker, wie schon zuvor beim Mittelklassewagen Talisman, ein eigenständiges Designelement gefunden: die weit nach innen, fast bis zum großen Rhombus gezogenen Heckleuchten. Das ist neu und sieht vor allem in der Dunkelheit nach mehr aus.

So edel kam noch kein Renault Mégane daher

Dazu steht der 4,36 Meter lange Franzose viel dominanter auf der Straße. Er ist 6,5 Zentimeter länger und 2,5 Zentimeter flacher geworden. Außerdem fallen die Spurbreiten vorne wie hinten rund fünf Zentimeter breiter aus, was Optik und Fahrdynamik gleichermaßen zugute kommt. Der Radstand wächst um 2,8 Zentimeter auf 2,67 Meter. Dennoch bietet der neue Mégane beim Platzangebot gegenüber dem Vorgänger nur wenig mehr und liegt damit im guten Klassenmittel. Im Fond müssen auch großgewachsene Personen nicht den Kopf einziehen. Doch für die Knie wird es eng, wenn in der ersten Reihe von dem dort großzügigen Platzangebot Gebrauch gemacht wird. Auf Klassenstandard bewegt sich auch das Kofferraumvolumen mit 384 Litern (Opel Astra 370 Liter, VW Golf 380 Liter). Weniger gut: Das Gepäck muss über eine 72 Zentimetern hohe Ladekante gewuchtet werden, und nach dem Umklappen der Rücksitzlehne entsteht eine zehn Zentimeter hohe Kante.

Chefdesigner Laurens van den Acker und sein Team haben ganze Arbeit geleistet. Der frische Look tut dem Auto gut und macht ihn zu einer echten Alternative in der Kompaktklasse.
Chefdesigner Laurens van den Acker und sein Team haben ganze Arbeit geleistet. Der frische Look tut dem Auto gut und macht ihn zu einer echten Alternative in der Kompaktklasse.

© Hersteller

Mit eleganter Erscheinung allein gewinnt man der Golf-Klasse keine neuen Kunden. So haben sich die Franzosen besondere Mühe im Innenraum gegeben und zeigen, dass es auch anders als gewohnt geht. Solide Verarbeitung und hochwertige Materialien gehören ja nicht zu den Dingen, die man sofort mit französischen Autos verbindet. Hier hat Renault viel verbessert. Und mit Erfolg. So edel kam noch kein Mégane daher, und auch nicht so eigenständig. Zumindest in den höheren der insgesamt fünf Ausstattungslinien. Dass sich der Mégane die Technikarchitektur mit dem Talisman und dem Espace teilt, wirkt sich bei der Technik und den Assistenzsystemen als Vorteil aus: Neben dem adaptiven Tempomaten gibt es einen Tot-Winkel-Warner und einen Spurhalte-Assistenten. Das Head-up-Display ist zwar nur eine preisgünstige Klappscheiben-Variante, doch die ist hier besser als ihr Ruf und zeigt die Infos klar und gut sichtbar im Blickfeld an. Eine nützliche Sache.

Das Fahrwerk ist konventionell, aber komfortabel abgestimmt

Beim Infotainment bieten sie einerseits mehr als das Gewohnte, andererseits einen bösen Patzer. In höheren Ausstattungen montiert Renault den digitalen Tacho aus Espace und Talisman sowie einen hochkant stehenden 8,7 Toll großen Touchscreen, wie ihn bislang nur Tesla und Volvo in der Oberklasse anbieten. Darauf kann man tippen und wischen, so wie man das von seinem Smartphone gewohnt ist. Allerdings reagiert das Display zuweilen erst beim zweiten Fingerdruck. Und man muss sich in die verzweigte Struktur mit den vielen Untermenüs einarbeiten, um hinter alle Feinheiten und Möglichkeiten des von Renault R-Link 2 genannten Systems zu kommen. Mit ihm lässt sich auch die Multi-Sense-Applikation bedienen, quasi ein halber Fahrerlebnisschalter à la BMW. Man kann aus den vorprogrammierten Einstellungen Eco, Comfort, Neutral, Sport auswählen. Dann ändert sich zum Beispiel der Widerstand am Lenkrad oder die Schaltstrategie des Doppelkupplungsgetriebes. Wechselt man in den Sport-Modus, wird der Drehzahlmesser zentral eingeblendet und die Ambientebeleuchtung wechselt in Rot. Eine nette Spielerei. Weniger nett ist die Tatsache, dass sich das Infotainmentsystem dieses brandneuen Autos nicht mit Smarthones koppeln lässt, was in dieser Klasse bei neuen Autos fast schon die Norm ist. Weder Android Auto noch Appels Car Play ist an Bord - und wann diese Schnittstellen kommen, können die Franzosen noch nicht sagen.

Rundum aufgewertet: Im Innenraum haben sich die Franzosen besondere Mühe gegeben und auf solide Verarbeitung, hochwertige Materialien und ein Hauch modernen Chic gesetzt. So edel kam noch kein Mégane daher.
Rundum aufgewertet: Im Innenraum haben sich die Franzosen besondere Mühe gegeben und auf solide Verarbeitung, hochwertige Materialien und ein Hauch modernen Chic gesetzt. So edel kam noch kein Mégane daher.

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Sportliche Autos gibt es auch schon genug bei uns, wobei viele Hersteller sportlich mit hart gleichsetzen. Warum also auch hier keine Alternative anbieten? Ausgewogene Eleganz statt übertriebener Sportlichkeit, lautet die durchaus vernünftige Devise. Ein adaptives Fahrwerk wie seine großen Brüder Talisman und Espace bietet der Mégane zwar nicht, aber dafür ein konventionelles Fahrwerk vom Feinsten. Dank der breiten Spur liegt der Mégane satt auf der Straße und folgt sofort jedem Richtungsbefehl der direkten Lenkung. Die ausgewogene Feder-Dämpfer-Abstimmung ist auf der richtigen Spur: komfortabel im Wesen und dennoch straff genug, um keine Schwammigkeit aufkommen zu lassen. Es ist eine Freude, mit diesem Franzosen auf französische Art zu fahren. Bequem reisen, stressfrei rasen.

Voll überzeugt hat uns der nur 1,6 Liter Diesel

Dazu passt auch das Motorenprogramm: vernünftige Leistung, geringer Verbrauch. Es umfasst fünf Turbodiesel und vier Turbobenziner von 90 bis 205 PS, welche die Euro-6-Norm erfüllen und alle serienmäßig mit einer Start-Stopp-Automatik ausgerüstet sind. Wobei die stärkste Maschine dem GT vorbehalten ist. Merkwürdig: Der 130-PS-Benziner kann mit einem Siebenstufen-Doppelkupplungsgetriebe (1900 Euro) geordert werden, der 130-PS-Diesel aber nicht. Erst im Sommer folgt ein 165-PS-Selbstzünder mit einem Sechsstufen-Doppelkupplungsgetriebe. Und nächstes Jahr startet ein Diesel-Hybrid. Natürlich wird es auch wieder einen Grandtour geben, aber erst Mitte 2016.

Der Renault Mégane GT macht optisch klar einen auf Sportler, in Wirklichkeit ist er jedoch trotz seiner 205 PS kein reinrassiger GT. Auch hier geht Komfort vor Krawall. Das Doppelkupplungsgetriebe sorgt für einen runden Fahrstil.
Der Renault Mégane GT macht optisch klar einen auf Sportler, in Wirklichkeit ist er jedoch trotz seiner 205 PS kein reinrassiger GT. Auch hier geht Komfort vor Krawall. Das Doppelkupplungsgetriebe sorgt für einen runden Fahrstil.

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Wir sind die beiden stärksten Triebwerke gefahren: den 130-PS-Diesel (ab 25 090 Euro) und den 205-PS-Turbobenziner im GT (ab 29.090 Euro). Voll überzeugt hat uns der nur 1,6 Liter große Diesel. Er arbeitet extrem leise, selbst im noch kalten Zustand gibt er sich kaum als Selbstzünder zu erkennen. Dazu kommt ein Ansprechverhalten wie bei einem Benziner. Hellwach reagiert er auf das Gaspedal, und seine 320 Newtonmeter Drehmoment schon ab 1750 Touren erfordern nur selten den Griff zum präzisen Sechsgangschaltgetriebe. Selbst unter Last wird er nicht laut. Den Normverbrauch von glatt vier Litern verfehlten wir zwar bei unserer Fahrt mit 5,1 Litern, aber das ist dennoch ein guter Wert.

Der Renault Mégane kommt mit fünf Jahren Garantie

Der GT macht optisch klar einen auf Sportler, in Wirklichkeit ist er jedoch trotz seiner 205 PS kein reinrassiger GT. Auch hier geht Komfort vor Krawall. Das liegt nicht zuletzt an der eher komfortorientierten Auslegung des Autos mit dem serienmäßigen Doppelkupplungsgetriebe. Man findet schnell einen runden flotten Fahrstil, der frei ist von unnötiger Hektik. Und man freut sich auf die nächste Kurve, denn der GT hat - ein Novum in dieser Klasse - eine Allrad-Lenkung an Bord. Bei dieser „4control“ schlagen die Hinterräder bei niedrigen Geschwindigkeiten gegenläufig ein, um die Handlichkeit zu erhöhen. Bei höherem Tempo lenken sie in die gleiche Richtung, was nun die Stabilität erhöht. Das spürt man deutlich, und diese Technik gibt dem GT eine frisch-fröhliche Handlichkeit und zugleich eine Präzision in schnellen Wechselkurven, die man so nur selten findet. Das Ganze funktioniert unaufgeregt, aber die Wirkung ist schon erstaunlich. Später, so ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, soll diese Allradlenkung auch in die „normalen“ Mégane einziehen.

Der neue Mégane, der jetzt die fünf Sterne im Euro-NCAP-Test geschafft hat, ist zweifellos eine erfreuliche Bereicherung in der Kompaktklasse, weil er einen eigenen Weg geht. Nicht in jeder Hinsicht perfekt, aber in der Gesamtheit seiner Eigenschaften eine ernstzunehmende Alternative zum ewigen Golf-Anführer. Und mit einer französischen Botschaft: Es geht auch anders, mit Stil und Komfort. Sowie mit Vertrauen, denn Renault gewährt fünf Jahre Garantie bis zu 100.000 Kilometer auf das Auto. Da muss der Golf passen. Bestellt werden kann ab sofort. Ausgeliefert wird im März 2016. Das Basismodell mit 100 PS starkem Turbobenziner, serienmäßig schon mit Klimaanlage, Radio mit Bluetooth und USB-Anschluss, Tempomat und LED-Tagfahrlicht, kostet 16.790 Euro und damit keinen Cent mehr als der Vorgänger.

Richtig sportlich geht es ab 2017 los, wenn Renault wieder mit einem eigenen Formel-1-Werksteam antreten wird und wenn Renault mit dem Mégane RS, der mindestens 280 PS unter der Haube haben soll, zeigen will, dass die Franzosen auch Sport können.

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