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Groß und schwer: Der Opel Astra Sportstourer hat mit einem Leergewicht von mehr 1500 Kilo ganz schön was rumzuschleppen.

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Praxistest Opel Astra Sportstourer 1.6 CDTI: Schwer in Fahrt

Altes Modell mit neuem Motor - Vor der Wachablösung des Opel Astra Sportstourer Ende des Jahres wurde dem Rüsselsheimer schon mal der neue Flüsterdiesel mit an Bord gegeben. Kommt der Spar-Diesel mit dem schweren Brocken zurecht? Der Praxistest.

Der Wohlstand zeigt sich banal: 52 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland sind übergewichtig. Das belegen aktuelle Zahlen  des Statistischen Bundesamtes (Destatis) aus diesem Jahr. Das hat Folgen. Mehr Gewicht bedeutet weniger Spannkraft, mehr Anfälligkeit und höheren Energieverbrauch. Bei Mensch und Auto. Opel hat zwar den mittlerweile schon über fünf Jahre auf dem Markt befindlichen Astra immer wieder modernisiert – so mit hervorragendem Adaptivlicht oder mit aktuellen Fahrerassistenzsystemen. Am zu hohen Gewicht konnten die Opel-Techniker jedoch nichts ändern. So ist der Astra Sportstourer, mit 52 Prozent die beliebteste Karosserieform, gut 250 Kilogramm schwerer als der neue Peugeot 308 SW. Also dreht man bei Opel an einer anderen Stellschraube: dem Antrieb. Ein neuer 1.6 Liter großer CDTI, sauber nach Euro-6-Norm, ersetzt den alten 1,7-Liter-Diesel, dessen Grundkonstruktion auf eine Isuzu-Entwicklung aus den 90ern des vergangenen Jahrhunderts zurück geht. Kann das neue HighTech-Triebwerk dem schwergewichtigen Opel zu neuem Schwung verhelfen? Auf diese Frage antwortet unser Praxistest mit einer überraschenden Antwort.

Außen und Innen

Dieser Opel Astra Sports Tourer fühlt sich an wie ein Panzerschrank auf Rädern. Ein schwerer Junge im wahrsten Sinne des Wortes. Und ein stattlicher dazu. Dieser Kompaktklasse-Opel ist gut zehn Zentimeter länger als ein Mittelklasse-Mercedes C-Klasse T-Modell!

Die ausladende Armaturenlandschaft, die auch in einem Van eingebaut sein könnte, verstärkt den Eindruck, ein gewichtiges Auto zu fahren. Man fühlt sich als Kapitän der Landstraße und schaut auf ein Cockpit mit sehr vielen, teils sehr kleinen Knöpfen. Da muss man sich erst zurechtfinden. Dass der Astra schon vor fünf Jahren auf den Markt kam, erkennt man am pixeligen Info-Display und am nicht mehr ganz taufrischen Navigationssystem. Die neuen Adam und Corsa zeigen, dass es Opel viel besser kann. Damit lässt sich aber im Astra leben. Die Verarbeitung hingegen wie auch die Materialauswahl sind auf dem besten Stand der Dinge in dieser Klasse. Da fühlt man sich wohl – und freut sich auf die nächste Reise.

Sitzen und Laden

Beim Raumangebot wird klar,  dass dieses wuchtige Armaturenbrett gut zehn Zentimeter an Innenraum kostet. Während man vorn geradezu fürstlich Platz hat, wird es in der zweiten Reihe ungewöhnlich knapp für ein Auto dieser Größe. Vor allem die Beinfreiheit ist schlechter als in einem 14 Zentimeter kürzeren VW Golf Variant.

Die vorderen Sitze sind absolute Spitze. Für 390 Euro Aufpreis darf der Fahrersitz das Gütesiegel „Aktion Gesunder Rücken“ tragen – und zwar zu Recht. Man fühlt sich wie in Abrahams Schoß sicher und bequem aufgehoben. Für Vielfahrer ein Muss. Beide AGR-Vordersitze kosten zusammen 685 Euro. Im Fond reist man nicht ganz so erster Klasse, weil die Bank recht tief eingebaut ist: gut für die Kopffreiheit, schlecht für die Sitzhaltung.

Allerdings bringt es der Opel Astra Sportstourer auch auf eine stattliche Länge von 4,70 Metern.
Allerdings bringt es der Opel Astra Sportstourer auch auf eine stattliche Länge von 4,70 Metern.

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Beim Kapitel Laden sieht es durchwachsen aus. Mit dem Kofferraumvolumen von 500 bis 1550 Litern rangiert er am unteren Ende der Kompaktkombis. Ein kürzerer VW Golf Variant zum Beispiel bietet 605 bis 1620 Liter. Im Nu lässt sich die asymmetrisch geteilte Rücksitzlehne des Astra zwar umklappen,  doch dann entsteht keine ebene Ladefläche. Dafür liegt die Ladekante mit 64 Zentimetern rückenfreundlich niedrig. Trotz des hohen Leergewichts von 1518 Kilogramm darf der Sports Tourer mit 582 Kilogramm vergleichsweise viel zuladen. Das Gesamtgewicht des Kompaktklasse-Kombis beträgt dann 2,1 Tonnen! Gut: Mit FlexFold (195 Euro) lassen sich die Rücksitzlehnen per Hebel schnell entriegeln, und per FlexOrganizer-Paket (125 Euro) lässt sich der Kofferraum mittels Schienensystem und Netzen praktisch unterteilen. Schlecht: Eine höhenverstellbare dritte Kopfstütze im Fond kostet 50 Euro extra.

Fahren und Tanken

Je länger man mit diesem Opel fährt, desto mehr nimmt einen dieser auf seine besondere Weise für sich ein. Dieser schwergewichtige Kompakte ist ein sehr guter Reisewagen für lange Touren. Kein optimales Auto für wuseliges Stadtgeschlängel und enge Parkhäuser. Mit seinem Wendekreis von über elf Metern eher unhandlich – und mit seinem 1,6er Diesel kein Ampelsprinter. Das nutzbare Drehzahlband ist laut Papierwerten mit einem Bereich von 1750 bis 2000 Touren ungewöhnlich eng. In der Praxis jedoch überrascht dieser neue Diesel mit seiner Elastizität bei gleichzeitig fehlendem Turboloch. Begleitet vom hörbaren,   aber dezent-lustigem Laderpfeifen zieht das Treibwerk bereits kurz über 1000 Touren sauber hoch, wenngleich auch mit bescheidenem Punch. Bei diesem Motor sollte man seine Scheu vor niedrigen Drehzahlen ablegen. Die Höchstleistung wird bei niedrigen 3500 U/min erreicht. Damit lädt dieser Opel zu stressfreiem, dennoch flotten Reisen ein. Da triff es sich gut, dass dieser Selbstzünder zu den leisesten seiner Art gehört. Quasi ein Flüsterdiesel. Und deutlich leiser als der 1.6er Diesel des VW-Konzerns. Überdurchschnittlich gut agiert auch die serienmäßige Start-Stopp-Automatik im Astra: schnell, unauffällig und beflissen gleichermaßen. Deutlich besser als das System von VW.

Am Cockpit und vor allem der Mittelkonsole ist zu erkennen, dass der Opel Astra Sportstourer noch der älteren Generation angehört. Die Knöpfchenflut in der Mitte hat Opel mittlerweile in den griff bekommen.
Am Cockpit und vor allem der Mittelkonsole ist zu erkennen, dass der Opel Astra Sportstourer noch der älteren Generation angehört. Die Knöpfchenflut in der Mitte hat Opel mittlerweile in den griff bekommen.

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Seine wahren Qualitäten demonstriert der große Opel erst bei Reisetouren über Land und vor allem auf langen Autobahntouren. Da ist er in seinem Element, und da ist er besser als die meisten seiner Klasse. Ja, selbst ohne die teure elektronische Dämpferverstellung FlexRide (980 Euro extra) federt dieser 1,6-Tonnen-Opel so elegant wie kaum ein anderer. Er ist nicht der Kurvenflitzer vorm Herrn,  dafür aber der Flickenteppichglattbügler.

Der neue 110-PS-Diesel ist nicht nur flüsterleise, sondern auch überraschend sparsam. Bei normalem Landstraßentempo zeigt der Bordcomputer 4,8 Liter an, bei konstant 130 km/h sind es nur 5,3 Liter. Bei Tempo 150 auf der Autobahn sind es 6,5 Liter, und im Schnitt auf den insgesamt 1500 Testkilometern lediglich 5,6 Liter. Damit unterbietet dieser schwergewichtige Opel-Diesel beim realen Verbrauch sogar federleichte Kleinwagen. Gut: Bei diesem Motor ist das elektrische Schnellheizsystem Qickhead serienmäßig; das Auto wird im Winter schneller warm als bei anderen effizienten Dieselmotoren. 

Hören und Sehen

Der große Opel Kombi gehört nicht zu den  übersichtlichen Autos: vorn die dicken A-Säulen, die beim Abbiegen hinderlich sind,  hinten die nicht sehr große Heckscheibe. Gut, dass hintere Parkpiepser in der Exklusiv-Version serienmäßig sind.

Meistens hört man in diesem sehr gut gedämmten Auto so gut wie nichts vom Motor. Auch die Abrollgeräusche halten sich vornehm zurück, denn das Auto ist sorgsam gedämmt. Dafür klingt das serienmäßige Radio mit seinen sechs Lautsprechern richtig gut.

Wählen und Zahlen

Unser Testwagen kam in der höchsten Ausstattung Exklusiv – bis auf die optionalen Fahrerassistenzsysteme mit allem an Bord, was Fahren bequem und sicher macht. Das hat seinen Preis: 26200 Euro. Los geht es zwar schon in der Ausstattung Selection ab 21740 Euro, doch da fehlt einiges an Ausstattung. Lohnt sich nicht. Eher schon die nächste Ausstattungsversion Edition, die 1960 Euro mehr kostet, aber schon eine hintere Einparkhilfe, vier elektrische Fensterheber, Tempomat, Radio mit sechs Lautsprechern, Lederlenkrad und Bordcomputer besitzt. Wie heutzutage üblich, lässt sich auch der Astra Sports Tourer für einige tausend Extra-Euro aufrüsten: 850 Euro für das Assistenz-Paket mit Parkassistenten inklusive Parklückenerkennung und einem Tot-Winkel-Warner. 790 Euro für das geniale und Opel-exklusive FlexFix-Fahrradträgersystem für bis zu vier Fahrräder, das sich aus dem hinteren Stoßfänger herausziehen lässt. 700 Euro für die Frontkamera der zweiten Generation mit Abstandsanzeige, Verkehrsschild- und Spurassistent und Verkehrsschilderkennung. Oder 1250 Euro für das empfehlenswerte Adaptive Fahrlicht AFL mit variabler Lichtverteilung für Stadt, Landstraße, Autobahn oder schlechtes Wetter.

Einzigartig praktisch ist immer noch der integrierte Fahrradträger Flexride, den es auch für den Opel Astra Sportstourer gibt.
Einzigartig praktisch ist immer noch der integrierte Fahrradträger Flexride, den es auch für den Opel Astra Sportstourer gibt.

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Nur eine Automatik gibt es für diesen Opel mit 110-PS-Diesel nicht für Geld und gute Worte. Eine Sechsstufenautomatik kann nur in Verbindung mit dem 2.0-Diesel mit 165 PS geordert werden – für einen Gesamtmehrpreis von 4040 Euro! Heftig ist auch der Aufpreis für den „gedopten“ 1.6er Diesel mit 136 PS: 1600 Euro für 26 PS mehr.

Gutes und Schlechtes

Schweres Auto und kleiner Diesel? Kann das gut gehen? Im Falle des Opel Astra sogar sehr gut. Klar, dieser schwere Kombi ist mit dem 110-PS-Diesel kein Sportler, dafür aber ein sehr guter Dauerläufer. Und einer mit  überraschend kleinem Durst. Die Niedersachsen werben mit dem Slogan: „Volkswagen. Das Auto.“ Die (amerikanischen) Hessen könnten  glatt mit diesem Slogan für ihren Kombi werben: „Der Astra. Das Reiseauto.“

Dieser seit fünf Jahren produzierte Astra Sports Tourer ist ein ausgereiftes Auto, bei dem man eigentlich nichts falsch machen kann. Nur: Der Bessere ist des Guten Feind – und Ende dieses Jahres kommt die nächste Astra-Generation, die zwei Mängel der derzeitigen ausmerzt: das zu hohe Gewicht und die schlechte Raumausnutzung.

Übrigens: Der Opel Astra der aktuellen Generation ist weitaus besser als sein alter schlechter Ruf. Höchste Zeit für alle Skeptiker, alte Vorurteile über Bord zu werfen. Denn die Zahl der mängelfreien Astra liegt in allen geprüften Jahrgängen deutlich über dem Durchschnitt. Wer ein gut gepflegtes Exemplar mit akzeptablem Kilometerstand findet, macht in der Regel auch mit dem Kauf eines gebrauchten Astra keinen Fehler.

Stärken

Hoher Fahrkomfort

Sehr gute Sitze

Überzeugender Antrieb

Schwächen

Hohes Leergewicht

Unübersichtliche Karosserie

Keine Automatik für 1.6er

Die Konkurrenz

VW Golf Variant

Skoda Octavia Combi

Peugeot 308 SW

Technische Daten Opel Astra Sports Tourer 1.6 CDTI  Exklusiv
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,70/1,81/1,54 Meter
Leergewicht 1518 Kilogramm
Kofferraumvolumen / umgelegte Rückbank 500 / 1550 Liter
Maximale Zuladung 582 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 56 Liter
Motor Reihen-Vierzylinder-Diesel-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, Start-Stopp-Automatik serienmäßig  
Hubraum 1598 Kubikzentimeter
Getriebe 6-Gang-Handschaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 81/110
Drehmoment 300 Newtonmeter bei 1750 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 12,0 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 186 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) 3,9/3,5/3,7 Liter
Verbrauch im Test 5,6 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 97 g/km / A+
Typklassen (KH/VK/TK) 17/20/17
Preis als Basisfahrzeug 21 740  Euro
Preis des Testwagens 31 570 Euro

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