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Spanischer Polo oder doch eher Golf GTi? Der Seat Ibiza hat ein wenig von beidem und dabei seinen ganz eigenen, frechen Charme.

© Rainer Ruthe

Praxistest Seat Ibiza FR 1.0 EcoTSI: Der GTi der Neuzeit?

Vieles am neuen Seat Ibiza erinnert an den legendären Golf GTi, der mit seinen sportlichen Genen und 110 PS in den 1970er Jahren zum echten Star unter den Kleinwagen avancierte. Wieviel GTi steckt im kleinen Spanier?

Fast 40 Jahre liegen zwischen dem mittlerweile schon legendären VW Golf GTi und dem Seat Ibiza FR 1.0 EcoTSI. Zwei ganz unterschiedliche Autos, und doch haben sie eines gemeinsam. Die Motorleistung von 110 PS. Damals war das sehr viel, heutzutage ist das eher normal. Der GTi von 1974 hatte einen 1,6 Liter-Saugbenziner mit der mechanischen Einspritzanlage K-Jetronic von Bosch unter der Haube. Bei einem Leergewicht von 810 Kilogramm erbrachte der erste Golf GTI mit seinen 110 PS Fahrleistungen, die mit denen damaliger kleiner Sportwagen vergleichbar waren. Die Höchstgeschwindigkeit wurde mit 182 km/h angegeben, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h mit 9,2 Sekunden, der Verbrauch mit acht Litern Normalbenzin benannt. In der Praxis pegelte sich der wahre Konsum zwischen neun und zehn Litern pro 100 Kilometer ein. Und fast 40 Jahre später? Wächst das Gewicht um 219 Kilogramm, steigt die Höchstgeschwindigkeit um 15 km/h, verkleinert sich der Hubraum um 0,6 Liter und sinkt der Normverbrauch um 3,7 Liter! Sicher ist dieser Ibiza FR nicht mit dem ersten Golf GTi gleichwertig, dennoch gibt es Parallelen. Wir haben sie gesucht im Praxistest des Seat Ibiza FR 1.0 EcoTSI Start&Stop, der in der von uns gefahrenen Version immerhin über 22.000 Euro kostet.

Außen und Innen

Der Seat Ibiza ist quasi der spanische Polo, allerdings deutlich sportlicher und frecher. Bei der Überarbeitung des kleinen Seat vor gut einem Jahr steckten die Spanier einfach neue Technik unters alte Blech. Die Karosserie blieb nahezu unangetastet. Lediglich die Scheinwerfer haben mit der Frischzellen-Kur LED-Tagfahrlichter bekommen. Und mit den neu angebotenen Color-Packs können Kunden nun den Kühlergrill-Rahmen, die Spiegelkappen und die Alu-Räder farblich individualisieren. Nette Farbtupfer im Kleinwagen-Einerlei. Bei unserem Testwagen sind sie schwarz. Das passt gut zum Sonderlack Emotion Rot.

Erfolgreich "leonisiert": Das Cockpit des neuen Seat Ibiza wurde in vielen Details aufgewertet. Das unterschäumte Instrumentenpanel zeigt nun edel wirkende Instrumente aus dem Leon, die weiß beleuchtet sind.
Erfolgreich "leonisiert": Das Cockpit des neuen Seat Ibiza wurde in vielen Details aufgewertet. Das unterschäumte Instrumentenpanel zeigt nun edel wirkende Instrumente aus dem Leon, die weiß beleuchtet sind.

© Rainer Ruthe

Auffälliger für den Kenner sind die Verbesserungen im Innenraum. Das Cockpit wurde mit „Leon-Anleihen“ aufgewertet. Es gibt ein neues Volant, das wie bei Audi unten abgeflacht ist und gut in der Hand liegt. Ferner umrandete Lüftungsdüsen im Audi-Stil, ein teilweise unterschäumtes Instrumentenpanel mit edel wirkenden Instrumenten aus dem Leon, die nun weiß beleuchtet sind. Die Mittelarmlehne befindet sich in genau der richtigen Höhe. Der rechte Ellenbogen kann entspannt darauf ruhen, und die Gänge lassen sich locker aus dem Handgelenk heraus wählen. Vor allem auf längeren Strecken ist das eine feine Sache. Und auch innen kann man jetzt seine eigenen farbigen Akzente setzen: Die Mittelbahn der Komfortsitze, die Dekoreinlage im Lenkrad und die Einfassung der Lüftungsdüsen lassen sich in drei verschiedenen Farben ordern. Das findet man auch nicht so häufig in dieser Kleinwagenklasse.

Viel mehr hat sich unterm Blech getan. Da sollte der Ibiza laut Seat-Entwicklungschef Matthias Rabe „leonisiert“ werden. Der Leon ist derzeit Seats Zugnummer, bringt neuen Schwung, verbessertes Image sowie hoffnungsvolle Verkaufszahlen. Davon soll nun auch der ehemalige Seat-Star Ibiza profitieren. Und wie der sich im Praxistest geschlagen hat, scheint dies keine unerfüllbare Hoffnung zu sein. Der Kleine sieht außen wie auch innen jetzt gut aus, und er macht auch ohne übertriebenen technischen Aufwand Spaß, wie noch festzustellen sein wird.

Sitzen und Laden

Für einen Kleinwagen sind die Frontsitze spitze. Denn die Topversion Ibiza FR besitzt serienmäßig Sportsitze mit guter Abstützung und recht langer Schenkelauflage, die uneingeschränkt langstreckentauglich sind und die auch bei einer sportlichen Fahrweise guten Halt geben. Es macht einfach Freude, sich von ihnen umschließen zu lassen. In der zweiten Reihe geht es nicht ganz so gut weiter. Die Fondsitzbank ist recht tief eingebaut, die Sitzhaltung für große Passagiere nicht optimal. Und die 60 Euro Aufpreis für die dritte Kopfstütze kann man sich sparen, denn der schmale Mittelplatz hat sich im Praxistest als so unbequem erwiesen, dass man ihn selbst Kindern nur auf kurzen Strecken zumuten möchte.

Licht und Schatten finden wir auch beim Kofferraum, dessen Größe (292 bis 938 Liter) eher unter dem Klassendurchschnitt liegt. Vielmehr stört, dass er doch sehr zerklüftet ist. Innen gibt es eine gut 20 Zentimeter tiefe Stufe, und die Ladekante fällt mit 70 Zentimetern vergleichsweise hoch aus. Klappt man die Rücksitze um, sieht man auf den unverkleideten Schaumstoff der hochgeklappten Rücksitzfläche. Das ist kein schönes Bild. Und dann stört man sich an der gut fünf Zentimeter hohen Stufe vor den umgeklappten Rücksitzen. Da tröstet zumindest die mit 566 Kilogramm sehr hohe maximale Zuladung.

Fahren und Tanken

Die technischen Neuerungen haben sich auf das Fahrwerk konzentriert. Denn das besaß bislang einen Makel: Es war einfach zu hart für diese Klasse. So holperte der Kleine zuweilen unfein über Steine und Kanten und malträtierte seine Passagiere. Die Seat-Techniker haben Federn, Dämpfer und Stabilisatoren komplett neu abgestimmt – und ein gutes Händchen dabei gehabt. Jetzt rollt der Ibiza spürbar sanfter ab. Selbst das beim FR serienmäßige Sportfahrwerk verdaut nun selbst gröbere Stöße, wenn auch die Grundabstimmung sehr straff geraten ist. Und dieses Manko wird noch verschärft durch die 17-Zoll-Winterräder mit ihrem flachen 40er Querschnitt und der damit verbundenen geringen Eigendämpfung.

Der Fahrer kann für nur 310 Euro Aufpreis bei der adaptiven Fahrwerksregelung DCC zwischen den Fahrmodi Comfort und Sport wählen. In dieser Kleinwagenklasse ist das noch eine Seltenheit und so ein Alleinstellungsmerkmal für den sportlichen Spanier, der sich im Praxistest als ausgesprochen kurvengierig und kurvenwillig erwiesen hat. Der Drive-Select-Wahlschalter beeinflusst zudem die Intensität der Lenkunterstützung, welche dank einer elektronischen Neujustierung jetzt in der Normallage deutlich präziser arbeitet. Die Gesamtkomposition Federung, Handlichkeit, Präzision, Spurstabilität hat ein Maß erreicht, das in dieser Klasse nicht häufig anzutreffen ist. Damit mischt der kleine Spanier in der Kleinwagen-Klasse ganz vorn mit. Zusätzlich zu den verstellbaren Dämpfern erhöht die im FR serienmäßige elektronisch geregelte Differentialsperre XDS die Stabilität des Fronttrieblers beim Herausbeschleunigen aus scharf gefahrenen Kurven. Da ist der Kleine ganz GTi.

Kräftig, kultiviert und sparsam: Der neue Dreizylinder-Turbobenziner mit 1 Liter Hubraum und 110 PS verbrauchte auf den insgesamt 2300 Testkilometern im Schnitt 5,5 Liter. Das ist schon Dieselniveau und aller Ehren wert.
Kräftig, kultiviert und sparsam: Der neue Dreizylinder-Turbobenziner mit 1 Liter Hubraum und 110 PS verbrauchte auf den insgesamt 2300 Testkilometern im Schnitt 5,5 Liter. Das ist schon Dieselniveau und aller Ehren wert.

© Rainer Ruthe

Das gegenwärtig so angesagte Downsizing-Prinzip funktioniert im Ibiza sehr gut. Der neue Dreizylinder-Turbobenzindirekteinspritzer ist kräftig, kultiviert – und sparsam. Die realen Verbräuche des 110 PS starken Einliter-Motörchens zeigen den Fortschritt gegenüber dem gleich starken Ur-GTi, der seinerzeit zwischen neun und zehn Litern konsumierte, allerdings günstiges Normalbenzin. Der moderne Winzling verbrauchte auf den insgesamt 2300 Testkilometern statt der von Seat versprochenen 4,3 Liter Super im Schnitt 5,5 Liter. Das ist schon Dieselniveau und aller Ehren wert. Bei einer Sparfahrt mit leichtem Gasfuß und ausgeschalteter Klimaanlage waren es bei Landstraßentempo gar nur 4,5 Liter, ohne dass man dabei zu langsam unterwegs war. Bei Tempo 80 dreht sich die Kurbelwelle des Dreizylinders im sechsten Gang ganze 1600 Mal in der Minute. Und selbst flotte Autobahnetappen zwischen 150 und 160 km/h, bei denen sich der Winzling gut schlug, trieben den Durchschnittsverbrauch nicht über sieben Liter. Mit gar nicht mal so langem Anlauf zeigte der Tacho sogar 205 km/h an. Nicht zeitgemäß hingegen ist der Umstand, dass der Tankdeckel mit dem Zündschlüssel geöffnet werden muss, eine richtig umständliche Angelegenheit, die immer wieder aufs Neue ärgert.

Hören und Sehen

Ein Dreizylinder klingt nun mal anders als ein Vierzylinder. Im Stand und bei niedrigen Geschwindigkeiten outet der sich mit seiner ungeraden Zylinderzahl, in dem er schnarrt, eben das typische Dreizylinder-Nähmaschinengeräusch von sich gibt. Doch das ist nicht aufdringlich und das verliert sich auch schnell. Spätestens bei Landstraßentempo und mehr noch auf der Autobahn hat man nicht mehr das Gefühl, dass nur drei Zylinder unter der Haube arbeiten.

Ab Tempo 150 überdecken die Windgeräusche den Sound des Winzlings. Dem Doppelauspuff entweicht ein heiserer Sound, der irgendwie sympathisch klingt. Und die Sicht? Die ist besser als die sportliche Form befürchten ließ. Den Blick nach vorn stört das schön flach bauende Cockpit nur wenig, auch nach den Seiten ist die Sicht gut. Nur nach schrägt hinten fällt sie wegen der ansteigenden Fensterlinie schlechter aus. Doch das kompensiert die sehr gute Rückfahrkamera mit ihren klar zuordnungsbaren Hilfslinien für akzeptable 270 Euro. Der 4,04 Meter lange Ibiza lässt sich dank seiner Übersichtlichkeit auch im dichten Großstadtdschungel gut durchzirkeln.

Wählen und Zahlen

Mit der von uns gefahrenen Version mit dem 110 PS starken Dreizylinder (ab 18040 Euro) hat man sozusagen den goldenen Mittelweg gewählt. Für 750 Euro weniger bietet Seat zwar noch eine leistungsreduzierte Version mit 15 PS weniger und nur einem Fünfgang-Schaltgetriebe an, doch so richtig Sinn macht das eigentlich nicht. Auf der anderen Seite wird man auch nicht so richtig fündig: Gar 2400 Euro Aufpreis kostet der Ibiza mit 40 PS mehr Leistung. Über die insgesamt 2300 Testkilometer hat sich der 110 PS starke Ibiza als kompetenter und völlig ausreichend schneller Fast-GTi erwiesen. Dessen Vorteil liegt in der nahezu idealen Balance zwischen Kraft und Saft. Er ist schnell, säuft jedoch nicht. Was will man mehr in diesen Zeiten?

GTi der Neuzeit? Ja, denn trotz seines kleinen Dreizylinder-Turbos hat der Spanier ausreichend Feuer, um das Herz zu erwärmen.
GTi der Neuzeit? Ja, denn trotz seines kleinen Dreizylinder-Turbos hat der Spanier ausreichend Feuer, um das Herz zu erwärmen.

© Rainer Ruthe

Der freche Ibiza Kleinwagen ist vor allem bei jungen Käuferinnen (47 Prozent sind weiblich) beliebt. Deswegen dürfen Infotainment und natürlich die einfache Smartphone-Anbindung nicht fehlen. Zusätzlich zum Media System Plus mit 6,5-Zoll-Touchscreen (285 Euro) und Navi (400 Euro) gibt es das optionale Full-Link-System. Für 170 Euro vereint dieses System Mirror-Link, Android Auto und Apple Car-Play und ermöglicht somit das Spiegeln von Smartphones auf dem großen Berührungsbildschirm. Allerdings funktioniert dies erst ab iPhone 5 und ab Android 5.0. Ältere Geräte und Systeme werden nicht unterstützt.

Gutes und Schlechtes

Die eingangs gestellte Frage, ob dieser 110 PS starke Ibiza so etwas wie der GTi der Neuzeit sein könne, lässt sich mit einem recht klaren Ja beantworten. Trotz seines kleinen Dreizylinder-Turbos hat der Spanier ausreichend Feuer, um einem das Herz zu erwärmen. Beim heutigen dichten Straßenverkehr und den vielen Limits auf den Autobahnen reichen die 110 PS in den meisten Fällen aus. Allerdings muss man beim FR das sehr straffe Sportfahrwerk in Kauf nehmen. Wer das nicht will, wählt die Version Style (ab 18930 Euro), die spürbar verbindlicher federt, allerdings nicht ganz so sportlich daher kommt. Und wem das FR-Modell doch zu wenig GTi zu sein scheint, der kann ab sofort auch das Cupra-Modell vom Ibiza bestellen. Dieser stärkste Ibiza aller Zeiten besitzt stramme 192 PS, erreicht in 6,7 Sekunden aus dem Stand Tempo 100 und läuft 235 Spitze. Seat darf also auch wieder Sport – und kann das sehr gut. Erst ab 23.060 Euro geht es hier los, und damit fährt der schnellste Ibiza beim Preis schon ohne Extras locker und deutlich aus der Kleinwagen-Ecke raus.

Stärken
Individueller Auftritt
Sehr gute Fahrstabilität
Großer Spaßfaktor
Schwächen
Zerklüfteter Kofferraum
Kleiner Tank
Recht straffe Abstimmung
Konkurrenz
VW Polo
Skoda Fabia
Hyundai i20

Technische Daten Seat Ibiza FR 1.0 EcoTSI Start&Stop
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,08/1,69/1,44 Meter
Leergewicht 1109 Kilogramm
Kofferraumvolumen 292/938 Liter
Maximale Zuladung 566 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 45 Liter
Motor Dreizylinder-Ottomotor mit Direkteinspritzung und Turboaufladung, vier Ventile pro Zylinder
Hubraum 999 Kubikzentimeter
Getriebe 6-Gang-Handschaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 81/110
Drehmoment 200 Newtonmeter bei 2000 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 9,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 197 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts/außerorts/kombiniert) 5,2/3,8/4,3 Liter
Verbrauch im Test 5,5 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 99 g/km /B
Typklassen (KH/VK/TK) 16/18/20
Preis als Basisfahrzeug 18.740 Euro
Preis des Testwagens 22.270 Euro

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