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Offenbar eifert der Seat Leon X-Perience dem Erfolg des Konzernbruders Skoda Octavia Scout nach. Der Leon Kombi wurde kurzerhand zum hochbeinigen Abenteuer-Kombi aufgerüstet.

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Praxistest Seat Leon X-Perience 2.0 TDI: SUV auf halber Höhe

Ein Kombi im Ofroad-Kleid – das ist derzeit schwer in Mode. Deshalb schickt Seat nach dem Altea nun auch den Leon mit Plastikbeplankung ins Feld. Passt das auch für den eher sportlichen Spanier?

Offenbar ist den Spaniern der Erfolg des abenteuerbeplankten Konzernbruders Skoda Octavia Scout nicht entgangen. SUV sind derzeit in, warum also nicht einen normalen Kombi zum hochbeinigen Abenteuer-Kombi aufrüsten, welcher auch ein Stück Freiheit und Ungebundenheit mit transportiert? Was andere können, das können wir auch – sagten sich die Seat-Entwickler und schufen so nach Fünf- und Dreitürer, Kombi und dem Sportmodell Cupra mit dem X-Perience bereits die fünfte Spielart des Leon. Dieser kostet mindestens 28.750 Euro und ist damit rund zehn Prozent teurer als der normale Leon-Kombi mit Allradantrieb. Eine kostspielige Sache also.

Lohnt sich der Aufpreis, und ist der hochgebockte Allradler im Abenteuer-Dress wirklich ohne Einschränkungen alltagstauglich? Diese Fragen beantwortet unser Praxistest mit dem Seat Leon X-Perience mit 150 PS starkem Diesel und Sechsgang-Handschaltung, für den immerhin mit zahlreichen Extras mehr als 35.000 Euro hingeblättert werden müssen.

Außen und Innen

Optisch macht der Seat Leon X-Perience mit robusten Verkleidungen von Schürzen, Radhäusern und Türschwellern zwar einen auf harter Bursche, wie es auch Audi A4 und A6 Allroad, VW Golf Alltrack und Co tun. Doch haben die Seat-Designer einen geschickten Trick gefunden, um das Auto dennoch sportlich aussehen zu lassen. Der obere Teil der Karosserie wurde nicht verändert, so dass auch der Abenteuer-Leon optisch nahe am eleganten Normal-Kombi liegt. Die Karosserie wurde um exakt 27 Millimeter höher gelegt, womit in Verbindung mit den bei unserem Testwagen montierten 18-Zoll-Rädern, übrigens für sehr günstige 450 Euro, der gewünschte Abenteuer-Auftritt erreicht wird.

Keine großen Raubtiersprünge: Innen bleibt der X-Perience nahe am normalen Leon. Das heißt übersichtliches Cockpit mit guter Materialauswahl und sorgfältiger Verarbeitung.
Keine großen Raubtiersprünge: Innen bleibt der X-Perience nahe am normalen Leon. Das heißt übersichtliches Cockpit mit guter Materialauswahl und sorgfältiger Verarbeitung.

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Auch innen bleibt der X-Perience nahe am normalen Leon. Das heißt übersichtliches Cockpit mit guter Materialauswahl und sorgfältiger Verarbeitung. Exklusiv besitzt der X-Perience exzellente Sportsitze, welche bei unserem Testwagen für ebenfalls günstige 550 Euro dank des Alcantara-Stoff-Leder-Pakets in Mokkabraun auch optisch einen guten Eindruck hinterlassen.

Sitzen und Laden

An dieser Stelle nur ein Satz zu den Sportsitzen: Sie gehören zum Besten, was man in dieser Klasse derzeit bekommt. Zusammen mit den vielfältigen Einstellmöglichkeiten (Sitze und Lenkrad) ergibt sich für jeden eine optimale, langstreckentaugliche Arbeitsposition. Auch im Fond reisen zumindest zwei Erwachsene recht komfortabel mit ausreichender Bein- und Kopffreiheit. Der Seat Leon X-Perience ist zwar kein Raumriese, aber ein Kombi mit ausreichendem Platz. Der immerhin 587 Liter große Gepäckraum lässt sich spielend auf 1470 Liter erweitern. Es genügt, an einem Hebel zu ziehen, und die Rücksitzlehnen klappen automatisch um. Die Ladefläche ist zwar nicht ganz eben, aber dank doppeltem Boden variabel. Wird beispielsweise die Gepäckraumabdeckung nicht benötigt, verstaut man sie einfach unter dem Laderaumboden. Die Ladekante liegt bei rückenfreundlichen 68 Zentimetern, und sie wird geschützt von einem stabilen Chromeinsatz. Und mit 1,05 Meter Breite lassen sich auch sperrige Gegenstände mühelos im Seat-Koffferraum verstauen.

Fahren und Tanken

Großartige Geländegängigkeit sollte man von diesem SUV auf halber Höhe nicht erwarten. Dank 27 Millimeter Höherlegung beträgt die Bodenfreiheit nun 171 Millimeter. Zum Vergleich: Ein Skoda Yeti bringt es auf 180, ein Range Rover gar auf 292 Millimeter. Neben der Beplankung und angetäuschten, weil keinem echten Unterfahrschutz hat dieser Seat immerhin zusätzliche Abdeckungen im Unterboden an Bord, die Brems- und Kraftstoffleitungen bei allzu wilden Ausflügen in leichtes Gelände schützen sollen. Doch das werden wohl die wenigsten tun. Also lieber auf der Straße bleiben.

Trotz seiner Höherlegung präsentiert sich hier der X-Perience als extrem kurvenfreundlicher Kombi, der mittels seiner direkten Lenkung und des straffen Fahrwerks mit wenig Seitenneigung ungewohnt flott Biegungen aller Art nimmt. Egal wie eng man die Kurven fährt oder wie schmierig die Straße ist, der Leon bleibt dank gleichmäßiger Kraftverteilung zwischen den beiden Achsen völlig gelassen. Das Geheimnis? Der Allradantrieb 4Drive. Die Seat Ingenieure durften den modernsten Allradantrieb aus dem VW-Regal auswählen – das Haldex-System der fünften Generation.

In der Regel fließt die Kraft nur zu den Vorderrädern, was Kraftstoff spart. Doch sobald dort Grip fehlt, schalten sich automatisch die Hinterräder zu. „Ein Traktionsverlust kann nahezu ausgeschlossen werden“, erklärt ein VW-Techniker auf Anfrage. Deshalb könne man auch guten Gewissens von einem permanenten Allradantrieb sprechen. Über alles wacht die Elektronik, im ESP sind elektronische Differentialsperren integriert, die Kraft wird stets optimal auf alle vier Räder verteilt. In schnellen Kurven werden die inneren Räder abgebremst, sobald die Elektronik registriert, dass das eines oder mehrere Räder zu sehr entlastet werden. So wird das Fahr- und Lenkverhalten optimiert. Das alles geschieht geräuschlos und unauffällig, im normalen Fahrbetrieb ist vom elektronisch geregelten Allradantrieb nichts zu spüren. Halt, auf unserer Testfahrt war doch etwas zu spüren. Nämlich eine beeindruckende Richtungsstabilität bei höheren Geschwindigkeiten und ein geradezu stoisches Beharren auf der Ideallinie in flotter gefahrenen Kurven.

Der Leon X-Perience ist zwar kein Raumriese, aber ein Kombi mit ausreichend Platz. Der immerhin 587 Liter große Gepäckraum lässt sich per Knopfdruck auf 1470 Liter erweitern.
Der Leon X-Perience ist zwar kein Raumriese, aber ein Kombi mit ausreichend Platz. Der immerhin 587 Liter große Gepäckraum lässt sich per Knopfdruck auf 1470 Liter erweitern.

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Unser 150 PS starker Diesel stand offenbar gut im Saft. Auf einem unlimitierten Autobahnstück zeigt der Tacho optimistische 230 km/h an, das GPS-Messgerät hingegen echte 214 km/h. Immerhin sechs Kilometer pro Stunde mehr als die Werksangabe. Das Schalten des exakten Sechsganggetriebes erfordert allerdings etwas Nachdruck, wie auch die Kupplung. Doch das passt zum Charakter dieses Autos. Der sechste Gang ist spritsparend recht lang übersetzt, so dass die Kurbelwelle des Selbstzünders bei Tempo 100 ganze 1800mal pro Minute rotiert. Bei Tempo 160 sind es auch nur 2800 Umdrehungen pro Minute. Das hat positive Auswirkungen auf die Tankrechnungen: Zwischen 5,1 und 8,6 Liter waren es auf den gut 1800 Kilometern Testfahrt; im Durchschnitt lediglich 5,7 Liter. Ein sehr guter Wert angesichts einiger flotter Etappen.

Die von der Grundabstimmung eher straffe Federung zeigt mit den 18-Zoll-Rädern zwei Gesichter: eher steifbeinig hölzern bei niedrigen Geschwindigkeiten, aber immer besser, je höher das Tempo wird. Sozusagen ein eingebauter hoher Schnellfahrkomfort. Zuweilen sind es die Kleinigkeiten, die besonders gefallen: Wie der Berganfahrassistent. Am Hang bremst der Wagen automatisch, so dass er nicht zurückrollen kann. Sobald man anfährt, wird die Bremse augenblicklich gelöst und es geht los.

Hören und Sehen

Das Beste in Sachen Geräuschkomfort an diesem Auto ist der Auspuffsound! Der sehr gut gedämmte Selbstzünder ist auf der Autobahn nicht als solcher zu erkennen. Dem Doppelauspuff entweicht ein satter dunkler Ton, der gut klingt, aber nie auf die Nerven geht. Nur bei niedrigen Geschwindigkeiten ist das Dieselarbeitsprinzip erkennbar. Wegen der bei unserem Testwagen montierten 18-Zöller drängen sich die Abrollgeräusche akustisch zwar etwas in der Vordergrund, doch damit kann man leben. Schönheit hat eben ihren Preis. Dieser Kombi ist dank schmaler Säulen sehr übersichtlich, eine Seltenheit bei modernen Autos.

Wählen und Zahlen

Der Preisaufschlag des abenteuerbeplankten X-Perience zum vergleichbaren normalen Leon ST beträgt 3460 Euro, der zu einem allradgetriebenen Modell mit gleicher Leistung nur noch 1460 Euro. Da ist es durchaus eine Überlegung wert für den, der keine Abenteuerbeplankung haben möchte. Wer allerdings dem Automat die Schaltarbeit überlassen möchte, muss beim Seat Leon X-Perience tief in die Tasche greifen und 3570 Euro mehr zahlen. Denn die Doppelkupplungsautomatik gibt es nur die 184-PS-Dieselmaschine und nur in der Topversion. Natürlich lassen sich für den Leon X-Perience auch Fahrerassistenzsysteme ordern wie zum Beispiel die automatische Distanzregelung ACC für schlanke 560 Euro. Ein Sensor misst bis zu 200 Meter den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und passt automatisch die Geschwindigkeit an.

Auf der sicheren Seite ist man auch mit dem Umfeldbeobachtungssystem Front Assist mit City-Notbremsfunktion für sehr faire 290 Euro. Hoffentlich benötigt man Letzteres nie: Im Falle eines möglichen Unfalls erkennt die innovative Bremsautomatik den bevorstehenden Zusammenprall und aktiviert eine Notbremsfunktion, die das Fahrzeug abbremst und so das Risiko von Folgekollisionen stark verringert. Oder nehmen wir das Fahrassistenzpaket für 300 Euro mit dem Fernlichtassistent, der bei Gegenverkehr automatisch abblendet, und dem Spurhalteassistent, welcher dafür sorgt, dass man nicht von der Straße abkommt. Außerdem warnt die Müdigkeitserkennung Sie rechtzeitig, wenn Sie mal eine Pause brauchen.

Gutes und Schlechtes

Der Seat Leon X-Perience ist sozusagen die ideale Fingerübung für den ersten echten SUV der Spanier, der nach vielen vergeblichen Anläufen nun endlich im Jahr 2016 starten wird. Es soll der Sportler unter den Kompakt-SUV werden, wie schon der Leon Experience bei den aufgebrezelten und höher gelegten Allrad-Kombis. Doch die können fast so viel wie die SUV, die ja ohnehin kaum im Gelände bewegt werden. Und sie haben gegenüber den hohen Pseudo-Geländewagen einen unschätzbaren Vorteil: SUV auf halber Höhe vermitteln zwar ebenfalls Abenteuer-Lust, lassen sich aber so agil fahren wie stinknormale Kombis.

Stärken
Individueller Auftritt
Sehr gute Fahrstabilität
Großer Spaßfaktor

Schwächen
Keine Automatik lieferbar
Kleiner Tank
Recht hoher Aufpreis

Konkurrenz
VW Golf Alltrack
Skoda Octavia Scout
Audi A4 Allroad Quattro

Technische Daten Seat Leon X-Perience 2.0 TDI
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,54/1,83/1,48 Meter
Leergewicht 1492 Kilogramm
Kofferraumvolumen 587 Liter
Maximale Zuladung 538 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 55 Liter
Motor Reihen-Vierzylinder-Diesel-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, zwei oben liegende Nockenwellen
Hubraum 1968 Kubikzentimeter
Getriebe 6-Gang-Handschaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 110/150
Drehmoment 340 Newtonmeter bei 1750 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 8,7 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 208 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts/außerorts/kombiniert) k.A./k.A./4,9 Liter
Verbrauch im Test 5,7 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 129 g/km / B
Typklassen (KH/VK/TK) 16/20/23
Preis als Basisfahrzeug 30.430 Euro
Preis des Testwagens 35.375 Euro

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