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Kann denn Leistung Sünde sein? Sie ist auf jeden Fall teuer im Falle eines VW Golf. Reicht etwa auch die 85-PS-Variante?

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Praxistest VW Golf 1.2 TSI BMT: Reichen 85 PS wirklich im Golf?

Es muss nicht immer GTI sein: Der Autokunde greift gerne auch mal zur Basis-Motorisierung. Die sollte ja schließlich auch genügen. Stellt sich die Frage: Genügt der VW Golf 1.2 TSI mit 85 PS? Ein Praxistest.

Die Deutschen kaufen laut Statistik immer stärkere Autos. So stieg im vergangenen Jahr die durchschnittliche Motorleistung eines Neuwagens auf den neuen Rekord von 140 PS. Im Jahr zuvor waren es noch zwei PS weniger. Das geht aus einer Studie des Center of Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen hervor. Dass es mit Statistiken halt so eine Sache ist, beweist Deutschlands liebstes Auto – der Golf. Die meisten seiner Käufer entscheiden sich nicht für die PS-Riesen, sondern für die PS-Basis. Und die beginnt beim VW Golf bei 85 PS. Dabei handelt es sich um ein hochmodernes Downsizing-Triebwerk, das nach dem derzeit gängigen Spar-Technikprinzip aufgebaut ist: kleiner Hubraum plus Abgasturbolader ergibt die Leistungswerte eines großvolumigen Saugbenziners, aber bei wesentlich geringeren Verbrauchswerten.

Denn die Hubraum-Zwerge sind effizienter, weil sie weniger wiegen, weniger innere Reibungsverluste aufweisen und weil sie häufiger den optimalen Wirkungsgrad erreichen. Der 1,2 Liter große TSI wird mit verändertem Steuerteil in zwei Leistungsstufen angeboten. Zum einen mit 85 PS bei 4300 bis 5300 Touren und 160 Newtonmeter Drehmoment bei 1400 bis 3500 Touren. Zum anderen mit 110 PS bei 4600 bis 5600 Touren und 175 Newtonmeter Drehmoment bei 1400 bis 4000 Touren. Die schwächere Maschine muss mit fünf handgeschalteten Gängen auskommen, die (fast baugleiche) stärkere besitzt sechs Gänge und die Option auf eine Siebengang-Doppelkupplungsautomatik. Die Fahrleistungen beider unterscheiden sich nicht gravierend: So ist der 110-PS-TSI mit 195 km/h nur 16 km/h schneller als der 85er. Und den Sprint von Null auf Tempo 100 schafft der stärkere Vierzylinder in 9,9 Sekunden, ist damit zwei Sekunden schneller als das Basis-Triebwerk.

Der Verbrauch des VW Golf 1.2 TSI geht in Ordnung

Für den Basis-Golf mit 1,2 Liter Hubraum und 85 PS gibt VW für den aktuellen Golf VII einen Normverbrauch von 4,9 Litern auf 100 Kilometer an. Das sind lediglich 0,3 Liter weniger als beim vergleichbaren Vorgänger. Und damit verbraucht die 85-PS-Maschine ebenso viel wie die 110-PS-Maschine. Wir kamen im Praxistest mit dem 85-PS-Golf auf den gut 1800 Kilometern auf einen Durchschnittsverbrauch von 5,8 Litern Super. Sehr gut! Und das trotz 17-Zoll-Breitreifen mit Winterprofil und Vollausstattung, welche das Gewicht nach oben treibt. Dazu später noch mehr.

Der VW Golf 1.2 TSI mit dem kleinsten Motor ist zwar kein Sportler. Aber für eine vernünftige Fortbewegung hat er allemal ausreichend Leistung.
Der VW Golf 1.2 TSI mit dem kleinsten Motor ist zwar kein Sportler. Aber für eine vernünftige Fortbewegung hat er allemal ausreichend Leistung.

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Wer will, kann diesen Basis-Golf durchaus flott fahren. Sportlich wäre hier allerdings der ganz falsche Begriff, denn wer von einem 85-PS-Wagen mit fast 1,3 Tonnen Gewicht den Fahrspaß eines GTI erwartet, der liegt völlig daneben. Dennoch ist man nun auch wieder nicht untermotorisiert. Vor allem im Stadtverkehr fühlt sich der VW Golf 1.2 TSI deutlich kräftiger an als es die reinen Papierwerte vermuten lassen. Da das maximale Drehmoment über ein sehr breites Drehzahlband (1400 bis 3500) anliegt, gibt sich der kleine TSI durchzugsstark wie ein Großer. Er lässt sich ganz entspannt und sogar schaltfaul fahren. Im Stadtverkehr ist man häufig sogar im fünften Gang unterwegs, und dann überrascht einen der Basis-Golf mit einer fast phänomenalen Eigenschaft: Im reinen Stadtverkehr zeigt der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von nur 5,5 Litern an – und dennoch schwimmt man unaufgeregt in der Masse mit.

Hohe Gänge sind sehr lang übersetzt

Nur sehr frühes Hochschalten, wie es die serienmäßige Schaltpunktanzeige schon bei 1200 Umdrehungen pro Minute verlangt, quittiert der ansonsten laufruhige Vierzylinder mit leichten Brummfrequenzen. Er beschleunigt das Auto zwar gemächlich, aber doch spürbar. Bei gleichmäßigem Landstraßentempo lässt sich der sehr günstige Normverbrauch von 4,9 Litern mit einem Praxiswert von um die fünf Liter im Alltag sogar fast erreichen. Selbst auf längeren Autobahnetappen mit 140 km/h fließen kaum mehr als sieben Liter durch die Einspritzdüsen. Allerdings leidet die 85-PS-Maschine an einem Handicap, das sich vor allem an Steigungen bemerkbar macht. Sie muss in den Gängen vier und fünf mit einer extrem langen Übersetzung kämpfen, welche den Stufen fünf und sechs der Sechsgangbox der 1725 Euro teureren 110-PS-Version entspricht. So dreht sich die Kurbelwelle des schwächsten Vierzylinder-Benziners im fünften Gang bei Tempo 140 nur 3000 Mal in der Minute; bei Tempo 120 sind es gar nur 2600 Umdrehungen in der Minute.

Diese lange Getriebeübersetzung drückt naturgemäß aufs Temperament. Dies lässt sich jedoch durch häufiges Betätigen der butterweichen Fünfgangschaltung durchaus wecken. Untermalt dann vom etwas kernigeren Klang des Vierzylinders. Auf Autobahnsteigungen muss allerdings, vor allem mit vier Personen an Bord wie in unserem Falle, frühzeitig runter geschaltet werden, um den Schwung nicht zu verlieren. Das kostet einen Sprit-Zuschlag. Und dann klingt der Vierzylinder schon ziemlich rau, weil er schuften muss. Also sollte Interessenten vorher klar sein: Wofür will ich diesen Basis-Golf? Nur in der Stadt? Zu zweit über Land? Oder mit vier Leuten und Gepäck auf der Autobahn?

Auch ohne adaptives Fahrwerk poltert es kaum

Beim Komfort ist ebenfalls in gewisser Weise Basis-Arbeit angesagt, denn der 85-PS-Golf besitzt hinten eine einfachere Verbundlenkerachse. Erst ab 125 PS wird beim Golf hinten eine aufwendigere Vierlenker-Achse verbaut, welche vor allem in Verbindung mit der adaptiven Fahrwerksregelung DCC inklusive Fahrprofilauswahl für 1015 Euro Aufpreis einen spürbaren Zuwachs an Komfort und Handlichkeit mit sich bringt. Das hat ein früherer Praxistest mit einem 150-PS-Golf deutlich gemacht. Beim Standardfahrwerk des Basis-Golf hingegen werden sowohl das Auto als auch die Passagiere etwas mehr durchgeschüttelt. Hinzu kommt, dass unser Testwagen mit optionalen 17-Zoll-Rädern ausgerüstet war, die von Haus aus etwas weniger Eigendämpfung aufweisen als die serienmäßigen 15-Zoll-Räder mit ihren höheren Reifenflanken.

Ausstattung geht ins Geld: Der VW Golf 1.2 TSI kostet erst mal "nur" rund 19 000 Euro. Allerdings lässt sich der Preis fast beliebig in die Höhe treiben. Der Test-Golf lag am Ende bei mehr als 30 000 Euro.
Ausstattung geht ins Geld: Der VW Golf 1.2 TSI kostet erst mal "nur" rund 19 000 Euro. Allerdings lässt sich der Preis fast beliebig in die Höhe treiben. Der Test-Golf lag am Ende bei mehr als 30 000 Euro.

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Vor allem grobe Stöße, wie wir sie auf einer speziellen Schlechtwegestrecke im Praxistest simulieren, schluckte bei dem früher getesteten Golf mit 150 PS die Vierlenker-Hinterachse mit den links und rechts voneinander entkoppelten hinteren Querlenkern und den sensibler arbeitenden Adaptivdämpfern besser als bei dem nun getesteten Basis-Golf mit der einfacheren Verbundlenker-Hinterachse und Normaldämpfern. Während die Vierlenker-Hinterachse mit den elektronisch geregelten Dämpfern selbst bösere Huckel seinerzeit einfach weg steckte und der Fahrzustand stabil blieb, wippt nun das Standardfahrwerk mit Verbundlenkerachse noch mehrfach nach. Doch erfreulicherweise neigt die einfache Hinterachse selbst auf schlechten Straßen nicht zum Poltern. Und zum Glück fährt man außerdem nicht ständig auf fiesen Holperpisten. Also geht auch der Fahrkomfort des Basis-Golf auf normalen Straßen völlig in Ordnung.

Sonderausstattungen treiben den Preis des VW Golf 1.2 TSI

Auch mit dem schwächsten Motor erweist sich Deutschlands beliebtestes Auto als veritabler Reisewagen für jene, die nicht unter Zeitstress stehen. Und sonst? Da ist auch der Basis-Golf ein echter Golf. Das sagt schon alles über dessen Qualitäten. Alles andere hieße, die berühmten Eulen nach Athen tragen zu wollen. Wie also lautet die Antwort auf die eingangs gestellte Frage? Eindeutig Ja! Für die meisten Alltagsfälle reicht der sparsame 85-PS-TSI völlig aus. Man wundert sich, wie kräftig der Hubraum-Zwerg sich in die Kurbelwelle stemmt. Dem Turbo sei Dank. Der kleine Sprung zum 25 PS stärkeren, aber gleich 1725 Euro teureren 1,2-Liter-TSI lohnt sich wegen des sechsten Ganges nur für jene, die öfter längere Autobahnstrecken mit mehr als zwei Personen fahren. Wer es sich leisten kann oder will, sollte dann jedoch gleich den großen Sprung wagen – hin zum 1,4-Liter-TSI mit 125-PS. Der kostet allerdings sofort 4825 Euro mehr als der 85-PS-TSI, weil der stärkere erst ab mittlerer Comfortline-Ausstattung lieferbar ist. Alle anderen dürfen sich über den 85-PS-TSI freuen, der trotz williger Arbeitsmoral überaus genügsam ist. Mit ihm erweist sich der schwächste Golf als hier als Volks-Wagen.

Allerdings gibt es eine Fußangel. Im Gegensatz zu den meisten Importeuren, welche ihre Modelle entweder als abgespeckte Einstiegsversionen oder dann nur mit teuren Paketkombinationen anbieten, zeichnet den Basis-Golf eine kundenfreundliche Besonderheit aus: Nahezu jedes Extra aus der langen Aufpreisliste lässt sich für die Basis-Version ordern. So muss auch derjenige, welcher– aus welchem Grunde auch immer – bei der Leistung sparen will, nicht auch noch bei der Ausstattung sparen. Das zeigt gerade unser Testwagen in exorbitanter Weise: Zu seinem Grundpreis von 19 675 Euro kommen 28 Extras im Gesamtpreis von 11 460 Euro (Sie haben richtig gelesen!) hinzu. So kostet unser Basis-Golf mit 85 PS schließlich 31 135 Euro! Das sind nur 549 Euro weniger, als Mercedes für sein ganz neues Mittelklasse-Basismodell C 160 mit 129 PS starkem Vierzylinder-Turbobenziner verlangt, unter anderem serienmäßig mit Start-Stopp-Automatik, Klimaautomatik, Lederlenkrad, elektrisch einstellbaren Vordersitzen, Multimediasystem mit Siebenzoll-Farbbildschirm, Müdigkeits- und Kollisionswarner. Nicht jeder Volkswagen ist am Ende der langen Aufpreisliste dann auch ein Volks-Wagen.

Stärken

Sehr gute Verarbeitungsqualität, sehr viele Extras lieferbar, geringer Praxisverbrauch

Schwächen

Nicht ganz billiges Sparauto, teure Aufpreise für Extras, großer Durst bei hohem Tempo

Konkurrenz

Skoda Octavia, Peugeot 308, Opel Astra

Technische Daten Volkswagen Golf 1.2 TSI BMT Comfortline
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,26/1,80/1,45 Meter
Leergewicht 1255 Kilogramm
Kofferraumvolumen / umgelegte Rückbank 380 / 1270 Liter
Maximale Zuladung 540 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 50 Liter
Motor Reihen-Vierzylinder-Otto-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, vier Ventile pro Zylinder 
Hubraum 1197 Kubikzentimeter
Getriebe 5-Gang-Handschaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 63 / 85
Drehmoment 160 Newtonmeter bei 1400 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 11,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 179 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) 6,1/4,2/4,9 Liter
Verbrauch im Test 5,8 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 113 g/km / B
Typklassen (KH/VK/TK) 15/17/19
Preis als Basisfahrzeug 22 860  Euro
Preis des Testwagens 29 243 Euro

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