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Auf der Berliner Fahrradmesse zeigt man sich und sein Fahrrad als Lifestyle-Kombi - Gäste wie Aussteller.

© Christian Mentzel

Berliner Fahrradschau: Lebensstil auf zwei Rädern

Derzeit läuft in der Station am Gleisdreieck in Kreuzberg die Berliner Fahrradschau. Die Messe zeigt die ganze kulturelle Vielfalt des Themas Fahrrad.

Das Fahrrad hat schon längst seine Nischen als reines Fortbewegungsmittel oder Sportgerät verlassen. Das lässt sich gerade in Berlin jeden Tag auf der Straße beobachten. Neben den klassischen Trekkingrädern stehen dort Fixies, Hollandräder, Rennräder und viele weitere Spielarten nebeneinander an der Ampel. Galt früher das Auto als Spiegel der Persönlichkeit, so ist es heute immer mehr der Drahtesel. Zeig mir Dein Rad und ich sage Dir, wer Du bist - Ein Symptom eines neuen urbanen Lebensstils.

250 Aussteller auf der Messe 2013

Diesen Nerv traf die Berliner Fahrradschau, als sie vor fünf Jahren an den Start ging. Damals war die Messe vor allem auf die Fixie-Gemeinde ausgerichtet. Die Fans der Räder mit fester Übersetzung am Hinterrad und oft nicht ganz straßenverkehrstauglicher Ausstattung sind so etwas wie die Avantgarde der Fahrradkultur. Damals, im Jahr 2010 kamen in die Station am Gleisdreieck 90 Aussteller und etwa 5000 Besucher. Im letzten Jahr strömten bereits 15 000 Besuchern die Hallen des ehemaligen Dresdner Bahnhofs. Die Zahl der Aussteller stieg auf 250.

Trotz des starken Wachstums hat sich die Berliner Fahrradschau ihren speziellen Charakter erhalten. Das ist schon an der Art der Aussteller abzulesen. Die großen Massenhersteller von Fahrrädern sucht man auf der Messe vergebens, das allseits beliebte Freizeitrad ist dort kaum ein Thema. Vielmehr kommen hier die kleinen Nischenhersteller, die Manufakturen zur Fahrradschau und zeigen dort ihre Produkte.

"Velo Couture": Auch alles rund um urbane Fahrradbekleidung steht im Mittelpunkt der Messe.
"Velo Couture": Auch alles rund um urbane Fahrradbekleidung steht im Mittelpunkt der Messe.

© Christian Mentzel

Deshalb bekamen die Handwerker aus der Branche im letzten Jahr auch ihren eigenen Bereich namens "Handmade". Dort finden sich vor allem renommierte Rahmenbauer aus aller Welt. Aber auch Neulinge stellen hier ihre individuell angefertigten Fahrradrahmen aus. Daneben stehen Accessoires, wie Klingeln, Täschchen und andere kleine Dinge, die gut aufs oder zum Rad passen und handgemacht sind.

Von "Velo Couture" bis zum Elektrorad

Im Bereich "Velo Couture" wird es richtig trendy. Dort findet sich die, nach eigenem Bekunden, weltgrößte Plattform für urbane Fahrradbekleidung. Beeindruckend zu sehen, wieviele Ideen es abseits der Plastik-Regenhose tatsächlich gibt. Hier stellen kleine, innovative Marken ihre aktuellen Kollektionen aus.

Das Besondere an der Berliner Fahrradschau ist aber der aktive Teil der Messe. In einer Nebenhalle kann auf einem Rundkurs beim Mini-Track-Race jedermann an den Start gehen. Auch beim Bike-Polo-Turnier können sich die Teilnehmer so richtig verausgaben. Wer es weniger sportlich mag, der nimmt am Schönheitswettbewerb für Fahrräder teil. Dazu lässt man das eigene Velo ablichten, die Fotos werden in der Halle ausgehängt und die Besucher der Messe stimmen über das schönste Rad des Jahres ab.

Vielfältiges Angebot: Wie schon 2013 wird auch in diesem Jahr ein Bike-Polo-Turnier zum Programm der Fahrradmesse gehören.
Vielfältiges Angebot: Wie schon 2013 wird auch in diesem Jahr ein Bike-Polo-Turnier zum Programm der Fahrradmesse gehören.

© Christian Mentzel

Auch Elektroräder haben ihren Platz auf der Berliner Fahrradschau. Neue Antriebe und Konzepte zeigen, wie sich das E-Bike aus seiner Nische immer weiter freistrampelt. Schwerpunkt werden in diesem Jahr elektrische Lastenräder und Emobility-Lösungen sein. Das optische Highlight wird die Ausstellung des Fotografen Tino Pohlmann werden. Er zeigt dort Fotografien aus seinem neuen Bildband "Captured" mit ganz eigenen Ansichten von der Tour de France.

Was die Berliner Fahrradschau alles zu bieten hat

Historisch: Auf dem "Classic Bicycle Market" wird das Herz all derer höher schlagen, die auf Zweiradklassiker vergangener Tage stehen.
Historisch: Auf dem "Classic Bicycle Market" wird das Herz all derer höher schlagen, die auf Zweiradklassiker vergangener Tage stehen.

© Christian Mentzel

An beiden Veranstaltungstagen bietet die Fahrradschau, in seiner fünften Auflage, neben zahlreichen namhaften Ausstellern ein Rahmenprogramm, das in seinem Umfang und seiner Vielfältigkeit seinesgleichen sucht.

Auf dem "Classic Bicycle Market" wird das Herz all derer höher schlagen, die auf Zweiradklassiker vergangener Tage stehen. Im Fahrradsalon treffen Tino Pohlmanns Fotografien seines Bildbandes "Captured" auf Jofoi Amarals "Bike Art". Gezeigt werden Räder aus vergangenen Epochen, unter anderem das Rad auf dem Maurizio Fondriest 1988 Weltmeister wurde. Wer selbst in die Pedale treten und dabei noch coole Tricks erlernen will, der ist bei den Workshops der deepBMX-Crew aus Berlin genau richtig.

Ein besonderes Highlight stellt der Kinderkiez dar. Eltern, die sich für ein paar Stunden ganz in Ruhe die neuesten Trends anschauen möchten, haben die Möglichkeit ihren Nachwuchs dort abzugeben. Allerbestes Programm ist garantiert. Trainer vom BMX-Kita Projekt "Birkenstein" zeigen den Kleinsten Skills auf dem Pumptrack und beim Goldsprint.

Sollte dann immer noch genug Energie vorhanden sein, kann auf der Hüpfburg weiter getobt werden. Kinderschminken und eine Kuschelecke sorgen nach all dem Trubel für die notwendige Entspannung. Kostenlose Waffeln und Getränke stehen für die Kinder parat.

So vielfältig wie die Berliner Fahrradschau als Messe ist, so abwechslungsreich ist ihr Rahmenprogramm, das sich kein Besucher entgehen lassen sollte. Hingehen lohnt sich!

Das Rad als Religion

Projektleiter der Berliner Fahrradmesse: Fares Gabriel Hadid.
Projektleiter der Berliner Fahrradmesse: Fares Gabriel Hadid.

© Christian Mentzel

Fares Gabriel Hadid, 40, ist Projektleiter der Berliner Fahrradschau. Er kümmert sich um Marketing und PR für die Messe und ist selbst begeisterter Vertreter urbaner Fahrradkultur. Im Interview spricht er über die Historie der Messe - und warum die größere Velo Berlin keine Konkurrenz ist.

Woher kommt die Berliner Fahrradschau und was ist der Kern des Ganzen?

Es ist die fünfte Ausgabe die in diesem Jahr statt findet, quasi ein Jubiläum. Damals fing alles ganz klein an. Wir haben ursprünglich eine Plattform für die Fixed-Bike-Szene gesucht. Diese ganz urbane Fahrradszene ist die DNA der Berliner Fahrradschau. Das Fahrrad wird als Teil der Lebenskultur immer wichtiger. Das versuchen wir mit der Fahrradschau abzubilden. Deshalb war Berlin bisher immer unser Standort und das wird auch in Zukunft so bleiben. Das Thema Fahrrad wird in kaum einer anderen Stadt so intensiv gelebt wie hier.

Was macht das Fahrrad so trendy?

Das Fahrrad ist in den letzten zehn bis 15 Jahren ein Kulturgut geworden, das jung und alt anspricht. Vom kleinen Kind mit dem BMX-Rad bis hin zur älteren Klientel, die sich auf einmal für E-Bikes interessieren. Vor allem aber ist Radfahren ein extrem urbanes Thema. Deswegen passt die Fahrradschau auch so gut nach Berlin. Es fahren so viele Lastenräder und Cargobikes durch die Stadt. Das finde ich unheimlich faszinierend.

Was ist das Besondere an der Fahrradschau?

Unser Angebot ist wirklich extrem breit gefächert. Wir haben Veranstaltungen zum Mitmachen, die klassische Messe, die wir dieses Jahr gezielter auf Endverbraucher ausgerichtet haben und dann gibt es noch mehrere kleine Nischen. Handmade ist so eine. Dort können Handwerker ihre Arbeiten in einem entsprechenden Rahmen präsentieren. Bei der Fahrradschau sind das vor allem Rahmenbauer und kleinere Marken, die handgemachte Accessoires vertreiben. Diesen Bereich haben wir letztes Jahr eingeführt und er hat sich als Themenwelt sehr gut etabliert.

Es gibt aber auch ein umfangreiches Aktivprogrammm?

Ja, das gehört bei uns dazu. Samstagmorgen kommt der Mountainbike-Freestyle-Weltmeister Timo Pritzel vorbei und macht eine Yoga-Session für Radfahrer. Wir haben in diesem Jahr einen BMX-Kurs im Rahmen des Kinderkiez aufgebaut. Da kommen professionelle BMX-Fahrer und zeigt den Kleinen ein paar Tricks. Und wir haben natürlich wieder unseren Rundkurs aufgebaut. Dort werden Mini-Track-Rennen gefahren.

Also mehr Event als Messe?

Beides. Die Berliner Fahrradschau versteht sich für die Händler als Marketing-Kommunikations-Plattform. Heute wird im Fahrradbereich sehr viel über das Internet abgesetzt. Bei einer Messe wie der Fahrradschau sollten die Marken versuchen ihre Produkte auf eine emotionale Weise den Kunden näher zu bringen. Der Fahrradhersteller Canyon zum Beispiel verkauft normalerweise nur online. Die waren aber von unserem Konzept und dem Rahmen, den wir bieten, überzeugt, dass sie bei uns ausstellen. Bei Specialized ist es ähnlich. Die haben eigentlich alle Messeauftritte abgesagt. Aber bei uns sind sie dabei.

Wegen den speziellen Besuchern, die auf die Fahrradschau kommen?

Vielleicht auch. Aber vor allem, weil sie die Verbindung zwischen Ausstellung und Event-Charakter angesprochen hat. Das ist ein tolles Erlebnis für beide Seiten, den Kunden und den Aussteller. Vor allem gibt es das so sonst nicht. Und solche Marken haben auch die Gelegenheit ihre Kunden besser kennenzulernen. das ist für die Hersteller ja nicht so einfach, da das Gros des Umsatzes über Online-Shops gemacht wird.

Die Velo Berlin ist die weitaus größere Messe und findet nur eine Woche später statt. Ist das nicht problematisch?

Grundsätzlich sehen wir die Velo nicht als Konkurrenz. Jeder findet seine Nische, seine Plattform. Wir tun das, was sich für uns gut anfühlt. Wir möchten das Fahrrad als Lebensgefühl, als eine Art Religion vermitteln und dabei möglichst das ganze Spektrum des Themas abdecken. Vor allem möchten wir einfach eine gute Messe machen. Wir wollen ein Event kreieren, wo jeder gerne hin geht. Wo jeder Besucher sagt „Wow, was war das denn?“ Deshalb schauen wir gar nicht so sehr auf die großen Messen, wie die Velo zum Beispiel. Wie bieten eher eine Art Community.

Ein Rad-Community?

Ja, genau. Im Fixed-Gear-Bereich zum Beispiel sind viele Marken da, die sonst nirgendwo ausstellen. Wir wollen den Charakter erhalten, deshalb kuratieren wir die Ausstellung. Wir sind nur eine kleine Messe und haben daher auch viele Anfragen abgelehnt. Wir hätten noch eine weitere Halle voll machen können. Das wollten wir aber nicht.

Das Gespräch führte Christian Mentzel.

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