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Brandenburg: Nach den Illusionen

Brandenburgs Politiker sind alarmiert wegen der Reformunwilligkeit der Bürger

Potsdam. Brandenburgs Politiker sind besorgt über die Reformunwilligkeit ihrer Bürger. Vertreter aller Parteien brachten gestern zum Ausdruck, dass man die vom Institut für Demoskopie Allensbach vorgelegten Zahlen ernst nehmen müsse. Nach den Ergebnissen der Umfrage ist in keinem anderen Bundesland die Angst vor den von der Bundesregierung geplanten Veränderungen so groß wie hier. PDS-Fraktionschef Lothar Bisky regte eine öffentliche Debatte aller Parteien über die Ursachen für dieses Stimmungsbild an. Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) schlug vor, eine Studie in Auftrag zu geben, warum die Brandenburger die reformunwilligsten Deutschen sind. Darauf sei Allensbach nicht eingegangen. Die Ergebnisse könnten auch der Politik im Lande weiter helfen.

Wie berichtet, stehen laut Allensbach nur rund 11 Prozent der Brandenburger den geplanten Reformen der Bundesregierung wohlwollend gegenüber. Die Mehrheit (rund 60 Prozent) lehnt trotz der gegenwärtigen Krise persönliche Opfer ab, nur 24,5 Prozent akzeptieren eigene Beiträge. Bei rund 76 Prozent lösen die Pläne Befürchtungen und Skepsis aus, nur zwölf Prozent verbinden damit Hoffnungen.

Weitgehend einig sind sich Brandenburgs Politiker darin, dass die Reformangst eine Folge der Umbrüche in den letzten 13 Jahren ist, die den Menschen teilweise Verschlechterungen brachten. Für diese These spreche, dass auch in den anderen neuen Ländern Reformen lange nicht so positiv beurteilt würden wie im Westen der Republik. „Das gesellschaftliche Leben ist einmal komplett umgestellt worden“, erklärt Regierungschef Matthias Platzeck (SPD).

Andererseits werden „hausgemachte“ Gründe von vielen Politikern nicht bestritten: Die allumfassende Staatsfürsorge sei in Brandenburg lange „Staatsdoktrin“ gewesen, sagt CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek. „Hier sind mehr Illusionen gepflegt worden als anderswo“, hebt Bisky hervor, der auch Fehler der PDS eingesteht: Sie hätte deutlicher machen müssen, dass der Staat nicht alles leisten könne. SPD-Bildungsminister Steffen Reiche nennt noch einen anderen Grund für die Reformunwilligkeit: Den seit Gründung der DDR andauernden „Brain Drain“ Richtung Westen, also die Abwanderung mobiler und intelligenter Menschen. Diese seien in der Regel die reformfreudigsten. Auch Bisky sieht hier das Kernproblem: Die Frage, was man tun könne, damit die leistungsfähige Jugend im Land bleibe, müsse vorrangig diskutiert werden.

Widerlegt ist nach Meinung mancher Politiker durch die Umfrage die These von Regierungschef Platzeck, dass der Westen von der Veränderungsbereitschaft des Osten lernen könne.

Michael Mara

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