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Brandenburg: Nach Festnahmen will Potsdam Gesicht zeigen

Jakobs: Fahndungserfolg ist „wichtiges Signal“ Ermittler haben die Tatnacht rekonstruiert

Potsdam - Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bezeichnete die vorläufigen Festnahmen nach dem versuchten Mord an dem Deutsch-Äthiopier Ermyas M. als „wichtiges Signal“. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Rechtsextreme handelt, seien sicherheitspolitische Maßnahmen notwendig. Prävention reiche nicht mehr aus. Die rechte Szene müsse mit repressiven Maßnahmen wie Observierungen eingeschüchtert werden.

Schon vor dem Überfall sei erkennbar gewesen, dass die rechtsextreme Szene in Potsdam Fuß fassen wolle, so Oberbürgermeister Jakobs weiter. Sie sei „unberechenbar und unkalkulierbar“ und damit hoch gefährlich. Aus Angst vor rassistischen Übergriffen stornierte unterdessen eine nigerianische Regierungsdelegation ihre Zimmer in einem Potsdamer Hotel. Nicht nur Jakobs sorgt sich nun um das Image der Stadt.

Für den heutigen Freitag rief er gemeinsam mit dem Beirat für Toleranz und Demokratie, gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu einer Solidaritätskundgebung auf. Los geht es um 17 Uhr auf dem Luisenplatz unter dem Motto „Potsdam bekennt Farbe“. Im Anschluss soll am Nauener Tor ein Benefizkonzert stattfinden. Die Einnahmen sollen jeweils zur Hälfte der Familie von Ermyas M. und dem Potsdamer Verein Opferperspektive zugute kommen.

Bei der 25-köpfigen Sonderkommission „Charlottenhof“ gingen seit dem Angriff auf Ermyas M. rund 50 Hinweise ein. Sie stützten sich insbesondere auf die Stimmen der mutmaßlichen Täter, die sich auf der Handy-Mailbox der Frau des Opfers gefunden hatten. Unter anderem wird das Opfer als „dreckiger Nigger“ beschimpft. Der Mitschnitt ist per Internet und Telefon abrufbar.

Nach den bisherigen Ermittlungen lässt sich die Tatnacht so rekonstruieren: Gegen 3.28 Uhr steigt Ermyas M. an der Haltstelle „Charlottenhof“ in einen Nachtbus der Linie N31 ein und möchte den Nachtzuschlag von 50 Cent mit einem 20-Euro-Schein bezahlen. Als der Fahrer das Wechselgeld in Münzen zurückgeben will, reagiert Ermyas M. unwirsch, fordert, so die Aussage des Fahrers, die Banknote zurück und steigt wieder aus. Das spätere Opfer soll „erheblich alkoholisiert“ gewesen sein.

Eine halbe Stunde später ruft er seine Frau an. Sie geht nicht an den Apparat, die Mailbox springt an. Auf dem von der Polizei veröffentlichten Teil der Aufnahme ist das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos zu hören – vermutlich das Taxi eines der wichtigsten Zeugen. Der Fahrer, der Gäste in einer nahe gelegenen Diskothek abholen will, sagt aus, dass er neben dem Deutsch-Äthiopier zwei weitere Personen an der Bushaltestelle gesehen hat, und dass sie in einen Disput verwickelt waren.

Kurz nach vier Uhr fährt erneut ein Nachtbus an der Haltestelle vorbei. Der Fahrer gibt an, nichts Ungewöhnliches bemerkt zu haben. Kurz danach kommt der Taxifahrer zurück. Etwa 15 bis 20 Meter vor der Haltestelle sieht er einen Mann auf einem unbebauten Grundstück am Boden liegen, und zwei Personen, die sich über ihn beugen. Er verlässt den Wagen, verfolgt zunächst die flüchtenden Personen, kehrt dann aber zum Tatort zurück und ruft die Polizei. Wenige Minuten später treffen erste Streifenwagen ein.

Die Ermittlungen ergeben, dass Ermyas M. auch beraubt wurde. Ihm fehlen 200 Euro, ein Schlüsselbund und nicht näher bezeichnete „weitere Gegenstände“.Erb, pet, SCH, ddp

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