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Brandenburg: Neue Töne gegen Rechtsextremisten in Templin Mit einem Konzert für Opfer von Neonazi-Gewalt

will die Stadt ihren angeschlagenen Ruf aufbessern

Templin - Stürmisch geht es zu in Templin an diesem Tag. Die Wolken hängen tief über der Kleinstadt, die sich doch so sehr um ein glanzvolles Image als „Perle der Uckermark“ müht. Doch der Ruf ist dahin – seit dem Mord zweier Neonazis an dem 55-jährigen Bernd K. am 22. Juli und einer weiteren Attacke gegen einen Jugendlichen, die die Staatsanwaltschaft am „Rande eines Tötungsdelikts“ sah. Nun wehrt sich die Stadt gegen den Eindruck, eine Hochburg von Rechtsextremen zu sein. Für gestern Abend hat Bürgermeister Ulrich Schoeneich (parteilos) deshalb nach langem Hadern zu einer Benefizveranstaltung geladen. Zwei lokale Bands sollten vor dem örtlichen Irirish Pub spielen, anschließend wollten der Bürgermeister und Superintendent Uwe Simon eine Rede halten. Kerzen sollten entzündet und Spenden zugunsten von Opfern rechtsextremer Gewalt gesammelt werden.

Doch von rechtsradikalen Strukturen ist in dem Aufruf unter dem Motto „Gesicht zeigen gegen Gewalt“ nicht zu lesen. Nur von einem „Zeichen“ ist die Rede, dass „die übergroße Mehrheit der Templiner für ein gewaltfreies, friedliches Miteinander einsteht“. Der Hinweis auf die Rechtsextremen versteckt sich hinter „Mitbürgern, die sich eine solche Lebenseinstellung nicht zu eigen gemacht haben“. Über Bernd K., den die beiden Neonazis Sven T. und Christian W. so brutal zusammengetreten haben, dass er starb, fällt kein Wort.

Dafür muss sich Bürgermeister Schoeneich nun erneut Kritik gefallen lassen. Über den Aufruf sagt Johanna Kretschmann vom Verein Opferperspektive: „Das geht an dem Problem vorbei, nämlich der rechtsextremistischen Gewalt. Hier wird sich nur sehr verhalten positioniert.“ Die Stadt müsse endlich Farbe bekennen und die Probleme konkret benennen. Und die lägen klar auf der Hand: Von den etwa 80 Rechtsextremisten in Templin schätzt der brandenburgische Verfassungsschutz rund 30 als gewaltbereit ein. Allein in den vergangenen zwölf Monaten zählte die Opferperspektive zehn rechtsextreme Gewalttaten in dem 17 000-Einwohner-Ort. Das waren fast so viele in den weit größeren Städten Cottbus und Potsdam.

Schoeneich will die Kontrolle behalten über seine Stadt und sträubt sich gegen Einmischung von außen. Bereits wenige Tage nach dem Mord an Bernd K. wollte dessen Neffe, der Pub-Besitzer Jörg Krüger ein Benefizkonzert für die Opfer rechtsextremer Gewalt organisieren. Die Genehmigung des Ordnungsamtes lag bereits vor, aber dann gab Schoeneich dem Gastwirt zu verstehen, dass er gar nichts davon halte. Auch von einer rechtsextremen Szene wollte der Bürgermeister erst nichts wissen und warf zuletzt Staatsanwaltschaft und Innenministerium vor, ihn über die Existenz dieser Szene nicht informiert zu haben. Dabei sind speziell für die Auseinandersetzung mit Rechstradikalen geschulte Polizisten seit November 2007 in Templin im Einsatz. Auch regelmäßige Lagebesprechungen mit der Stadtverwaltung habe es gegeben, heißt es von der Polizei Für Anfang September ist nun eine interne Aussprache geplant.

Wie schwer sich Schoeneich damit tut, öffentlich das Problem zu benennen, zeigte auch seine Reaktion auf eine geplanten Podiumsdiskussion der uckermärkischen CDU am 27. August. So etwas brauche die Stadt nicht, hatte der Bürgermeister gesagt. Und er wehre sich gegen „Einmischung von außen“. Die NPD aber konnte unlängst vor dem Rathaus Unterschriften für ihre Kandidatur bei den Kommunalwahlen sammeln.

Für das nun auch von ihm unterstützte Benefizkonzert ab Abend rechnete Schoeneich mit 500 Besuchern. Doch so unentschieden wie er geben sich auch die Templiner. Mit den Neonazis werde es zwar immer schlimmer, sagen zwei Jugendliche, die sich auf dem Marktplatz die Zeit vertreiben. Auch sie seien schon einmal angepöbelt worden, „aber die waren nur sturzbetrunken“, erklären die beiden, als wäre das alles ganz normal. Und seit dem Mord an Bernd K. habe sich nicht viel getan in der Stadt – außer vielleicht, dass die Polizei nun häufiger durch die Straßen fahre. Zum Konzert gehen wollen die beiden nicht: „Wir haben was besseres vor.“

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