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Brandenburg: Orgel-Kongress ohne Orgel Experten kommen in die Prignitz

– doch der eigentliche Star fehlt

Neuruppin. Manche sagen, Neuruppin sei die preußischste Stadt überhaupt. Vielleicht liegt es an den geraden Straßen, dem symmetrischen Grundriss der Stadt. Man täte den Neuruppinern Unrecht, schlösse man vom Stadtbild auf das Wesen der Menschen, die hier leben. Erstens ist Preußen lange her und zweitens sind zwischenzeitlich auch preußische Tugenden wie unbedingtes Pflichtbewusstsein in Verruf geraten. Neuruppin kann längst auch anders.

Ganz anders. Idyllisch gelegen und reich mit kulturellem Erbe gesegnet. Die historische Orgel gehört dazu, und Theodor Fontane erst recht. Der wandernde Schriftsteller und geistige Vater der weltweit gerühmten Romanfigur Effi Briest ist hier geboren. Ihm verdankt die Stadt ihren Titel: „Fontanestadt Neuruppin“. Was für ein Wohlklang.

Ach ja, die Orgel. Nun mischt sich ein schriller Ton in den harmonischen Klang der kleinen Namenskomposition. Die 750 Jahre alte Stadt im Kreis Ostprignitz-Ruppin hat im Herbst ein internationales Symposium für Orgelexperten zu Gast – allerdings wird ihr ein Star fehlen: eine historische Orgel. Das jedenfalls hat Baudezernent Arne Krohn gestern bekannt gegeben. Und wenn der Baudezernent einer Stadt – in diesen Zeiten oft genug hauptamtlicher Mangelverwalter – das Fernbleiben eines Stars verkündet, hört man den Grundtenor fast automatisch mit: Geldmangel. Banal, aber wahr. Auch in Ruppin.

Im Herbst also sollen Orgelexperten aus aller Herren Länder zu einem Orgel-Fachkongress anreisen, der leider in Abwesenheit jener Orgel stattfinden muss, über die sich so trefflich Fachgespräche führen ließe. Die Hollenbach-Orgel! Sie wird nicht, wie geplant, zum 100. Todestag ihres Baumeisters restauriert sein und in ihren schönsten Tönen zum Jubiläum erklingen lassen. Im Gegenteil: Das Instrument bleibt auf absehbare Zeit unbenutzbar. In erbarmungswürdigem Zustand harrt es in der kleinen Werkstatt eines mecklenburg-vorpommerischen Restaurators einer Generalüberholung. Ob und wann sie wieder pfeifen wird, ist offen. „Die Instandsetzung würde 45000 Euro kosten“, sagt Baudezernent Arne Krohn. Die Stadt ist klamm, Zuschüsse von Kulturstiftungen gibt es nicht und Bürger haben bisher 7000 Euro gespendet.

Und die fachkundigen Symposiumsgäste? Dass sie den Orgelbaumeister Albert Hollenbach nur postum beehren würden, dürfte dem Anlass entsprechend den meisten von ihnen klar gewesen sein. (Hollenbachs 100. Todestag und so.) Dass sie auch dessen Orgel weder sehen noch hören werden, wussten sie wahrscheinlich nicht. Um es zu ahnen, hätten sie entweder die Stadtfinanzen gut kennen müssen. Oder die unheilvollen Vorzeichen früher bemerken und richtig deuten, die sich dräuend über die Veranstaltung legten. Die Orgel stand bis vor zwei Jahren in der Ruppiner Siechenkapelle; und ihr Baumeister ging erst pleite, kurz darauf starb er.

Marc Neller

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