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Ostprignitz-Ruppin: Korruptionsprozess gegen Korruptionsbekämpfer

Der ehemalige Rechtsdezernent des brandenburgischen Landkreises Ostprignitz-Ruppin soll sich von einem Entsorgungsunternehmen Privatreisen in die Ukraine bezahlt haben lassen. Welchen Zweck die Kurztripps hatten, wird unter anderen im Prozess verhandelt werden.

Ausgerechnet der frühere Anti-Korruptionsbeauftragte des Landkreises Ostprignitz-Ruppin muss sich seit gestern wegen Korruption vor Gericht verantworten. Jörg T. (57) wird Vorteilsannahme in 17 Fällen vorgeworfen. Bis 2007 war er Rechtsdezernent in der Kreisverwaltung. Von 2003 bis 2006 soll er sich ohne Wissen seines Landrates Christian Gilde (SPD) vom regionalen Abfallentsorger AWU private Reisen in die Ukraine bezahlt haben lassen, die Kosten dafür beliefen sich auf 22.370 Euro. Daneben sind zwei frühere Geschäftsführer des Entsorgers wegen Vorteilsgewährung angeklagt.

Laut Anklage ging es T. bei seinen Kurzbesuchen in Kiew „ausschließlich um die Pflege persönlicher Kontakte und die Befriedigung persönlicher Interessen“. Was damit gemeint sei, darüber wollte Staatsanwältin Frauke Köhler keine Auskunft geben. Auffällig ist nur, dass T. seine 17 viertägigen Reisen meist an Wochenenden unternahm. Nach Auskunft von Amtsgerichtssprecher Gerhard Pries müsse der private Zweck der Kurztripps in dem auf fünf Verhandlungstage angesetzten Prozess geklärt werden. Zeugen aus der Ukraine sind nicht geladen. Die Bezahlung der privaten Reisen sei eine „Maßnahme zur Klimapflege“ gewesen, heißt es in der Anklageschrift. T. und den beiden Mitangeklagten droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Sie wollten sich nicht zu den Vorwürfen äußern.

Die Geschichte begann in den 90er Jahren, als sich der Landkreis Ostprignitz- Ruppin an einem von der EU aufgelegten Öko-Projekt in der Ukraine beteiligte. Involviert darin war auch die AWU, an der der Landkreis Anteile von 49 Prozent hält. Mehrheitsgesellschafterin ist die Berliner Alba AG, die laut Anklage damals erwogen haben soll, auf dem ukrainischen Markt Fuß zu fassen. T. soll als Rechtsdezernent mit Genehmigung des Landrats im Rahmen eines Vertrages mit der AWU die Marktchancen für Alba bei einem Abfallbeseitigungsprojekt in der Ukraine ausgelotet haben. Als Gegenleistung wurden ihm die Reisekosten ersetzt – soweit alles rechtens. 2002 aber endete das EU-Projekt, weil laut Staatsanwaltschaft die „Sinnhaftigkeit einer Investition“ nicht mehr gegeben war. Dennoch setzte T. seine Reisen nach Kiew fort – auf Kosten des Entsorgers und mit Billigung durch dessen damalige Geschäftsführer.

Die Korruptionsvorwürfe gegen T. waren Mitte 2007 bekannt geworden. Wenig später kündigte ihn der Kreistag. Das Urteil in dem Prozess soll noch im Dezember verkündet werden. Ostprignitz-Ruppin und die Kreisstadt Neuruppin sind bereits mehrfach wegen Korruptionsskandalen ins Gerede gekommen. 2006 waren Mitglieder der „XY- Bande“ in einem der größten Prozesse um organisierte Kriminalität in Ostdeutschland zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden, darunter ein Kommunalpolitiker. Es ging um Glücksspiel und Rauschgifthandel, die Bande hatte Verbindungen bis in die Polizei und die Stadtverwaltung von Neuruppin. Der frühere Bürgermeister und spätere Landtagsabgeordnete Otto Theel (Linke) legte im Mai nach einem Bewährungsurteil wegen Korruption sein Mandat nieder. Anfang September musste der Chef der regionalen Sparkasse sein Amt nach Vorwürfen aufgeben, er habe seinen 60. Geburtstag auf Kosten der öffentlich-rechtlichen Bank ausrichten lassen. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreueverdachts. Daneben muss sich derzeit der frühere Chef der Neuruppiner Stadtwerke, Dietmar L., wegen besonders schwerer Untreue vor Gericht verantworten.

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