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Brandenburg: Ottifant gegen Holzmichl 0 : 1

Energie Cottbus hat Pech mit seinen Glücksbringern. Beim jüngsten Spiel im Erzgebirge versagte sogar Otto Waalkes

Von Sandra Dassler

Cottbus. Nicht-Eingeweihte müssen geglaubt haben, im Tollhaus zu sein. Nach dem Zweitligaspiel von Energie Cottbus gegen den Karlsruher SC, das Cottbus in den letzten Minuten von einem 0:1-Rückstand noch zum 2:1-Erfolg drehte, begannen die Zuschauer im Stadion der Freundschaft plötzlich zu singen: „Lebt denn der alte Holzmichl noch?“ Dann sprangen sie von ihren Sitzen auf, warfen die Arme in die Luft und skandierten wieder und wieder: „Ja, er lebt noch, er lebt noch … stirbt nicht“. Und die Fußballer auf dem Rasen spielten und sangen mit.

Ein wenig verrückt ist das schon: Die Kassen sind leer, die Kinder im Westen und nicht einmal der Bundeskanzler lässt sich mehr blicken. Macht alles nichts – Hauptsache, der alte Holzmichl lebt noch! Seit Monaten dröhnt das Lied von dem kränkelnden Holzhacker vornehmlich aus ostdeutschen Kneipen und Saunen, von Skipisten und Festumzugswagen. Der fast schon zum Kultsong avancierte Blödel-Titel der erzgebirgischen Volksmusikgruppe „De Randfichten“ war der Ost-Karnevalsschlager 2004 schlechthin. Und weil er so schön simpel und optimistisch und interaktiv ist, passt er natürlich auch besonders gut in Fußball-Arenen.

In Cottbus hätte das Lied in den vergangenen Wochen fast die gute alte Energiehymne verdrängt, was noch kein Song zuvor geschafft hat. Bis zum Spiel gegen den FC Erzgebirge Aue am vergangenen Freitagabend war der Holzmichl aus dem Stadion der Freundschaft nicht mehr wegzudenken. Aber schon im Vorfeld des Ost-Derbys gab es Animositäten. „Der Holzmichl gehört uns“, monierten die Fußballfans aus dem Erzgebirge und demonstrativ kamen „De Randfichten“ aus Johanngeorgenstadt nach Aue ins Stadion, um „ihre“ Mannschaft anzufeuern.

In letzter Sekunde war den Cottbusern vor dem Spiel ein Holzmichl-Ersatz in Gestalt des berühmtesten Ostfriesen der Welt erschienen. Komiker Otto Waalkes nächtigte zufällig im selben Hotel wie die Elf von Trainer Eduard Geyer. Als ihn der Fahrer des Energie-Busses um ein Autogramm bat, ließ sich Otto nicht lange bitten, verzierte den Mannschaftsbus mit einem Ottifanten nebst Namenszug – und erntete nichts als puren Undank. „Das Vieh kommt wieder ab“, schimpfte Energie-Präsident und Otto-Fan Dieter Krein, nachdem seine Elf knapp vier Stunden später mit 0:1 gegen Aue verloren hatte: „Es hat uns kein Glück gebracht.“

Schon einmal hatten die Energie-Verantwortlichen mit ihren Maskottchen kurzen Prozess gemacht und zwei Glücksschweine, die ihrem Namen nicht gerecht wurden, geschlachtet und aufgefuttert. Energie-Sprecher Ronny Gersch bestreitet das allerdings vehement: „Das waren zwei Schweine, die uns zum Schlachten gesponsert wurden. Unser Glücksschwein Rudi lebt noch zufrieden auf einem Bauernhof in der der Umgebung.“

Vielleicht sollte Rudi doch mal wieder ins Stadion kommen. Denn nach der Niederlage gegen Aue bangen in Cottbus alle um den Aufstieg. „Wir hätten gewinnen müssen“, ist die einhellige Meinung der Fans, von denen einige tausend mit ins Erzgebirge gekommen waren. Die Cottbuser Polizei hatte die drei Fanbusse vor der Abfahrt nach Aue kontrolliert und 18 von 20 Bierkästen aus den Bussen verbannt. „Wir wussten um die Brisanz dieses Ost-Derbys“, begründet Polizeisprecher Berndt Fleischer den ungewöhnlichen Einsatz: „Wir beobachten seit Monaten eine zunehmende Aggressivität, vor allem wenn in der Oberliga Ostklubs aufeinander treffen wie unlängst beim Spiel der Cottbuser Amateure gegen den FC Magdeburg.“ Schärfere Kontrollen wurden wahrscheinlich auch angesichts des Streits um ein Länderspiel des Fußballnachwuchses U21 zwischen Deutschland und Polen angeordnet. Der Deutsche Fußballbund (DFB) hatte das Spiel aufgrund von Sicherheitsbedenken zunächst nicht an Cottbus vergeben wollen. Erst nach massiven Protesten der Oberbürgermeisterin und des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm (CDU) hatte der DFB seine Haltung revidiert. Das Spiel soll nun im November 2004 stattfinden.

Da wollte Cottbus eigentlich wieder in der 1. Bundesliga spielen. Nach der Niederlage in Aue könnten die Lausitzer allerdings sogar auf Platz 4 abrutschen, falls Aachen morgen gegen Bielefeld gewinnt. Energie-Sprecher Ronny Gersch ist enttäuscht: „Wir haben 24 Spieltage auf einem Aufstiegsplatz gestanden. Und plötzlich fangen wir zu schwächeln und zu kränkeln an.“ Die Hoffnung aber gibt in Cottbus keiner auf. „Wir werden das nächste Spiel gegen Greuther Fürth gewinnen und am 34. Spieltag auf einem Aufstiegsplatz stehen“, sagt Präsident Dieter Krein. Und denkt dabei natürlich an das Lied vom alten Holzmichl. Der hat auch geschwächelt und gekränkelt und war sogar schon scheintot. Aber als sich die Freunde dann zu seinem Grab aufmachen wollten, hörten sie plötzlich das vertraute Geräusch des Holzhackens im Wald. Und wussten: „Ja, er lebt noch.“

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