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Gut versorgt. Die Affäre um Ex-Innenminister Rainer Speer ist Auslöser für die Debatte um das Ministergesetz.

© dpa

Pensionierte Politiker: Allein auf weiter Flur

Der Fall Speer hat eine Debatte um Politik-Pensionäre entfacht, die das Land jeden Monat über 200 000 Euro kosten. Alle wollen eine Reform – außer der SPD.

Der Fall des wegen einer Unterhaltsaffäre zurückgetretenen Ex-Innenministers Rainer Speer (SPD) ist der Auslöser: Im Brandenburger Landtag will nun eine breite parteiübergreifende Mehrheit von Linken, CDU, FDP und Grünen die als zu großzügig empfundenen Ruhestandsregelungen für ehemalige Minister und Staatssekretäre verändern, die das Land jeden Monat über 200 000 Euro kosten. Allein die SPD sieht dafür „keinen akuten Handlungsbedarf“, wie Fraktionschef Ralf Holzschuher sagte. Speer steht, nach den derzeitigen Regularien, ein allerdings mit neuen Einkünften zu verrechnendes Ruhegeld von 3700 Euro im Monat zu.

Dass tags zuvor bekannt geworden war, dass das Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft gegen Speer wegen des Verdachts auf eine uneidliche Falschaussage in einem Medienprozess inzwischen eingestellt wurde, veranlasste im Landtag niemanden zu einer grundsätzlichen Neubewertung des Falls.

Speer, bereits wegen der Krampnitz-Affäre unter Druck, war Mitte September vorigen Jahres als Innenminister zurückgetreten. Zuvor war publik geworden, dass er 13 Jahre lang für ein aus einer Liaison mit einer früheren Unterstellten entstandenes uneheliches Kind keinen Unterhalt gezahlt, das Kind stattdessen sechs Jahre staatliche Unterhaltszuschüsse des Potsdamer Jugendamtes bezogen hatte. Wochen später gestand Speer selbst ein, Vater des Kindes zu sein und die staatliche Ersatz-Alimente inzwischen zurückgezahlt zu haben. Die Beteiligung an einem Sozialbetrug, der seit 2008 ohnehin verjährt wäre, hatte Speer immer strikt bestritten.

Ins Visier der erst nach dem Rücktritt eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen war Speer geraten, weil er in einem Prozess gegen den Springer-Verlag jede Berichterstattung über den Vorgang zu verhindern versucht hatte. Dabei ging es um E-Mails zwischen ihm und der Kindsmutter, die aus dem verschwundenen Laptop Speers stammten. In einer juristisch nicht eindeutig deutbaren eidesstattlichen Versicherung hatte er erklärt, „seinerzeit“ bei der Geburt nicht von einer Vaterschaft ausgegangen zu sein. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein, weil ein wasserdichter Nachweis einer Falschaussage vor diesem Hintergrund nicht möglich sei.

Die Personalie hat erneut eine Debatte um die Versorgung von Ex-Politikern entfacht. Druck machen nicht nur oppositionelle Grüne, FDP und CDU, sondern selbst die regierende Linke: Einerseits wolle man noch in diesem Jahr eine Reform des Abgeordnetengesetzes, wodurch unter anderem Privilegien bei der Altersversorgung abgeschafft werden sollen, so Linke-Geschäftsführer Christian Görke. „Nach zehn Jahren als Abgeordneter hat man bisher einen Rentenanspruch auf 1400 Euro. Dafür müssen Brandenburger 35 Jahre arbeiten.“ In dem Zusammenhang müsse auch das Ministergesetz novelliert werden. Linke, Grüne und auch die FDP sind dafür, über einen Angestellten-Status für Staatssekretäre nachzudenken, den die rot-rote Regierung bei fünf Staatssekretären bereits jetzt praktiziert – worin Juristen allerdings einen Verfassungsbruch sehen. Unions-Fraktionschefin Saskia Ludwig überraschte mit der trotz Speer-Debatte erhobenen Forderung, alle Staatssekretäre zu verbeamten. „So schießt man sich selbst ins Knie“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Vor einer Verbeamtung müsse die Novelle des Ministergesetzes stehen, sonst schaffe man neue Versorgungsfälle.

Ungeachtet dessen schlägt die Affäre um die Verkäufe der Potsdamer Kaserne und der Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG), die beide in Speers Verantwortung als Finanzminister erfolgten, weiter Wellen. Da sich der Verdacht erhärtet hat, dass die 112-Hektar-Immobilie unter Wert verkauft wurde, will die Potsdamer Staatsanwaltschaft Untreue-Ermittlungen einleiten. Eingefädelt hatte alles die BBG, die 2006 für 635 000 Euro mit mehr als 3,2 Millionen Euro in ihren Kassen an den Unternehmer Frank Marczinek verkauft wurde.

Vor dem Hintergrund löste die Nachricht, dass das gegen Millionenhonorar fürs Land als Makler von Militärflächen tätige Ex-Landesunternehmen nun den Alba-Brüdern Axel und Eric Schweitzer gehört, neue Irritationen aus. Selbst die SPD kritisierte, dass Finanzminister Markov (Linke) darüber den Landtag nicht informierte.

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