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Brandenburg: Platzeck: Toleranz ist ein Standortfaktor

Ministerpräsident sieht in Fremdenfeindlichkeit eine Gefahr für die wirtschaftliche Zukunft Brandenburgs

Potsdam - Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) hat mit Blick auf den Fall Ermyas M. verstärkte Anstrengungen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gefordert. Man müsse im Land „deutlicher machen als bisher“, dass Toleranz nicht nur ein Gebot von Ethik und Anstand sei, sondern ein „knallharter Standortfaktor“. Dies sagte Platzeck am Dienstag auf einer SPD-Konferenz zur Bildungspolitik in Potsdam.

In seiner Rede äußerte sich Platzeck erstmals öffentlich zum Fall des schwer verletzten Deutsch-Äthiopiers Ermyas M., der am Ostersonntag in Potsdam brutal niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt worden war. Allerdings hielt er sich mit konkreten Bewertungen zu den Hintergründen zurück. Platzeck dankte allen, die nach dem Überfall auf Ermyas M. bei Demonstrationen in Potsdam oder mit ihrer Unterschrift unter dem Aufruf „Wir sind Brandenburg“ ein Signal gegen Rassismus gesetzt hätten. Platzeck legte sich nicht fest, ob die Tat als rassistischer Angriff einzuordnen sei oder nicht, worum es auch in der Brandenburger Koalition heftigen Streit gegeben hatte. Er sprach lediglich von einer „brutalen Gewalttat“ – so wie Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).

Dagegen hält es SPD-Fraktionschef Günter Baaske trotz der noch nicht völlig geklärten Tatumstände weiter für eindeutig, dass der Angriff auf Ermyas M. „rassisistisch motiviert“ war. Dies belege der Mitschnitt einer Handy-Mailbox, auf der wie berichtet zu hören ist, wie M. als „Nigger“ beschimpft wurde. In der neuen Ausgabe des Potsdamer SPD-Blatts „Perspektive 21“ schreibt Baaske, dass Ermyas M. in der Nacht Alkohol getrunken habe „wie Millionen anderer Deutsche“ und dass er möglicherweise gegen die mutmaßlichen Täter gepöbelt habe, ändere an dieser Bewertung nichts. Der SPD-Fraktionschef stellt die rhetorische Frage: „Darf man eher halbtot geschlagen werden, wenn man betrunken ist? Muss man rassistische Drohungen und Beschimpfungen immer still über sich ergehen lassen?“ Brandenburg sei „natürlich nicht braun“. „Aber wir haben ein schlimmes braunes Problem.“ Und das Ansehen des Landes werde beschädigt, wenn dieses Problem „verschwiegen oder verharmlost wird.“

Vor diesem Hintergrund mahnte auch Regierungschef Matthias Platzeck in seiner Rede, dass neben modernen „Technologien“ und „Talenten“, also kreativen Menschen, eine „umfassende Kultur der Toleranz“ ein zwingendes Gebot für die Zukunftsfähigkeit Brandenburgs sei. Angriffe auf Mitbürger, weil sie „anders“ aussehen, offene Ablehnung von Andersartigkeit und Vielfalt seien ein moralischer Skandal, sagte Platzeck. „Aber: Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann sich das kein Land, keine Regionen oder Stadt auch nur ansatzweise leisten.“

Am heutigen Mittwoch soll auch der zweite Tatverdächtige im Fall Ermyas M. zur Haftprüfung im Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt werden. Ein Ermittlungsrichter wird dort entscheiden, ob der Haftbefehl gegen den 30-jährigen Thomas M. aus Potsdam aufrechterhalten bleibt. Vor einigen Tagen war der Haftbefehl gegen den Mitbeschuldigten Björn L. bestätigt worden. Allerdings wird ihm inzwischen nicht mehr der Vorwurf des versuchten Mordes, sondern der schweren Körperverletzung gemacht.

Die Auswertung einer der wichtigsten Spuren im Ermittlungsverfahren gegen Thomas M. ist derweil noch nicht abgeschlossen: Die abschließende Untersuchung einer am Tatort gefundenen DNA- Spur. Auf einer Glasscherbe war Genmaterial gefunden worden, das nach ersten Schnelltests Thomas M. zugeordnet wurde. Dieser Befund soll mit der DNA- Analyse überprüft werden. Das Ergebnis wird für Ende dieser Woche erwartet.

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