zum Hauptinhalt

Brandenburg: Platzecks kurzer Weg zur Macht

Was geschieht, wenn der Ministerpräsident jetzt SPD-Chef in Berlin wird? Dann werden die Minister stärker in die Pflicht genommen

Potsdam - Da ist es wieder, dieses Lächeln. Selbst enge Mitstreiter in der Potsdamer Staatskanzlei waren Dienstagmorgen verblüfft: Matthias Platzeck erschien so gelöst, so aufgeräumt in seinem Ministerpräsidenten-Büro, als gäbe es die Krise in der SPD gar nicht, als stünde er nicht vor der vielleicht schwierigsten Entscheidung seines Lebens: Soll er den Vorsitz dieser außer Kontrolle geratenen Partei übernehmen?

Wer ihn lange kennt, wusste allerdings sofort: „Er hat sich entschieden, er macht es, wenn die Partei es will.“ Obwohl es „ein Himmelfahrtskommando“ werden könnte, wie ein Vertrauter des 51-Jährigen meint. „Doch diesmal kann Platzeck nicht Nein sagen. In der Not die Partei im Stich zu lassen, würde er sich ewig selbst vorwerfen.“

Das sei eben typisch für ihn, sagt Staatskanzlei-Chef Clemens Appel. Vize-Kanzler und Außenminister wollte Platzeck nicht werden, und vorher hatte er schon zweimal ein Ministeramt in Gerhard Schröders Regierung ausgeschlagen – weil ihm Aufgaben in Brandenburg wichtiger waren. „Lukrative Ämter lehnt er eben ab, aber er sagt nicht Nein, wenn Schaden von der Partei abgewendet werden muss“, so Appel.

So sei es in Potsdam gewesen, wo der damalige Umweltminister 1998 das Oberbürgermeister-Amt übernahm, um in der „Jammerhauptstadt des Ostens“ („Der Spiegel“) eine drohende Machtergreifung der PDS zu verhindern. So war es auch zwei Jahre später, als in der Landes-SPD zwischen dem langjährigen Vorsitzenden Steffen Reiche und seinem Herausforderer Gunter Fritsch ein Machtkampf um die Parteiführung entbrannte. Die Krise wurde beigelegt – indem Platzeck die Parteiführung selbst übernahm. Jetzt also wieder Genosse Retter in der Not.

Am Dienstagmorgen sagte Platzeck alle Termine in Brandenburg für die nächsten Tage ab. In der Landesregierung ließ er sich vom Vize-Regierungschef und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) vertreten. Auf mehreren „Standortkonferenzen“ in dieser Woche zur neuen Förderstrategie soll Staatskanzlei-Chef Appel einspringen. Schon ein Vorgeschmack auf den Doppeljob, den Platzeck in den nächsten Jahren erfüllen muss.

Dass Platzeck auch als Parteivorsitzender Ministerpräsident bleiben wird, ist sicher – schließlich hat er es bei der Landtagswahl im Herbst 2004 versprochen. Zumindest will er es in den nächsten zwei Jahren bleiben und deshalb auch nicht als Minister und Vizekanzler ins Bundeskabinett wechseln. Obwohl dieser Schritt seine Stellung als Parteichef stärken würde, und obwohl ihm enge Freunde rieten: „Du musst ganz nach Berlin gehen, um des Erfolges willen.“ Die Aufgabe sei einfach zu schwierig. Ministerpräsident in einem vor schwierigen Umbrüchen stehenden Land und zugleich Vorsitzender einer schwer angeschlagenen Partei zu sein, die ihre Regierungsfähigkeit noch unter Beweis stellen muss – das werde sich nur schwer vereinbaren lassen.

Platzecks Regierungsmanager Appel ist hingegen überzeugt: „Es geht.“ Zwar wäre es für den Ministerpräsidenten eine extreme Belastung. Doch widerspricht Appel entschieden manchen Befürchtungen, dass Brandenburg „vernachlässigt werden könnte“. Man habe sich in der Staatskanzlei auf die mögliche Herausforderung längst eingestellt, da Platzecks Wahl zum Vize-Parteichef ohnehin anstand. Weil der Ministerpräsident seine Auftritte im Land einschränken müsste, hätten die Minister mehr zu tun, sie müssten mehr öffentliche Termine im Land übernehmen. Und die Staatskanzlei habe mehr zu koordinieren, sagt Appel. Zum Glück sei es von Potsdam nach Berlin nur ein kurzer Weg.

Jörg Schönbohm, Platzecks CDU-Partner im Kabinett, sieht es genauso: „Die Frage ist, wie man das Regierungsgeschäft organisiert.“ Helmut Kohl sei auch eine Zeit lang CDU-Bundesvorsitzender und Regierungschef von Rheinland-Pfalz gewesen. Es könne Brandenburg „sogar nutzen, wenn jetzt Platzecks bundespolitischer Einfluss wächst und er weiter Regierungschef ist“, so Schönbohm. Doch geht es eben nicht nur um Brandenburg, sondern um viel mehr, um das Beste für die Bundes-SPD und die große Koalition in Berlin.

Da tritt auch in den Hintergrund, ob Platzeck sein Amt als SPD-Landeschef behält oder nicht. „Es gibt keinen Grund für hektische Bewegungen“, winkte Landesgeschäftsführer Klaus Ness am Abend ab. „Die Landespartei ist gut aufgestellt.“ Außerdem könne Platzeck rechtlich beide Ämter ausüben. Ob, wann und wie es einen Wechsel an der Spitze der Landespartei gebe, werde man nach Platzecks Wahl zum Bundesvorsitzenden beraten. Als Nachfolger kämen Fraktionschef Günter Baaske und Infrastrukturminister Frank Szymanski in Frage.

Während im Laufe des Tages überall heftig spekuliert wurde, wie es nun weitergeht, führte Platzeck unaufgeregt und besonnen mit vielen Genossen Gespräche, natürlich auch mit Kurt Beck, der ebenfalls Kandidat für den Parteivorsitz war. Platzeck war längst mit sich im Reinen. Am Abend war es dann auch offiziell: Er kandidiert - etwas anderes hatte man in Potsdam nicht erwartet.

Zur Startseite