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Politik: … Bochum nach den Sternen greift

Es gab mal einen kleinen Kadett. Rot war er, betagt war er, und wenn er benutzt werden sollte, dann brauchte er erst einmal ordentlich etwas zu saufen.

Es gab mal einen kleinen Kadett. Rot war er, betagt war er, und wenn er benutzt werden sollte, dann brauchte er erst einmal ordentlich etwas zu saufen. Zwei Liter waren nichts. Sein Kühler war nämlich undicht, und bevor dieser Kadett, dieser Opel Kadett losfuhr, musste der Kühler aufgefüllt werden. Das Wasser hielt etwa hundert Kilometer, dann brauchte der Kadett Nahrung. Und einmal, das war auf einer Autobahn, hui, da sauste der kleine, rote Kadett nur so dahin, da, schwupp, klappte die Motorhaube hoch und legte sich formvollendet, aber sichtversperrend vor die Windschutzscheibe. Fortan musste die Kühlwassernachfüll-Aktion noch um ein umständliches Auf- und Zubinden der Motorhaube erweitert werden. Fairerweise muss gesagt werden, dass beiderlei Extras dieses Kadetts nicht serienmäßig zu haben waren.

Das war in den siebziger Jahren und es war gewiss ein Einzelschicksal. Aber dass es ein Kadett war, der da so völlig marode auf den Straßen rollte, war auch ein wenig symptomatisch. War er da nicht schon vorbei, der Traum von den großen Schiffen, der Weite des Meeres, der weißen Flotte und ihrer Noblesse? Kadett, was ist das schon. Kapitän, Admiral, Commodore, so etwas hat Klang und Namen und Kraft und Ansehen. Und so hießen die Opel der sechziger Jahre, nach ihnen stand der Westdeutschen Sinne. Und sie alle wurden in Bochum gebaut, im Ruhrgebiet, inmitten des Drecks. Dass diese Autos, wahre Schlachtschiffe, auch gehörige Dreckschleudern waren, konnte dieser Symbolkraft nichts anhaben, wahrscheinlich auch deshalb, weil sich damals noch niemand um den Dreck der Autos kümmerte.

Der Opel-Standort Bochum stand dieser Tage arg infrage. Der Opel-Standort gehört nicht mehr Bochum, sondern General Motors, er ist nur noch ein kleines Autoreifchen in der globalisierten Welt, bedroht von seiner Auflösung. Ach, armes Ruhrgebiet. Deine Kohle braucht kein Mensch mehr, zumindest will sie niemand mehr, die Borussia aus Dortmund ist auch nicht mehr, was sie mal war, und Schalke 04 auch nicht, sonst könnten die niemals Deutscher Meister werden, und nun soll auch noch der Motor abgewürgt werden, sozusagen der einstige Lohn des Wirtschaftswunders. Kapitän, Admiral, Commodore, sie fahren nicht mehr auf den Straßen, und wenn, nur noch als Oldtimer, Opel Kadetts, wer braucht denn die noch? Wehmut. Ach nein, nach Lage der Dinge bleibt der Standort Bochum erhalten, Bochum darf wieder nach den Sternen greifen, der neue Astra soll aus Bochum kommen. uem

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